Vogel und Priggen: Es geht um das Klima

Hans-Josef Vogel (l.) und Reiner Priggen (r.)Foto: LEE NRW / Jochen Tack
Hans-Josef Vogel (l.) und Reiner Priggen (r.)
Hans-Josef Vogel hat Reiner Priggen als Vorsitzenden des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE) abgelöst. Priggen (Bündnis 90/Die Grünen), der viele Jahre Landtagsabgeordneter war, führte den LEE ab 2016. Vogel (CDU) war von 2017 bis 2022 Regierungspräsident von Arnsberg und zuvor Bürgermeister der Stadt Arnsberg. Die Solarthemen sprachen mit ihnen über das Energiewendeklima.

Solarthemen: Beim LEE NRW gibt es einen neuen Vorsitzenden. Verschieben sich damit Schwerpunkte oder gibt es vor allem Kontinuität?

Hans-Josef Vogel: Ganz klar eine große Kontinuität. Uns beim LEE eint der politische Wille, uns eint die Vernunft, also all das, was wir von der Wissenschaft über den Klimawandel wissen. Und uns eint auch, dass wir unsere Verfassung ernst nehmen, rechtzeitigen Klimaschutz durch den Ausbau Erneuerbarer voranzutreiben.

Solarthemen: Herr Priggen, was wollen Sie an Ihren Nachfolger besonders weitergeben?

Reiner Priggen: Ich bin sehr begeistert über meinen Nachfolger. Das war ich schon, als Herr Vogel zusagte, diese Aufgabe zu übernehmen. Ich finde den Übergang so hervorragend von jemandem, der aus der Politik kommt, die Landtagsprozesse gut kennt, der viel Verwaltungserfahrung hat und weiß, was kommunal nötig ist. Er hat Drähte zu den Bürgermeistern und er weiß, wie es in der Politik läuft. Dieser Übergang passt gut in die politische Zeit hinein. Ich habe da überhaupt keine Sorgen. Von dem, was ich jetzt mitbekomme von seiner Arbeit, bin ich sehr angetan. Da brauche ich keine Ratschläge zu erteilen.

Solarthemen: Wo werden Sie sich künftig besonders werden einsetzen müssen?

Vogel: Es ist auch das Verdienst von Reiner Priggen, dass nun erstmals ein breiter politischer Wille da ist, die erneuerbaren Energien schleunigst auszubauen. Das waren zuvor dicke Bretter, die gebohrt werden mussten. Und jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, dass die Entwürfe beispielsweise zur Landes- und Regionalentwicklungsplanung, zur Landesbauordnung oder zum Artenschutzleitfaden oder zur finanziellen Beteiligung sowie konkretisierende Erlasse praxistauglich und dem Grundgesetzgebot der Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren entsprechend beschlossen werden. Darüber hinaus gilt es, die Selbstprogrammierung der Verwaltungen zu unterstützen, die jetzt unter völlig neuen rechtlichen Rahmenbedingungen die Verfahren – hoffentlich endlich volldigital – durchführen. Und unnötige rechtliche Hindernisse bei der Umsetzung müssen noch weg, wie etwa bei Schwerlasttransporten.

Solarthemen: Herr Priggen, wo liegen denn die gegenüber früheren Jahren eventuell höheren Chancen für den LEE und die erneuerbaren Energien?

Reiner Priggen: Der entscheidende Punkt ist, dass sich das gesamte öffentliche Klima für die Erneuerbaren nach dem Überfall Putins auf die Ukraine nochmals dramatisch geändert hat. Da geht es auf der einen Seite um die Klimafrage, auf der anderen um die Versorgungssicherheit. Und jetzt sind es Industrie und Gewerbe, die ankommen. Im letzten Jahr hatten wir die Situation, dass Firmen gesagt haben, „wir haben 7.000 Quadratmeter Dachfläche, wie schnell ist dafür Photovoltaik lieferbar”. Und das war nicht nur ein Unternehmen. Jetzt kommt die faszinierende Zeit, dass wir viele Megawatt auf die Dächer bringen. Und auch das Interesse an der Windkraft steigt. Wir, die wir ehrenamtlich in diesem Bereich in den Verbänden tätig sind, werden darauf achten müssen, dass die Gesetze diesen Trend tatsächlich unterstützen. Die derzeit in der Politik sichtbaren guten Absichten müssen zur Realität werden.

Solarthemen: Gibt es da noch etwas zu ergänzen?

Hans-Josef Vogel: Reiner Priggen hat es auf den Punkt gebracht. Die Wirtschaft fordert die Erneuerbaren. Im Kommunalranking des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln für das Jahr 2023 werden die Kommunen aufgefordert, Strom, der regional mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, zur Verfügung zu stellen. Und wir brauchen auch die Anlagen in der Nähe unserer Unternehmen. Ich bin zu Hause in Südwestfalen, also in einer starken Industrieregion. Und ich erlebe jeden Tag, dass die Industrie sagt, je schneller, desto besser. Denn sie muss natürlich auch aus den hohen Preisen raus und dabei hilft Strom aus Erneuerbaren vor Ort.

Solarthemen: Sie haben beschrieben, dass sich die öffentliche Stimmung stärker für erneuerbare Energien ausspricht. Das betrifft sicherlich den Stromsektor. Wir haben aber eine sehr heftige Diskussion zum Thema Wärme. Das Gebäudeenergiegesetz erfährt massiven Widerstand. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die kommunale Wärme­pla- n­ung. Was kann das Land NRW beisteuern und wie kann der LEE das unterstützen? Oder anders gefragt: Wie bekommen wir im Wärmebereich das Thema so gedreht, dass wir eine breite Unterstützung für den Einsatz erneuerbarer Energien erhalten?

Hans-Josef Vogel: Die Diskussion um die Wärme hat mich so ein wenig an die während der Corona-Pandemie erinnert, ob man Masken im Flugzeug tragen soll. Alle wissen, was richtig ist, und trotzdem wird darüber diskutiert. Wir haben andere Länder als Vorbilder – wie die skandinavischen Staaten oder auch Polen, die ja alle schon viel weiter sind als wir. Und wir müssen die Kommunen konkret dabei unterstützen voranzukommen. Dafür werden wir als LEE am 21. September einen Kongress in Münster organisieren. Die Kommunen sind bis zum Anschlag belegt mit Aufgaben und nun kommt die kommunale Wärmeplanung als Aufgabe noch hinzu. Die Landesregierung, die Bezirksregierungen, der LEE sowie die Unternehmen und die Zivilgesellschaft müssen diese Prozesse organisieren beziehungsweise begleiten.

Reiner Priggen: Es ist gut, dass das GEG jetzt geändert wird. Die nun erfolgen Anpassungen sind notwendig. Und wie es Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mal gesagt hat: „Es fällt einem kein Zacken aus der Krone, wenn man im Wege eines Kompromisses zu Vereinbarungen kommt.” Ich hatte vorher zum Beispiel nicht verstanden, warum Pelletheizungen im Neubau nicht mehr zugelassen werden sollten. Das ist ein ganz konkreter Punkt.

Gleichzeitig müssen wir uns um Technologien wie die Wärmepumpe kümmern. Früher gab es zum Teil Vorbehalte in der Heizungsbranche ge­gen Veränderungen, was auch an eingeführten Strukturen lag. Aber nun ist der Siegeszug der Wärmepumpe sowieso unaufhaltsam. Wenn das GEG und die kommunale Wärmeplanung nun kommen, dann ist das alles gut so. Das wird uns weiterhelfen. Hier haben wir in NRW Rückstände. Baden-Württemberg ist bei der Wärmeplanung viel weiter. Bei uns ist das bei vielen Kommunen nicht auf der Tagesordnung gewesen. Jetzt fängt es überall an. Ich sehe es eher positiv. Wir können uns freuen, dass es nun endlich losgeht. Und wenn inzwischen bereits 70 Prozent der Neubauten Wärmepumpen haben, dann sind wir doch schon dabei zu gewinnen. Das wird einfach klappen.

Hans-Josef Vogel: Es geht immer um den Einstieg, weil Einstiege eine Vorbildwirkung haben. Wir sehen es auch bei Photovoltaikanlagen auf den Dächern. Wenn ein oder zwei Privathaushalte in einer Straße damit anfangen, dann setzt sich das häufig auch in der Nachbarschaft durch. Und dieser Einstieg wird auch im Wärmebereich möglich sein.

Solarthemen: Sicherlich gibt es solche Nach­ah­mungs­effekte. Aber wir haben bei der Wärme eine negative Stimmungslage, die sich nun gegen die Energiewende in diesem Bereich wendet. Was können insbesondere die Verbände dagegen tun?

Reiner Priggen: Erstens kommunizieren, dass es machbar ist, dass wir die Technik haben, dass sich die Aufgabenstellung mit Blick sowohl auf den Klimaschutz als auch die Energieabhängigkeit nicht geändert hat und dass es gut ist, wenn die Regierung nun im Wege eines Kompromisses das Gesetz gut ausjustiert hat. Und am besten wäre es, um das ganz klar zu sagen, wenn die CDU auf diesen Kurs mit einsteigen würde. Sie sollte konkret sagen, was sie möchte, um sie überhaupt in einen Kompromiss bei der Gesetzgebung mit einbeziehen zu können. Denn in einer Demokratie ändern sich Mehrheitsverhältnisse. Und wenn man ein Gebäudeenergiegesetz mit möglichst breiter Unterstütung beschließen könnte, dann wäre klar, dass daran so bald nichts geändert wird.

Ich habe keine Sorge, dass der Umstieg technisch nicht funktioniert. Wir haben die Technik. Und als jemand, der Energiepolitik seit fast 40 Jahren begleitet und macht, weiß ich, es gab immer Gegenwind, es gab immer Kampagnen. Und auch wenn nun zum Beispiel die BildZeitung massiv gegen das Gebäudeenergiegesetz eingestiegen ist, müssen wir uns davon doch nicht erschrecken lassen. Man muss es ernst nehmen, man muss eine Gegenstrategie haben. Aber wir müssen dann einfach eine andere Öffentlichkeitsarbeit machen – mit Ruhe, mit Gelassenheit zeigen, wie es geht. So haben wir bislang alles gewonnen. Jetzt müssen wir noch einen Zahn für die Wärmewende zulegen.

Solarthemen: Allerdings werden die Kampagnen einzelner Medien von der Politik aufgenommen, gerade in der Union. Da ist auch vom Heizungshammer die Rede. Herr Vogel, wie schätzen Sie es ein, wie bekommt man einen breiteren Konsens hin?

Hans-Josef Vogel: Ich glaube, dass der Konsens vielleicht nicht in Berlin, wenn ich das mal so sagen darf, aber in den Ländern, den Regionen, den Kommunen da ist. Es gibt unterschiedliche Koalitionen in den Ländern. Die Kommunen fragen sowieso nicht, wie die Parteiwertung ist. Sie sehen die Aufgabe und erledigen sie. In diesem Zusammenhang sehe ich es aber auch als wichtig an, dass es gerade hier bürokratisch einfacher werden muss. Eine Gasheizung einzubauen ist einfach, das muss man außer beim Gasversorger nirgendwo anmelden, das ist erprobt. Wenn man aber eine andere Heizung einbauen möchte, dann fühlt man sich oft – ob als Verbraucher oder Handwerker – alleingelassen. Denn uns fehlen klare, einfache Übersichten zu den Voraussetzungen. Das kann man einfacher machen. Und das sollte man auch einfacher machen.

20.8.2023 | Interview Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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