Grüne Gewerbegebiete liefern Shrimps und mehr

Luftaufnahme: Modell für grüne Gewerbegebiete ist diese Fläche in Parchim.Foto: Stadt Parchim
Das Grüne Gewerbegebiet in Parchim trägt das Prädikat G3.
Grüne Gewerbegebiete sind eine gute Möglichkeit für Kommunen, bei Neuansiedlun­gen zu punkten. Mecklenburg-Vorpommern hat dafür ein Zertifikat entwickelt. Von den Erfahrungen sollen nun auch weitere Kommunen im EU-Ostseeraum profitieren.

In Hamburg und Berlin sind sie bei Freunden von Meeresfrüchten be­liebt: Garnelen aus einer Zucht in Grevesmühlen. Die Gemeinde befindet sich unweit der Ostseeküste im Land­kreis Nordwestmecklenburg. Die gute Anbindung an die A20, mit der beide Metropolen schnell zu erreichen sind, war ein Grund, warum sich der Betrieb vor einigen Jahren für die Ansiedlung entschieden habe, sagt York Dycker­hoff, Geschäftsführer der Garnelenfarm. Ein anderer Grund war das nachhaltige Wärmekonzept im Industrie- und Gewerbegebiet Grevesmühlen Nordwest, Träger des Prädikats „G³ – Grünes Gewerbegebiet“.

Die üblicherweise in tropischen Gewässern lebenden Tigershrimps brauchen viel Wärme. Und die liefert das örtliche Klärwerk aus dessen Abwärme. „Das war ein wichtiger Beitrag für unser Konzept einer nachhaltigen und umweltverträglichen Garnelenzucht“, so Dyckerhoff.

Grünes Gewerbegebiet versorgt sich mit Strom und Wärme

Insgesamt fünf Unternehmen lassen sich im Grünen Gewerbegebiet zu 99 Prozent mit der Wärme des Zweckverbands Grevesmühlen versorgen. Der verwertet den Klärschlamm von 23 Städten und Gemeinden sowie Gewerbe- und Industriebetrieben aus dem Nordwesten Mecklenburgs. Zwei Blockheizkraftwerke machen daraus Strom und Wärme, die an Nahwärmenetze verteilt wird.

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Ins­ge­samt basiert die Stromversorgung des Gewerbegebiets zu vier Fünfteln auf regenerativen Energien. Neben dem Zweck­verband liefern 20 Erzeuger in einem Umkreis von fünf Kilometern saubere Energie wie Photovoltaik und Windenergie.

Drei G³-Kommunen

Grevesmühlen ist eine von drei Kom­mu­nen, die vom Land Mecklenburg-Vorpommern bisher das Zertifikat „G³ – Grünes Gewerbegebiet“ erhalten ha­ben. Laut dem federführenden Wirtschaftsministerium in Schwerin können sich Gewerbe- und Industriegebiete in Kommunen für das Label als Qualitäts­merk­­mal qualifizieren, „die sich aktiv für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen und Maßnahmen in den Bereichen erneuerbare Energien, Ressourcen­effi­zienz, spar­samer Flächenverbrauch und alternative Mobilität umsetzen“.

Die Plakette kann einen Imagegewinn bringen. Kommunen sollen sich so als attraktiver Partner für die Wirtschaft empfehlen. „Letztendlich war auch die gute Zusammenarbeit mit den Behör­den und Ämtern ausschlaggebend für unsere Ansiedlung“, sagt Garnelenfarm-Chef Dyckerhoff.

Solar versorgte E-Autos im Grünen Gewerbegebiet

Regenerative Versorgung, Energie- und Flächeneffizienz sowie Transparenz und Dialog sind die Basiskriterien für die Auszeichnung G³. Wer das Zertifikat erhalten will, muss diese laut Wirtschaftsministerium „zwingend erfüllen“. Außerdem gibt es Zusatzqualifikationen wie Innovation, Synergien, Ressourceneffizienz und nachhaltige Mobilität. Sie bringen weitere Punkte und sollen zur Weiterentwicklung der Gebiete beitra­gen wie im Gewerbegebiet Steegener Chaussee in Hagenow, das ebenfalls G³-zertifiziert ist. Dort gibt es Car-Sharing mit solar betankten E-Fahrzeugen, ein Rufbussystem und Jobtickets. Außerdem setzen die knapp 50 Unternehmen Energiemanagementsysteme ein. Viele Betriebe aus dem Gebiet ha­ben ihre Beleuchtung auf klimafreundliches LED umgerüstet und energieeffiziente Maschinen angeschafft.

Versiegelung – ein Thema für Grüne Gewerbegebiete

Mit nachhaltigem Flächenmanagement hat sich der „G³“-Industrie- und Gewerbepark Parchim-West hervorge­tan. In Abstimmung mit allen Beteilig­ten werde bei neu ausgewiesenen Arealen „besonders auf den Erhalt unversiegelter Grün-, Wald- und Wildnisflächen geachtet, die durch Regenversickerung einen Beitrag zur Grundwasserneubildung beitragen“.

„Die Auszeichnung weiterer Grüner Gewerbegebiete ist in Vorbereitung“, sagt Pressesprecher Marius Roll vom Schweriner Wirtschaftsministerium. Und auch andere Bundesländer fragten immer wieder mal an, „ob das Label übertragen werden kann. Die G³-Auszeichnung wurde jedoch bewusst für Ge­werbe- und Industriegebiete in Meck­­lenburg-Vorpommern entwickelt.“

Förderung der Biodiversität

Doch auch anderswo gibt es eine Reihe von weiteren Konzepten, die die Norddeutsche Landesbank (Nord LB) in einer Studie auflistet. Nordrhein-Westfalen etwa verfolgt grüne Gewerbegebiete im Projekt Kommunaler Klimaschutz NRW. Außerdem gab es von 2016 bis 2019 das vom Bundesforschungsministerium finanzierte Vorhaben „Grün statt Grau – Gewerbegebiete im Wandel“.

Allen ist gemeinsam, ökonomische, ökologische und soziale Ziele gleichrangig zu integrieren, wie das Bundesin­sti­tut für Bau-, Stadt- und Raumforschung laut der Studie definiert. Eine Vielfalt von Nachhaltigkeitskriterien findet da­bei Berücksichtigung, die die wirtschaftliche Aktivität unterstützen. Außerdem werden Transparenz und der Dialog zwi­schen allen Beteiligten großgeschrieben.

Auf Naturkonzepten basiert der Ansatz der Heinz-Sielmann-Stiftung beim Projekt „Naturnahe Firmengelände“. Dabei können Unternehmen eine Auszeichnung erhalten, die Naturgärten umsetzen. Ziel der Stiftung ist damit, die Biodiversität an den Unternehmensstandorten zu fördern.

Internationales Interesse an Grünen Gewerbegebieten

Doch ein Label wie bei G³ gibt es sonst nirgendwo. Das, so die Nord LB, sei ein Vorteil, weil es auf einheitlichen und nachvollziehbaren Basiskriterien be­ruht. Das Know-how, das Schwerin damit erworben hat, ist auch europa­weit gefragt, und zwar in dem EU-Interreg-Projekt „Green Industrial Areas“. Unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern will das 2,9 Millionen Euro schwere Vorha­ben einen transnationa­len Standard für grüne Gewerbegebiete im Ostseeraum entwickeln. Mit dabei sind Dänemark, Finnland, Litauen, Lettland, Polen und Schweden.

Und auch bei den Vereinten Natio­nen hat das Thema Aufmerksamkeit geweckt. So verfolgen die UN-Organisa­ti­on für industrielle Entwicklung (UNIDO) mit Weltbank und deutscher GIZ einen breiten Ansatz für sogenannte Eco-Industrial-Parcs. Damit wollen sie „insbesondere die Bildung einer widerstandsfähigen Infrastruktur, Begünstigung einer inklusiven und nachhaltigen Industrialisierung und die Förderung von Innovationen vorantreiben“, schreibt die Nord LB.

Kommunen tragen Verantwortung für Planung zeitgemäßer Gewerbegebiete

Zurück nach Deutschland: Hierzulande definiert die Bauleitplanung im Baugesetzbuch den Rahmen für die Kommunen. Denn die „Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Ent­wicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber den künftigen Generatio­nen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozial gerechte Bodennutzung gewährleisten“, heißt es im Paragraf 1 Absatz 5.

Dennoch ist die Konzipierung und Schaffung grüner Gewerbegebiete kein triviales Unterfangen, da viele Parteien in den Prozess eingebunden werden müssen, resümiert die Nord LB in ihrer Studie. Dies gelte erst recht bei einer grünen Revitalisierung bestehender Gewerbegebiete, weil die Eingriffe in eine bestehende Infrastruktur kompliziert sein können. Der vergleichsweise gerin­ge Verbreitungsgrad von grünen Gewerbegebieten sei vor diesem Hintergrund wenig überraschend. Allerdings lohne sich der Aufwand, „da grüne Gewerbegebiete auf lokaler Ebene einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaneutralität und zur Unterstützung der ansässigen Unternehmen“ leisten könnten.

21.8.2023 | Autor: Oliver Ristau
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 7/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 7/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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