Vom Freistaat erfundene bayerische 3D-Regel bremst PV-Ausbau

Johannes Maibom steht auf einer Wiese, die die Gesellschaft Reuthwind für die Photovoltaik nutzen möchte. Im Hintergrund ist der Windpark zu sehen. Maibom hält die bayerische 3D-Regel nicht für sinnvoll.Foto: Heinz Wraneschitz
Johannes Maibom steht auf einer Wiese, die die Gesellschaft Reuthwind für die Photovoltaik nutzen möchte. Im Hintergrund ist der Windpark zu sehen. Maibom hält die bayerische 3D-Regel nicht für sinnvoll.
Mit einer nur im Freistaat genutzten bayerischen 3D-Regel für Photovoltaik-Freiflächenanlagen bremst das Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) seit Kurzem den Ausbau von Solarkraftwerken aus.

Auf Druck von Bundesenergieminister Robert Habeck hat die weißblaue Staatsregierung die 10H-Verhinderungsregel für den Bau von Windkraftanlagen zumindest teilweise entschärft. Doch nach 10H kommt nun die bayerische 3D-Regel, die Freiflächen-PV ganz offensichtlich ausbremst.

Bayerische 3D-Regel = PV-Fläche darf dreifachen Rotordurchmesser nicht überschreiten

3D bedeutet: Nur im Umfang des dreifachen Rotordurchmessers rund um ein Windkraftwerk sollen bayerische Behörden die Aufstellung von Photovoltaik-(PV-)Modulen erlauben. Das jedenfalls hat Johannes Maibom erfahren, als er vor einiger Zeit mittelfränkischen Beamt:innen die Idee einer Dreifach-Flächennutzung in seinem Heimatdorf Mausdorf vortrug. Für PV-Anlagen müssen die Gemeinden bekanntlich jeweils Bebauungspläne aufstellen, die wiederum von Oberbehörden geprüft und genehmigt – oder abgelehnt – werden.

Mausdorf, ein Ortsteil der Gemeinde Emskirchen in Mittelfranken, grenzt direkt an die Gemarkung der Industriestadt Herzogenaurach. Maibom ist einer der Väter von „Mausdorf hat Energie“. Dahinter steckt die Idee, den Ort selbst mit Wärme und Strom aus Sonne, Wind, Bioenergie zu versorgen. Bis heute werden dort laufend neue Energie-Ideen geboren. Die letzte: In dem zwischen Windrädern der Gesellschaft „Reuthwind“ etablierten Biotopverbund sollen PV-Anlagen errichtet werden. Der Platz würde ausreichen, um 12,5 Megawatt aufgeständerte PV-Anlagen zu zu installieren. Eine Doppel-, ja sogar eine Dreifach-Nutzung, denn die Flächen sind ja schon durch die Windkraftwerke vorbelastet.

Behinderung von Windkraft durch PV?

Doch die Tücke liegt im Detail, gerade im Freistaat. Klar: Wo Windräder auf Vorbehalts- oder Vorrangflächen stehen oder errichtet werden sollen, da darf es keine konkurrierende Nutzung geben. Die Mausdorfer Solarprojektentwickler dachten jedoch, dass PV-Anlagen unter und um Windräder herum ja die Windkraft nicht behindern. Anders die weißblauen Bürokraten: Die beharrten zunächst auf „Wind und sonst nix“. Bis in Lonnerstadt (Kreis Erlangen-Höchstadt) eine Vereinbarung zustande kam: Nur im Umgriff des dreifachen Durchmessers der Rotoren dürfen PV-Anlagen stehen.

Auf diese „3D-Regel“ berufen sich Bayerns Behörden nun offensichtlich auch in Mausdorf. Denn auch hier drehen sich die Windräder auf drei für die Windkraftnutzung reservierten Flächen.

Hier sei aber nicht genug Platz für weitere Windräder, von möglicher Konkurrenz durch PV könne keine Rede sein ist, stellt Maibom klar. Und es mache keinen Unterschied, ob PV-Module nur im Bereich dreier Rotor-Durchmesser um die Windräder oder darüber hinaus aufgestellt werden. Doch wenn die Behörden nur 3D gestatten, fiele von den geplanten 12,5 Megawatt Solarleistung etwa ein Drittel weg.

Bayern sieht sich als Vorreiter

Doch Bayern sieht sich laut einer Sprecherin des bayerischen Wirtschafts- und Energieministeriums mit dieser bayerischen 3D-Regel sogar „als Vorreiter in der Bundesrepublik“, der „einen Weg gefunden hat, Vorranggebiete für Windenergie in Einzelfällen mit einer Freiflächen-Photovoltaik-Nutzung zu vereinbaren. Andere Bundesländer sind inzwischen nachgezogen.“

Auf unsere Nachfrage zu einer möglicherweise zwischen Bund und Freistaat vereinbarten Regelung, wie sie Bayern jetzt praktiziert, schreibt Susanne Ungrad vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): „Die Regelung ist dem BMWK nicht bekannt und sie geht auch nicht auf Bundesregelungen zurück. Gespräche zu dieser Regelung zwischen BMWK und Bayern sind uns ebenfalls nicht bekannt.“

Zwar hätten „die zuständigen Gremien der Länder jüngst einen Vollzugsleitfaden zum „Wind-an-Land-Gesetz“ beschlossen“. Daran seien auch die Bayerische Staatsregierung und das Bundesministerien beteiligt gewesen. Doch „die „3D-Regel“ war nicht Gegenstand der Gespräche“, so Ungrad.

Bayerische 3D-Regel durch Bundesgesetzgebung gedeckt?

Dagegen schreibt die Sprecherin des StMWi, das BMWK habe dieses Vorgehen sogar „ausdrücklich unterstützt“. Auch wenn sie zugibt: „Es wurden keine Festlegungen im Rahmen der Bundesgesetzgebung getroffen.“

Erstmals veröffentlicht hat die Landesregierung die 3D-Regelungin einem Rundschreiben vom 27. Juli 2023. Der Titel: „Vollzug des Bau- und Energierechts; Gesetzesänderungen u.a. durch das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (Wind-an-Land-Gesetz)“ Verschickt hat dies das Bayerische Bauministerium per Mail an die Bezirks-Regierungen, Unteren Bauaufsichtsbehörden und „nachrichtlich an kommunale Spitzenverbände“. Darin steht: In einem entsprechenden „Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Wind- und Sonnenenergienutzung“ müsse der „Umgriff der PV-Freiflächenanlagen auf das nähere Umfeld einer bestehenden Windenergieanlage beschränkt (max. innerhalb eines Radius entsprechend dem dreifachen Rotordurchmesser der gegenständlichen Windenergieanlage)“ werden.

Aus dem sich sonst für Energiefragen zuständig fühlenden Bayerischen Wirtschaftsministerium (StMWi) heißt es auf Solarthemen-Nachfrage dazu: „Der sogenannte Umgriff (räumliche Geltungsbereich eines Bauleitplanes) der PV-Nutzung muss sich auf den dreifachen Rotordurchmesser bestehender Windenergieanlagen (WEA) – das ist wohl die 3D-Regel – beschränken, da innerhalb dieses Abstands gesichert keine weiteren WEA errichtet werden können.“

11.8.2023 | Autor: Heinz Wraneschitz
© Solarthemen Media GmbH

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