Kritische Rohstoffe für Photovoltaik

Luftbild von Europas größter Kupferhütte Aurubis in Hamburg. Hier werden auch Rohstoffe für die Photovoltaik verarbeitet.Foto: Mediaserver Hamburg / Wiwiphoto & Film Ulrich Wirrwa
Europas größte Kupferhütte in Hamburg verarbeitet auch Rohstoffe für die Photovoltaik.
Durch den Boom der Photovoltaik werden mehr Rohstoffe wie Kupfer, Silber und Silizium ge­braucht. Um die Versorgung zu sichern, will die EU die Beschaffung diversifizieren. Doch noch ist nicht klar, woher der zusätzliche Bedarf stammen soll und was er kosten wird.

Das schwankende Schilfrohr im Sommerwind hat auf den ersten Blick nichts mit einem Bergmann gemein. Und doch könnten die Pflanzen künftig dazu beitragen, in Deutschland Rohstoffe wie Seltene Erden und Germanium zu fördern, die auch für den Ausbau der Photovoltaik und anderer regenerativer Energien relevant sind. Am sogenannten Phytomining forschen Professor Herman Heilmeier und sein Team von der TU Bergakademie Freiberg schon viele Jahre. Die Idee: Beim Wachstum reichern Pflanzen Metalle an, die sich nach der Ernte extrahieren lassen, etwa aus den Gärresten, wenn die Pflanzen in Biogasanlagen Verwertung fänden.

Phytomining für die Photovoltaik

Beim Rohrglanzgras vom Typus Phalaris arundinacea schafften die Forscher mittlerweile 8 Milligramm (mg) Germanium pro Kilogramm Trockenmasse, berichtet Heilmeier. Wenn es gelinge, die Akkumulation auf mehr als 10 mg zu steigern, könne Phytomining die Wirtschaftlichkeitsschwelle erreichen – bei gleich­zeitiger energetischer Verwertung in Biogasanlagen. Dabei könnte es zu einem wichtigen Metall-Lieferanten werden: „Wenn wir auf allen Flächen des Energiepflanzenanbaus in Deutschland, die nicht für landwirtschaftliche Produktion geeignet sind, Phytomining betreiben, könnten wir 15 bis 20 Prozent des heimischen Germaniumbedarfs decken“, rechnet der Wissenschaftler vor.

Die Pflanzenkumpel könnten damit eine Lösung für ein immer dringlicher werdendes Problem bieten: die Versorgung Europas mit Rohstoffen für moderne Energietechnologien. Germanium etwa kommt als Beschichtung für Multi-Junction-Solarzellen zum Einsatz. Und es ist eines von fünf Metallen, deren Versorgung die EU für die Wachstumspläne der Photovoltaik als kritisch einstuft. Die anderen vier sind Bor, Gallium, Indium und Silizium. Immerhin 40 bis 60 Tonnen Germanium importiert Deutschland laut Bundesanstalt für Geowissenschaften im Jahr. Bis zu 60 Prozent davon stammen aus China.

China kontrolliert Rohstoffe für Photovoltaik

Für die chinesischen Importe wird Deutschland wohl Ersatz brauchen. Denn China hat für Germanium und Gallium Exportkontrollen ab August 2023 angekündigt. Beide Elemente sind wichtig für die Herstellung von Gallium-Arsenid-Solarzellen, die vor allem für Weltraumanwendungen zum Einsatz kommen. Allerdings benötigten die Zellen nur wenige Mikrometer dünne Schichten, erklärt Sebastian Nold, Teamleiter für technoökonomische und ökologische Analysen am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). „Die in Europa ansässigen Hersteller von Weltraumsolarzellen haben für Germanium und Gallium Lieferanten außerhalb Chinas.“

Gallium komme außerdem bei der Dotierung von Siliziumwafern zum Einsatz. Insgesamt liege der Bedarf der Solarsiliziumindustrie bei einigen Hundert Kilo. Das ist nicht viel angesichts einer weltweiten Produktion von 550 Tonnen und betrifft Deutschland auch kaum direkt. Denn die Wafer der hier installierten Module stammen nahezu vollständig aus China. Dazu kommt, dass die Waferindustrie bei der Dotierung Gallium immer öfter durch Phosphor ersetzt, weil dies die Effizienz erhöht. „Ein Exportstopp Chinas von Gallium oder Germanium hätte keine signifikanten Auswirkungen auf die Solarindustrie“, so Nold. „Ein Exportstopp von Siliziumwafern jedoch schon, denn hier dominiert China den Markt zu 99 Prozent.“

Kein Wunder, dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine Kollegen aus Frankreich und Italien auf diesen zentralen PV-Rohstoff schauen. Die drei hatten Ende Juni in Berlin eine Rohstoffallianz zur Beschaffung kritischer Stoffe vorgestellt. Deutschland wolle dafür im kommenden Haushalt zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro an Eigenkapital über einen Fonds bereitstellen, kündigte Habeck an.

Kritischer Rohstoff Silizium

Silizium sei einer der wichtigsten strategischen Rohstoffe in der EU, so die Minister. Außerdem nannten sie Kobalt, Kupfer, Lithium und Nickel. Diese Liste sei nicht vollständig. „Wir sind uns einig, sie noch zu verlängern“, sagte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire.

China hat seine Dominanz bei Silizium in den letzten Jahren kontinuierlich ausgebaut. Mittlerweile kommen laut Fraunhofer ISE 90 Prozent des Solarsiliziums aus dem Land. Zwar produzieren mit Wacker und REC Solar auch zwei große Hersteller Polysilizium in Europa. Deren Jahreskapazitäten liegen laut den Forschern bei 22 Gigawatt. Doch der Bedarf der Solarbranche wächst. Weltweit werde er von 800.000 Tonnen 2022 auf 1,1 Millionen Tonnen bis 2030 und auf 1,4 Millionen Tonnen bis 2050 anwachsen, schreibt die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem jüngsten Bericht zu kritischen Rohstoffen.

Rohstoffverbrauch der Photovoltaik steigt an

Und auch bei Indium, Gallium, Germanium, Tellur und Selen wird der PV-Verbrauch ansteigen. Immerhin gibt es für Gallium, Germanium und Tellur Optionen. Sie lassen sich als Beiprodukte bei der Herstellung von Kupfer und Aluminium gewinnen – beides Metalle, die in Deutschland bisher noch produziert werden.

Neben neuen Importquellen gehe es für die Länder Europas aber auch darum „ihr Territorium zur Exploration zu nutzen“, so Le Maire beim Rohstofftreffen in Berlin. Sein Beispiel: „Wir haben im Elsass noch Lithiumvorkommen, die wir bisher nicht nutzen.“

Nach dem von der EU vorgeschlagenen Gesetz zu kritischen Rohstoffen sollen die Länder künftig 10 Prozent ihres Bedarfs selber erschließen, weitere 40 Prozent verarbeiten sowie 15 Prozent durch Recycling sicherstellen.

Kupfer statt Silber

Silber taucht übrigens in der EU-Liste der kritischen Rohstoffe für die Photovoltaik nicht auf. Und das, obwohl der Bedarf der PV-Industrie weiter wachsen wird. So rechnet der Hersteller von Silberpasten Heraeus mit einem Anstieg der Silbernachfrage durch die PV. Wiewohl das Unternehmen „kontinuierlich den Ver­­brauch von Silber pro Zelle und Watt senkt“, wie Unternehmenssprecher Tore Prang den Solarthemen sagte. Von 2012 bis 2021 sei der Bedarf pro Watt von 28 auf 12 mg gefallen. Die Dicke der Bahnen in den Zellen betrage nur noch 20 statt 150 Mikrometer.

Die IEA erwartet, dass der PV-Bedarf an Silber bis 2030 zunächst um 1.000 Tonnen auf 5.250 Tonnen pro Jahr zunehmen wird. Ab dann aber werde das Edelmetall mehr und mehr substituiert, bis die Industrie 2050 nur noch 1.650 Tonnen im Jahr benötige.

Kupfer statt Silber für Leiterbahnen

Dann kommt vor allem Kupfer ins Spiel. Das Fraunhofer ISE hat dafür mit PV2+ ein Unternehmen ausgegründet, das künftig Solarzellenbahnen aus Kupfer statt aus Silber produzieren will. Die Argumentation: Die Solarindustrie verarbeite schon heute 15 Prozent des in Minen abgebauten Silbers. Silber mache zudem rund 10 Prozent des Herstellungspreises für eine Photovoltaikzelle aus – Tendenz steigend. Kupfer könnte übernehmen.

Allerdings ist der Bedarf enorm. So prognostiziert die IEA mehr als eine Verdoppelung des Bedarfs für Rohstoffe der Photovoltaik bis 2050: von 730.000 Tonnen Kupfer auf 1,8 Millionen Tonnen. Wo die zusätzlichen Rohstoffe genau herkommen sollen, ist bisher nicht klar, ebenso wenig, auf welche Kosten der Rohstoff-Rausch hinausläuft.

Beim Germanium wären die Ressourcen vorhanden. „Wir finden mit 3 Milligramm pro Kilo Erde in Sachsen eine doppelt so hohe Konzentration von Germanium in den Oberböden vor wie im weltweiten Durchschnitt“, sagt Professor Heilmann aus Freiberg. Jetzt müssen die Pflanzen das Element nur noch heben.

21.7.2023 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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