Ölkonzerne sichern sich Offshore-Wind

Im Bild sind Offshore-Windenergieanlagen. Bei der aktuellen Ausschreibung der Bundesnetzagentur ist ein dynamisches Gebotsverfahren nötig.Foto: Kruwt / stock.adobe.com
Künftig wollen bei Winkraft-Projekten in deutschen Gewässern internationale Ölkonzerne kräftig mitmischen.
Mit Rekordsummen sichern sich die Ölkonzerne BP und Total Flächen in der Nord- und Ostsee zum Bau von 7.000 MW Offshore-Windparks. Die Windbranche kritisiert, dass das einzige Kriterium bei der ersten Offshore-Ausschreibung der Bundesnetzagentur die Zahlungsbereit­schaft war.

Die fossilen Gas- und Ölkonzerne BP und Total haben sich mit üppigen Summen in das deutsche Offshore-Windgeschäft eingekauft. Hintergrund ist ihre Fähigkeit und Bereitschaft, bei der ersten Ausschreibung von Offshore-Windparkflächen in der deutschen Nord- und Ostsee durch die Bundesnetzagentur (BNetzA), Rekordbeträge zu bieten. Es ging um Flächen für insgesamt 7.000 Megawatt (MW). Zum Vergleich: Bisher sind in Nord- und Ostsee 8.000 MW installiert.

Dynamisches Auktionsverfahren für Offshore-Windflächen

Total Energies erwarb die Rechte zum Bau von 2.000 MW in der Nordsee 120 Kilometer nordwestlich von Helgoland und 1.000 MW in der Ostsee 25 Kilometer vor Rügen. Dafür zahlen die Franzosen 5,8 Milliarden Euro. Die britische BP kam zum Zuge für zwei Flächen in der gleichen Nordseeregion, auf denen je 2.000 MW Offshore-Windkraftleistung entstehen soll. Das Unternehmen zahlt dafür 6,8 Milliarden Euro. Bei der Ausschreibung für EEG-Fördergelder hatten mehrere Bieter teilgenommen, die bereit waren, die Anlagen ohne eine Förderung zu errichten. Um die Gewinner zu ermitteln, hat die Bundesnetzagentur ein „dynamisches Verfahren“ eingeführt. Hier zählte letztlich nur noch, wer bereit war, den höchsten Preis zu zahlen.

Große deutsche Offshore-Wind-Player gehen leer aus

Das stößt in der Branche auf Kritik. Denn weltweit hatte bisher noch niemand so viel geboten. Bei einem derartigen Wettbewerb sei es kein Wunder, „dass zwei finanz- und eigenkapitalstarke Giganten aus dem Öl- und Gassektor erfolgreich waren“, so Karina Würtz, Geschäftsführerin der Stiftung Offshore-Windenergie. Die Branche hatte sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, die Gebotshöhe zu begrenzen, um mehr Akteure zum Zuge kommen zu lassen. Eine weitere Forderung: die Einbeziehung „qualitativer Kriterien“. So hatte die Stiftung vorgeschlagen, den CO2-Fußabdruck beim Transport der Komponenten mit zu berücksichtigen. Eine mögliche Kombination mit grünem Wasserstoff und Floating-PV sowie Naturschutzmaßnahmen, wie künstliche Riffe zu schaffen, waren ebenfalls Vorschläge. Diese sollten nun aber für die nächste Ausschreibungsrunde berücksichtigt werden, fordert die Stiftung. Im nächsten Jahr will die BNetzA weitere 8 bis 9 GW Offshore-Kapazitäten ausschreiben.

Auch die EnBW, die sich zusammen mit der norwegischen Equinor am dynamischen Bieterverfahren beteiligt hatte, kritisiert, dass es im „derzeitigen Ausschreibungsdesign für nicht voruntersuchte Flächen nicht auf qualitative Kriterien ankommt. Einziges Kriterium für den Flächenzuschlag ist die Zahlungsbereitschaft der Bieter. Akteursvielfalt wäre aber entscheidend, um sowohl den Wettbewerb der Ideen als auch die Vielfalt der Zulieferer aufrechtzuhalten“, so EnBW-Sprecherin Miriam Teige gegenüber den Solarthemen.

Mehr Offshore-Wind für weniger Geld?

Der Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO), bei denen Total und BP Mitglied sind, merkte an, dass das Geld hätte „sinnvoller verwendet werden können: Mit den Geboten von insgesamt 12,6 Milliarden Euro hätten zusätzlich 3,6 GW an Offshore-Windparks errichtet werden können“, moniert BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm.

Grundsätzlich begrüßt er, dass mit BP und Total der heimische Offshore-Markt um zwei Akteure reicher wird. Doch der Betrieb der Parks sei nicht alles. Es gehe auch darum, die gesamte Wertschöpfung in Deutschland zu stärken. Ziel der deutschen Politik müsse sein, so Thimm, absehbare Engpässe zu beseitigen „bei der industriellen Kapazität für den Bau von Windenergieanlagen, Fundamenten und den dafür benötigten Errichterschiffen“.

Denn die Hersteller von großen Windkraftturbinen müssen kräftig investieren, um den erwarteten Boom stemmen zu können. Doch das Gegenteil ist bisher der Fall: Produzenten wie Siemens schreiben rote Zahlen und haben so weniger Kapital für Investitionen.

Ölkonzerne nutzen prall gefüllte Kassen

Außerdem gibt es Sorgen, dass die Ölriesen ihre hohen Investitionen durch niedrige Kampfpreise bei den Turbinen wieder hereinholen könnten. Insgesamt sitzen BP und Total wie die meisten westlichen, global operierenden Öl- und Gaskonzerne auf enormen liquiden Mitteln. Diese resultieren unter anderem aus den seit Corona gestiegenen Ölpreisen bei zugleich niedrigen Produktionskosten.

So wiesen BP und Total Ende 2022 einen Cash-Bestand von jeweils rund 30 Milliarden Euro aus. Zum Vergleich: Beim Offshore-Wettbewerber Eon standen rund 9 Milliarden Euro zu Buche. Beide Konzerne zählen zu den größten privaten Öl- und Gasförderunternehmen der Welt. Insbesondere die europäischen Ölkonzerne hatten angekündigt, zur Kompensation der eigenen fossilen Aktivitäten künftig Milliarden in nachhaltige Energien wie Offshore-Wind investieren zu wollen.

Offshore-Auktionsgewinn soll Stromkunden zugute kommen

Den Ökostrom aus den Parks in deutschen Gewässern will Total entweder über den Strommarkt oder über bilaterale Verträge (PPA) absetzen. Die Inbetriebnahme soll bis 2030 erfolgen. Die von der Bundesnetzagentur eingenommenen 12,6 Mrd. Euro sollen laut Behörde zu 90 Prozent an die Übertragungsnetzbetreiber fließen, und zwar über einen Zeitraum von 20 Jahren. Diese sollen die Erlöse über niedrigere Netznutzungsentgelte dann an die Stromkunden weitergeben. 10 Prozent der Einnahmen erhält der Bund, der daraus bisher noch nicht definierte Projekte zum Meeresschutz finanzieren will.

20.7.2023 | Autor: Oliver Ristau
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