Windkraft-Repowering: Neue Gesetze wirken

Windkraft-Repowering-Projekt in Nordfriesland. Im Hintergrund verschiedene Generationen von Windenergieanlagen und ein Nordseedeich. Im vordergrund die leicht angerostete Nabe einer demontierten Windenergieanlage.Foto: Guido Bröer
Die Regeln für Repoweringprojekte sind inzwischen einfacher geworden als noch bei dieser Windparkerneuerung in Nordfriesland.
Für das Repowering von Windparks haben Bundesregierung und EU neue Rechtsgrund­la­gen gelegt, an die sich auch kommunale Genehmigungsbehör­den noch gewöhnen müssen. Vereinfachte Verfahren sollen die Genehmigungen beschleunigen.

Wer im Bereich des westfälischen Werl regelmäßig die Autobahn 44 benutzt, erlebt dort in diesen Tagen ein Windkraft-Repowering-Projekt, wie es im Buche steht. Fünf Windenergieanlagen, die sich dort seit dem Jahr 2001 drehen und jeweils 1,5 Megawatt leisten, werden aktuell durch zwei Anlagen der neuesten Generation ersetzt. Die beiden neuen können mit ihrem Rotordurchmesser von 170 Me­tern bei einer Gesamthöhe von 250 Metern unter Volllast jeweils 6,2 Megawatt Windenergie produzieren. Somit hofft die SL Naturenergie GmbH aus Glad­beck, auf der gleichen Fläche künftig mit den zwei modernen Anla­gen dop­pelt so viel Stromer­trag zu erzielen wie mit den fünf Vorgänger-Turbinen.

Um diesem Ziel näher zu kommen, musste das Unternehmen der Genehmigungsbehörde rund 1.200 Seiten an Unterlagen einreichen. Solch ein Papierberg war bislang Standard – egal ob es um die Erschließung eines neuen Standorts ging oder um ein Repowering-Projekt. „Wir haben dieses Projekt noch nach der alten Rechtslage genehmigt bekommen“, berichtet Sebastian Gam­pe aus der Projektentwicklung bei SL. Mehrere weitere Repowering-Vorhaben habe das Unternehmen inzwischen allerdings auf Basis der von der Ampelkoalition im Bund im vorigen Jahr angeschobenen neuen Gesetzgebung zur Genehmi­gung eingereicht. Und damit habe sich der Aufwand – und wohl auch die schiere Menge einzureichenden Papiers – mindestens für Repowering-Fäl­le deutlich verringert, berichtet Gampe.

EU-Verordnung wirkt

Noch wichtiger ist aber, dass die neue Rechtslage offenbar bereits in den Amtsstuben angekommen ist. Aus der Praxis berichtet Gampe: „Die Genehmigungsbehörden haben die neue Rechts­­lage aufgegriffen.“ Allerdings, und auch das gehöre zur Wahrheit, herrsche noch eine gewisse Unsicherheit in der Anwendung der neuen Paragrafen. Der Projektierer sagt: „Es ist schon eine Herausforderung, sich diese neuen Gesetze gemeinsam mit der Behörde zu er­schlie­ßen und sie anzuwenden.“ Denn manche der neuen Formulierungen, die Bundestag und Bundesrat speziell zur Vereinfachung für das Windkraft-Repowering im Sommer 2022 in das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und das Bundesnaturschutz-Gesetz (BNatSchG) hineingeschrieben haben, bieten noch Interpretationsspielräume.

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Repowering-Paragraf 16 b im BImSchG

Grundsätzlich sorgt der neu eingeführte „Repowering-Paragraf“ 16b im BImSchG dafür, dass die Standorte der bisherigen Anlagen neu überplant werden können. Er greift immer dann, wenn eine neue Windturbine nicht weiter als um das Zweifache ihrer Gesamthöhe entfernt ist von der Altanlage, die sie ersetzen soll. Der Clou dabei: Hier darf auch dann repowert werden, wenn das Gelände, auf dem seinerzeit das Wind­rad entstanden ist, außerhalb heutiger Vorranggebiete beziehungsweise Konzentrationszonen liegt. „Damit besteht jetzt Bauplanungsrecht für viele Standorte, die bislang nicht beplanbar wa­ren“, sagt Gampe.

Und die wesentliche Neuerung dieses Planungsrechts ist die sogenann­te „Delta-Betrachtung“ oder „Delta-Prüfung“. Einfach gesagt wird in puncto Immissionsschutz nur noch der Unter­schied (das Delta) des neuen zum vorherigen, durch das alte Windrad vorbelasteten Zustand geprüft. Das gilt vor allem für die Artenschutzprüfung.

Wenn sich zum Beispiel Lärmimmissionen rings um den Standort nicht erhöhen – und das tun sie dank der moderneren Flügelkonstruktionen meist nicht –, dann müsste das RepoweringProjekt sogar dann von den Behörden durchgewunken werden, wenn die Schall­immissionen etwas über den heute gültigen Grenzwerten lägen.

Delta-Prinzip für Artenschutz

Noch entscheidender ist das „Delta“-Prinzip für die Artenschutzprüfung innerhalb der BImSchG-Genehmigung. Tatsächliche oder vermeitliche Populationen von fliegender Fauna, vor allem von einigen Greifvogelarten und Fleder­mäu­sen, stellen in den Genehmigungsverfahren immer wieder Hindernisse da. Auch sind sie oft der Stoff, aus dem sich anschließend langwierige Gerichtsverfahren ergeben. Zwar hat auch nach dem neuen Recht in Windkraft-Repowering-Fällen weiterhin eine gewissenhafte Artenschutzprüfung zu erfol­gen. Allerdings ist der vorherige Zustand einschließlich des bestehenden Windparks zu berücksichtigen. Auch hier gilt also das Delta-Prinzip: Nur wenn sich das Gefährdungspotenzial für die einschlägigen Vogel- und Flugsäugerarten durch die neuen Anlagen gegenüber den alten erhöht, sind die Naturschutzbehörden zum Einspruch gegen die Repowering-Pläne berechtigt oder es werden artspezifische Vermeidungsmaßnahmen erforderlich. Dass dies in der Regel nicht der Fall ist, dafür sorgt allein schon die höhere Lage der modernen Rotoren. Denn die meisten Flugbewegungen finden in den tieferen Regionen statt.

Und deshalb ist die Gefährdung dadurch geringer, dass die Blattspitzen in der unteren Position viel weiter über Grund liegen als bei den abzubauenden Altanlagen. Zwar ist andererseits die von den Rotorblättern überstri­chene Fläche größer, dieser Nachteil wird allerdings durch die geringere Anzahl und die geringere Winkelgeschwindigkeit der Rotoren ausgeglichen.

EU-Verordnung gilt für Windkraft-Repowering direkt

Beschleunigen dürften sich die Genehmigungsverfahren für Repowering-Vorhaben auch durch die EU-Notfallverordnung vom 19. Dezember 2022. Die ist seit dem 30.12.2022 von allen Behörden auch in Deutschland unmittelbar zu beachten. Befristet bis Mitte 2024 entfallen Artenschutzprüfung und UVP laut EU-Recht nunmehr komplett. Über die bisherigen Verfahrenserleich­te­run­gen in Deutschland geht das unmittelbare EU-Recht somit noch deutlich hinaus.

Zudem gibt die EU-Verordnung nun für alle Repowering-Verfahren eine maximale Bearbeitungsdauer von sechs Monaten vor, die entgegen den bis dahin gültigen deutschen Verfahrensfristen nicht verlängert wer­den kann. Werden die Fristen nicht eingehalten, drohen den Landkreisen, bei denen die Genehmigungsbehörden zumeist angesiedelt sind, Schadensersatzklagen der Windkraftprojektierer.

25 Monate Verfahrensdauer

Sechs Monate sind im Vergleich zu den heute üblichen Verfahrenszeiten wahr­lich kurz. In den letzten fünf Jahren betrug der Zeitaufwand für die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren laut einer aktuellen Studie der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) 23 Monate, Tendenz steigend. Ein Viertel der Antragsteller wartete so­gar mehr als 31 Monate auf seine Genehmigung. Das Tempo muss sich also laut gelten­dem EU-Recht durchschnitt­lich vervierfa­chen. Für die kommunalen Genehmigungsbehörden ist das eine sehr sportliche Ansage.

Bislang lasse sich die neue Rechts­lage noch nicht in seinen Statistiken ablesen, berichtet Jürgen Quentin, der Zahlenexperte bei der FA Wind. Was Projektierer bestätigen, ist allerdings, dass sie seit einer Weile Repowering-Projekte in der Hoffnung auf einen geringeren Verfahrensaufwand gegenü­ber neu­en Windparks zeitlich vorziehen.

Nach Quentins jüngsten Erhebun­gen liegt die Repowering-Quote aktuell bei 28,3 Prozent gemessen an der neu errichteten Leistung. Diese Zahl könnte also demnächst ansteigen.

6.8.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 7/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 7/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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