Bundesregierung will Wasserstoffkraftwerke

Robert Habeck erläutert bei einem Pressetermin in Hamburg Pläne für Wasserstoffkraftwerke.Foto: Oliver Ristau
Robert Habeck hat in Hamburg die Wasserstoffpläne der Bundesregierung erklärt.
Die Bundesregierung hat sich mit der Europäischen Union auf einen Rahmen geeinigt, um Wasserstoffkraftwerke über Ausschreibungen zu fördern. Diese sollen mittelfristig alle bestehenden Gas- und Kohlekraftwerke ablösen. Erlaubt ist dafür auch fossiler Wasserstoff mit CO2-Abscheidung.

Sie sollen das Backup für die heimische Photovoltaik und Windenergie werden: in Deutschland ansässige Kraftwerke, die künftig mit Wasserstoff Strom erzeugen. Bundeswirtschafts- und -klimaminister Robert Habeck hat die Pläne Anfang August in Hamburg vorgestellt. Vorangegangen war eine Einigung mit der EU-Kommission. Sie gibt den Rahmen vor, wie Deutschland die Wasserstoffkraftwerke fördern darf. Die beihilferechtliche Genehmigung steht noch aus.

„Das ist der entscheidende Schritt, um nicht nur Sonne und Wind zu haben, sondern auch steuerbare Lasten, die klimaneutral sind“, so Habeck. „Wo heute ein Braunkohlekraftwerk steht, werden künftig mit großer Wahrscheinlichkeit ein wasserstofffähiges Gaskraftwerk oder ein reines Wasserstoffkraftwerk arbeiten.“
Diese sollen dann einspringen, wenn der Solar- und Windstrom nicht ausreicht, die Hauptlast der Energieversorgung zu tragen. „Das können einzelne Tage sein, aber auch mal zwei bis drei Wochen“, rechnet Habeck vor. Ohne diese steuerbaren Lasten jedenfalls sei eine vollständige Dekarbonisierung der Energieversorgung nicht möglich. Habeck erwartet, dass die Wasserstoffkraftwerke „30 bis 40 Jahre“ ihren Dienst tun werden. Geplant ist, dass die neuen Kapazitäten bis 2035 am Netz sind.

Umstieg von Erdgas- auf Wasserstoffkraftwerke

Die Förderung der Wasserstoff-Kapazitäten läuft über Ausschreibungen. Starten sollen sie bereits 2024. Insgesamt geht es um eine Leistung von rund 24 Gigawatt (GW). Das sollen zum einen knapp 9 GW reine Wasserstoffkraftwerke sein, die von Anfang an nur Wasserstoff verbrennen. Dazu kommen 15 GW für Kraftwerke, die „zunächst noch Erdgas nehmen können und dann bis 2035 auf Wasserstoff umgestellt werden müssen“, so Habeck. 6 GW davon sollen in neuen Kraft­werken produziert werden. „Der Rest sind bestehende Gaskraftwerke, die umgebaut werden.“ Die ersten sollen ab 2030 laufen.

Der Bund will mit Investitionskostenzuschüssen Anreize geben. Denn für die Kraftwerksbetreiber sei das ein neues Geschäftsmodell – verglichen mit der Vergangenheit, als Kohlekraftwerke für die Grundlast rund um die Uhr liefen und zu einem festen Preis den Strom verkauften. Allen Beteiligten sei bewusst, dass es sich rechnen muss, ein neues Kraftwerk vielleicht nur ein Drittel des Jahres zu betreiben, sagt Habeck. „Dafür sind die Ausschreibungen gedacht.“ Das werde in das Ausschreibungsdesign einfließen.

Der Minister rechnet damit, dass die Energieerzeuger bei den Auktionen auch bieten werden. „Ich mache mir keine Sorgen darüber, dass es keine Gebote geben könnte.“ Habeck nannte speziell RWE und Leag als Kandidaten: „Sie bereiten sich genau darauf vor.” Beide Unternehmen hatten unlängst Pläne zum Bau neuer Gaskraftwerke im Rheinland sowie in der Lausitz vorgestellt. Diese könnten dann sukzessive von Erdgas auf Wasserstoff umgerüstet werden. Habeck erwartet, dass bei den Auktionen jeweils Kraftwerke mit einer Leistung von 500 bis 800 MW ausgeschrieben werden. Für die öffentliche Hand seien die zu erwartenden Belastungen überschaubar, sagte er, ohne Zahlen zu nennen. Denn sie würden sich entsprechend der Amortisationszeiträume der Kraftwerke über 30 bis 40 Jahre verteilen.

EU-Auflagen für Wasserstoffkraftwerke

Der Wasserstoff soll perspektivisch grün sein. „In der zukünftigen Energiewelt werden Sonne und Wind 80 bis 90 Prozent der Energieversorgung sicherstellen, sogar über 100 Prozent, um andere Sektoren mit Wasserstoff versorgen zu können“, erklärt Habeck: „Es geht um grünen Wasserstoff ab 2035. Wenn der Umstieg schneller gelingt, dann freue ich mich, denn desto früher können wir die Fossilen herausnehmen.“ Doch klar ist für den Wirtschaftsminister laut eigener Aussage auch: Die Versorgungssicherheit stehe an oberster Stelle. Sollte künftig nicht ausreichend Wasserstoff zur Verfügung stehen, müssten die Kraftwerke mit Erdgas fahren. Dass sie wegen eines Mangels an Wasserstoff stillstehen, sei „keine Option“. Allerdings sieht die Vereinbarung mit der EU laut Habeck vor, dass Deutschland bei einem verzögerten Umstieg auf Wasserstoff Rückzahlungen leisten müsse.

Grüner Wasserstoff, also solcher, der mit Elektrolyse aus Solar- oder Windstrom gewonnen wird, soll mittelfristig dominieren. Dieser werde perspektivisch immer günstiger. Und Deutschland werde auch immer mehr grünen Wasserstoff erzeugen können, so der Minister. Auch die neuen Offshore-Windparks seien darauf ausgelegt. Habeck schwebt weiter vor, auch potenziell überschüssigen Strom aus Photovoltaik und Windkraftanlagen an Land für die Wasserstoffproduktion zu nutzen. Bis dahin dürfte es allerdings noch einige Jahre dauern.

Auch blauer Wasserstoff erlaubt

„Wir zielen auf grünen Wasserstoff“, so Habeck, „nehmen aber auch den blauen, der ist besser als Erdgas oder gar Kohle.“ Bei dem so genannten blauen Wasserstoff handelt es sich um fossiles Gas, dem das CO2 entzogen und gespeichert wurde, und zwar mittels der CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage). „Die Kraftwerke haben die Möglichkeit, auch blauen Wasserstoff zum Beispiel aus Norwegen zu importieren. Das würde von der Förderung abgedeckt werden.“

Allerdings wohl nur für eine bestimmte Zeit, wie Habeck durchblicken ließ: „Das war kompliziert mit der EU.“ So soll es einen Mechanismus geben, wie die Vergütungen angepasst werden, wenn nicht ausreichend grüner Wasserstoff in Deutschland zur Verfügung steht.

Das Ministerium will die weiteren Details zu den Ausschreibungen bis zum kommenden Herbst erarbeiten. Dann soll auch Deutschlands Kraftwerksstrategie vorliegen. Wie das Bundeswirtschaftsministerium den Solarthemen gegenüber bestätigte, geht es dabei um rund 30 GW an steuerbaren Lasten. Diese sollen eine vollständige Dekarbonisierung der Stromerzeugung ermöglichen. Neben den Wasserstoffkraftwerken sollen dazu noch je 3 GW an Biomethan- oder Biomasseanlagen sowie Speicheranlagen zählen. Bei den Speichern wiederum wird es Großspeicher und dezentrale Anlagen geben.

18.8.2023 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

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