Energy Sharing: Wann und wie kommt es?

Gruppenfoto einer Bürgerenergiegesellschaft von Modulreihen eines Fotovoltaik-SolarparksFoto: Bürgerwerke eG
Strom zu beziehen aus eigenen Solarparks –Stichwort Energy Sharing – scheitert für Bürgerenergiegemeinschaften bislang an hohen Kosten.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) will sich mit dem Thema Energy Sha­ring für Bürgerenergie­ge­sell­­schaf­ten erst im Rahmen des soge­nann­ten Solarpakets II befas­sen. Derweil haben Verbände und Ökostromunternehmen ein Konzept für EEG-gefördertes Energy Sharing erarbeitet und in einen möglichen Gesetzestext gekleidet.

Vielen Bürgerenergiegesellschaften scheint das Thema Energy Sharing, also die Möglichkeit zur Stromlieferung an die Mitgliederschaft aus den eigenen Windenergie- und Photovoltaikanlagen, unter den Nägeln zu brennen. Benjamin Dannemann vom Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) berichtet: „Wir nehmen in unserer Mitgliederschaft ein großes Interesse war, den Strom aus den eigenen Anlagen selbst zu nutzen.“ Bislang sei das aber bei einer Lieferung über das öffentliche Netz finanziell unattraktiv. Stromsteuer, Netzgebühren und ein hoher Mess- und Abrechnungsaufwand stünden dem entgegen.

Der DGRV hat deshalb zusammen mit dem Bündnis Bürgerenergie und dem Bundesverband Erneuerbare Energie ein Modell entwickelt, wie die Politik mittels eines speziellen EEG-Zuschlags – ähnlich dem Mieterstromzuschlag – das Energy Sharing in Deutschland anschieben könnte.

Energy-Sharing ist europarechtlich überfällig

In der Regenerativ-Szene wird seit Jahren beklagt, dass Deutschland bislang nicht seiner europarechtlichen Verpflichtung nach­­gekommen sei, den gemeinschaftlichen Verbrauch von Strom aus Bürgerkraftwerken kostengünstig zu ermöglichen. Dabei liegt der Stichtag, den die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED II) dafür setzt, bereits zwei Jahre zurück. Bis zum 30. Juni 2021 – also noch unter der Großen Koalition – wäre Deutschland verpflichtet gewesen, Artikel 22 der Richtlinie umzusetzen.

Dieser Artikel verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten unter anderem, sicherzustellen, dass Bürgerenergiegesellschaften berechtigt sind, „die mit Produktionseinheiten im Eigentum der Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft produzierte erneuerbare Energie gemeinsam zu nutzen“.

Doch passiert ist bislang in Deutsch­land nichts in dieser Richtung. Auch die regierende Ampel, bei der das Schlagwort „Energy Sharing“ im Koalitionsvertrag zu finden ist, hat das Thema bislang nicht mit großer Dringlichkeit behandelt. Es könnte aber auch sein, dass es als zu kompliziert für einen gesetzgeberischen Schnellschuss gilt. Die Photovoltaikstrategie des Bundeswirtschaftsministeriums weist das Thema jedenfalls erst dem Solarpaket II zu, während sich für das Solarpaket I bereits ein konkreter Gesetzentwurf in der Anhörungsrunde mit Interessenvertretungen befindet. Im Solarpaket II, finden sich Maßnahmen, über die Robert Habecks grün geführtes Wirtschafts- und Klimaschutzministerium sich entweder noch selbst klarer werden muss oder die mit anderen Ministerien aufwendig abzustimmen sind. Das Schlagwort „Energy Sharing“ gehört wohl in beide Kategorien.

Energy Sharing – ein etwas unklarer Begriff

Ein Indiz ist dafür auch, dass die Begrifflichkeiten rund um den gemeinschaftlichen Energieverbrauch mitunter etwas durcheinandergehen. Da sind einerseits diverse Formen der „gemeinschaftlichen Eigenversorgung“, und andererseits das Energy Sharing innerhalb von Energiegemeinschaften. Wobei im ersten Fall normalerweise davon ausgegangen wird, dass die Versorgung innerhalb eines Gebäudes oder eines begrenzten Arealnetzes erfolgt, während das „Energy Sharing“ nach üblichem Verständnis über das öffentliche Netz stattfinden soll. Laut RED II könnte es sogar grenzüberschreitend zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten ermöglicht werden.
In der europäischen RED II sind die beiden Themen Eigenversorgung – einschließlich der gemeinschaftlichen Eigenversorgung – und Energiegemeinschaften deutlich in zwei Artikeln getrennt. Artikel 21 behandelt in der offiziellen deutschen Übersetzung „Eigenversorger“ (englisch: renewables self-consumers), Artikel 22 „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften“ (renewable energy communities).

Politische Diskussion steht bevor

Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Begriffen fällt aber sogar dem Bundeswirtschaftsministerium schwer. So heißt es etwa in der im Mai von Habeck vorgestellten Fassung seiner Photovoltaikstrategie, dass man mit dem neuen Modell der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ (vgl. Solarthemen 564) „einen Schritt zu mehr Energy Sharing vor Ort“ mache. Dabei ist dieses neue Modell, das vom Ministerium jetzt im Gesetzentwurf zum Solarpaket I definiert wird, nach EU-Recht eindeutig dem Bereich der gemeinschaftlichen Eigenversorgung zuzurechnen. Die gemeinschaftliche Versorgung über ein öffentliches Netz freilich bezeichnet das BMWK als „Weitergehendes Energy Sharing“. Dazu kündigt das BMWK an, in der zweiten Jahreshälfte 2023 unter Beteiligung der Bundesnetzagentur eine Diskussion mit den Stakeholdern anstoßen zu wollen. Dabei sei zu klären, „ob und in welchem Umfang für die gemeinschaftliche Nutzung von lokal erzeugtem Strom vereinfachte Regeln und Vergünstigungen gelten sollten”.

Energy-Sharing-Konzept der Bürgerenergie-Lobby

Mit einer europaweiten Vergleichsstudie, einem Gutachten zu den Kosten und einem Gesetzentwurf möchte nun eine Interessengemeinschaft aus der Bürgerenergieszene das Thema pushen. In Form dieses Instrumentenkastens haben das Bündnis Bürgerenergie, der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband und der Bundesverband Erneuerbare Energie einen Vorschlag für ein Energy-Sharing-Modell erarbeitet. Unterstützt werden die Vereine von mehreren Öko­strom-Händlern.

Mitglieder einer Bürgerenergiegesellschaft (BEG) sollen in Postleitzahlgebieten, die im Umkreis von 50 Kilometern liegen, Strom ihrer eigenen Anlagen beziehen können. Dieser würde nach den Vorstellungen der Initiatoren mit einem Zuschuss pro Kilowattstunde von 4,9 Cent bei Solarstrom, 2,8 Cent bei Windstrom und 1,6 Cent für Strom aus sonstigen Erneuerbaren über die EEG-Umlage gefördert.

Zu den Pflichten der Bürgerenergiegesellschaften soll es bei diesem Modell gehören, den Kunden beziehungsweise Mitgliedern eine umfassende Stromversorgung zu liefern. Dies also auch in den Zeiten, in denen die Gemeinschaftsanlagen nicht ausreichend Strom erzeugen.

Viertelstunden-Messung für Stromerzeugung und -verbrauch

Um zu gewährleisten, dass nur gleichzeitig verbrauchter Strom bezuschusst wird, müssen Verbrauch und Erzeugung in Viertelstundenintervallen gemessen werden. Unter anderem durch diese aufwendige Messung und Abrechnung entstehen Mehrkosten. Die haben Strommarktanalysten der Beratungsfirma Energy Brainpool in einem Gutachten für das Interessenbündnis beziffert. Und die Beträge spiegeln sich jetzt in dessen Gesetzesvorschlag. Den wiederum hat die Kanzlei Becker Büttner Held (BBH) erarbeitet. Eine obere Grenze setzt das Modell, indem der für die Energy-Sharing-Förderung zugelassene Leistungsanteil der BEG-Anlagen an den tatsächlichen Stromverbrauch der Mitglieder gekopelt würde. Bei 2 Kilowatt Anlagenleistung pro 1.000 Kilowattstunden Verbrauch soll Schluss mit der Förderung sein.

Letztlich sei man offen für andere Vorschläge, sagt Benjamin Dannemann. Klar sei aber, dass es eine Förderung geben müsse, „um die finanzielle Hürde der technischen Voraussetzungen zu überwinden“.

Energy Sharing sei ein wesentliches Instrument, um den notwendigen schnellen Ausbau von PV- und Windenergie vor Ort voranzubringen. Dannemann ist wichtig, dass daran beispielsweise durch niederschwellige Genossenschaftsanteile auch weniger betuchte Bevölkerungsschichten teilhaben können. Er sagt: „Es sollen auch diejenigen ein Benefit gewinnen, die sich keine großen Investitionen in erneuerbare Energien leisten können.“

17.8.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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