Grüne Energie gesucht: Deutschland entdeckt den Kaukasus

Ein breiter Fluss durchfließt die Stadt Tiflis: an den Ufern grüne Vegetation, Häuser und Hochhäuser im Hintergrund.Foto: Oliver Ristau
Die Kura (hier in Tiflis) ist der längste Fluss im Kaukasus und ein wichtiger Lieferant für grüne Energie.
Der Kaukasus könnte Deutschland und Europa künftig Grünstrom im Gigawatt-Maßstab liefern. Ebenso wie grünen Wasserstoff. Doch Aufwand und Kosten wären hoch.

Klotzen statt Kleckern: die Bundesregierung sucht weltweit nach Möglichkeiten, für Deutschland grüne Energie wie zum Beispiel Wasserstoff zu importieren. Jüngstes Beispiel: der Kaukasus. Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat dem georgischen Finanzminister Lasha Khutsishvili bei einem Besuch Ende Juni in Berlin 23 Millionen Euro für den Aufbau einer Produktion von grünem Wasserstoff zugesagt. Wie der Wasserstoff nach Europa kommen soll, ist dabei noch unklar. Eine kürzlich vom Wuppertal-Institut vorgestellte Meta-Studie zu den Produktionskosten hatte festgestellt, dass nur der Pipelinetransport aus anderen Staaten günstiger ist als die Produktion in Deutschland.

Angetan ist Berlin vom Potenzial der gebirgigen Region. Zahlreiche Flüsse durchziehen das Land. Sie liefern rund 70 Prozent des Stroms für den 3,7 Millionen-Einwohner-Staat zwischen Russland, der Türkei, Armenien und Aserbeidschan. Installiert sind dafür Speicher-Wasserkraftwerke mit 2,4 Gigawatt (GW) Leistung und Laufwasserkraftwerke mit 1,0 GW. Bis 2033 könnten sich die Wasserkraftkapazitäten verdoppeln, rechnet der staatliche Stromnetzbetreiber GSE (Georgian State Electrosystem) vor. Außerdem sollen in dem sonnenreichen Land Windparks und Photovoltaik in Gigawatt-Stärke entstehen. Aktuell ist erst ein Windpark mit 21 MW in Betrieb.

Unterseekabel für 2,2 Milliarden Euro

Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt dafür den Stromnetzausbau mit 260 Millionen Euro. Das Ziel: das Land soll vom Russland-abhängigen Nettoimporteur zum -exporteur und zum Lieferanten für Europa werden. Damit will Deutschland Georgien gleichzeitig näher an die EU führen. Das Land hatte 2022 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt.

Den Weg könnte der Strom über eines der längsten Unterwasser-Stromkabel der Welt zwischen Georgien und Rumänien finden. Derzeit erstellen die Beteiligten eine Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse sie Ende 2023 vorstellen wollen. Die Kosten für die rund 1.100 Kilometer lange Leitung, die in beiden Richtung 1.000 MW transportieren könnte, wären mit 2,2 Milliarden Euro allerdings enorm.

Dabei geht es nicht nur um Energie direkt aus Georgien. Das Land könnte als Energie-Umschlagsplatz auch Grünstrom aus künftigen Offshore-Windparks im Kaspischen Meer aus Aserbeidschan nach Westen transportieren. Auch zu diesem Zweck hatte im Juni Bundespräsident Walter Steinmeier Aserbeidschan besucht.

Doch sowohl die hohen Kosten als auch Sicherheitsbedenken – das Unterseekabel würde in Reichweite der von Russland gehaltenen Krim-Halbinsel verlaufen – schieben eine Alternative über das Stromnetz der Türkei in den Blick. Das würde aber die Abhängigkeit von der Türkei einmal mehr erhöhen.

Trotz der vielen Millionen Euro an Hilfen ist der weitere Weg für Georgiens Grünstrom unsicher. Eine erste Ausschreibung für 300 MW an neuen Wasserkraft-, Wind- und PV-Kapazitäten startete Anfang des Jahres zwar erfolgreich. Im Median lagen die Gebotspreise dem Vernehmen nach bei 5-6 Cent je Kilowattstunde. Doch weitere Auktionen liegen auf Eis, nachdem die eigentlich für Juli geplante Öffnung des Strommarktes gescheitert ist. Ohne einen transparenten Strompreis dürften aber westliche Investoren weniger bereit sein, in die Entwicklung georgischer Solar- und Windparks zu investieren. Und damit bliebe der Kaukasus für Deutschlands und Europas Ökostromziele erst einmal da, wo er heute geografisch ist: in weiter Ferne.

12.7.2023 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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