Thomas Timke: Batterieverordnung – nicht alles ist gut

Portraitfoto von Batterieexperte Thomas Timke, SolarwattFoto: Solarwatt
Thomas Timke ist Experte für Lithium-Ionen-Speicher leitet bei der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (DKE) den Arbeitskreis zur Normung von Lithium-Ionen-Heimspeicher. Seit 2016 arbeitet Timke im Batteriebereich von Solarwatt. Zuvor hatte er sich auch beim Karlsruher Institut für Technologie vor allem mit der Sicherheit von Batteriespeichern befasst.

Solarthemen: Die Europäische Union hat jetzt gerade ihre neue Batterieverordnung veröffentlicht. Heute tritt sie in Kraft. Warum brauchen wir sie?

Thomas Timke: Die Batterieverordnung hat eine sehr lange Historie. Es wurde zunächst versucht, Batterien in das Ecodesign Framework einzugliedern. Das kennt man von Haushaltsgeräten mit den farbigen Balken zur Energieeffizienzklasse. Das hat nicht geklappt und daher wurde es erforderlich, etwas Separates zu machen: Das ist nun die Batterieverordnung. Die EU-Kommission fand es schon längere Zeit nicht so klasse, dass die bislang gültige Batterierichtlinie von 2006, die nun durch die Batterieverordnung abgelöst wird, in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr uneinheitlich umgesetzt wurde. Denn im Unterschied zu EU-Verordnungen, die direkt europaweit wirksam sind, werden es EU-Richtlinien erst durch nationales Recht.

Hinzu kam, dass der Batteriesektor mit Elektromobilität und stationären Speichern für erneuerbare Energien immer größer geworden ist. Die EU-Kommission wollte daher handeln und hat mit der Batterieverordnung zu einem Rundumschlag angesetzt. Sie schließt nun alle Batterien ein, auch die Primärbatterien, also die nicht aufladbaren. Und die Verordnung gehört nun in die Reihe derer, wo eine CE-Kennzeichnung vorgeschrieben ist. Die neue Verordnung wird Teil der EU-Konformitätserklärung und in der Folge auch für Verbraucher sichtbarer.

Ein Ziel der Verordnung ist die Nachhaltigkeit. Wie steht es darum?

Unter der Überschrift Nachhaltigkeit sind viele neue Aspekte in der Verordnung versammelt worden. Das fängt an mit dem CO2-Fußabdruck, geht weiter über Mindestlebensdauer, Reparierbarkeit bis hin zur Sicherheit. Ein Thema ist auch Second Life. Darunter ist die Umnutzung zu verstehen und es dreht sich um Batterien, die in ihrem ersten Anwendungsbereich ausgedient haben, die zum Beispiel in einem Elektrofahrzeug nicht mehr die ausreichende Reichweite bringen. Die können aber in anderen Anwendungen durchaus noch einige Jahre ihren Job tun. Was sich zunächst einfach anhört, ist aber sehr komplex. Denn die Entwicklung der Batterie und alle Tests haben sich auf den ersten Anwendungsbereich ausgerichtet.

Sie sagen, die Verordnung wird sichtbar. Aber wie betrifft sie tatsächlich Verbraucher:innen und Handwer­ker:innen?

Die bekommen sehr viel davon mit, weil die Batterieverordnung Transparenz möchte. Ein neuer Punkt, den es bisher nicht gab, der aber seit Jahren gefordert wurde, ist der State of ­Health: Man soll jederzeit sehen können, wie eine Batterie gealtert ist oder ob sie schon unter bestimmte Mindestanforderungen gefallen ist. So sollen sich auch Herstellerzusagen besser kontrollieren lassen. Dafür müssen die Anbieter passende Schnittstellen schaf­fen. Manche Hersteller machen das auch schon seit Jahren. Wenn zum Beispiel Kunden von Solarwatt in unser Portal schauen, dann sehen sie den Zustand ihrer Batterie. Ein weiterer Nutzen soll auch sein, dass Eigentumsübergänge von Batterien erleichtert werden. Und sehr sichtbar werden die Batterieeigenschaften mit dem Batteriepass, der in ein paar Jahren eingeführt werden soll.

Was hat es damit auf sich?

Zunächst ist wichtig zu wissen, dass es in der Batterieverordnung unterschiedlich lange Fristen für die Umsetzung gibt – von einem bis zu mehreren Jahren. So wird auch der Batteriepass nicht sofort kommen. Und er ist auch extrem umfangreich. Die EU-Kommission möchte digitale Produktpässe nicht nur für Batterien einführen. Es gibt dafür schon Arbeitskreise etwa auch beim Deutschen Institut für Normung. Sie befassen sich mit vielen Details. Bei einer Batterie soll man über einen QR-Code schnell an Informationen kommen, ob sie zum Beispiel schon mal überholt wurde, ob es Sicherheitsvorfälle gab, wie der Alterungszustand ist. Dabei gibt es dann noch unterschiedliche Zugriffsrechte. So soll die Marktaufsicht feststellen können, ob die Prüfberichte in Ordnung sind.

Die Pflichten betreffen offenbar vor allem Hersteller und Händler. Gibt es Dinge, die die Verordnung Handwerker:innen oder Konsument:innen vorschreibt?

Es wäre wünschenswert, wenn sich diese Gruppen aktiv mit dem Zuwachs an Information auseinandersetzen und sich davon nicht erschlagen lassen. Was wir kritisch sehen, ist die unterschiedliche Behandlung der Aspekte Sicherheit und CO2-Fußabdruck. Bei der Sicherheit gibt es in der Verordnung nur zwei Optionen: Es ist sicher oder nicht. Dagegen wird beim CO2-Fußabdruck quantifiziert. Man könnte als Hersteller – abhängig von den Verbrauchern – dazu motiviert werden, die Anforderungen, bei denen es nur ja oder nein gibt, bis zur Schmerzgrenze gerade so eben einzuhalten, um dann beim CO2-Fußabdruck das Rennen im Nachkommabereich zu gewinnen. Man spart dann zum Beispiel an Material, was den Fußabdruck verbessert, was aber auf Kosten der Sicherheit gehen kann.

Doch um auf die Frage zurückzukommen: Der Verbraucher muss nichts machen, außer die Batterie am Ende der Lebensdauer wieder dem Recycling zuzuführen. Bei Installateuren wird es etwas komplexer. Denn die Batterieverordnung hat allein für die Sicherheit der stationären Anlagen einen kompletten Anhang. Es gibt hier auch neue Vorgaben, die bislang in der Form noch nie in einer Norm enthalten waren. Das betrifft speziell den Umgang mit ausgasenden Batterien, wo es einige Vorfälle gab. Dazu liegen noch nicht alle Normen vor. Aber der Installateur wird künftig mehr darauf achten müssen, wo er was installiert.

Wenn EU-Verordnungen entstehen, reden viele mit. Wie gut konnten sich die Praktiker, insbesondere die Hersteller, hier einbringen?

Nur ansatzweise bei Details gut, aber insgesamt leider nicht gut. Obwohl man von der EU-Kommission erwarten sollte, dass sie sich an die eigenen Regeln hält. Das hat sie bei der Batterieverordnung leider nicht durchgängig getan. So ist Second-Life ein emotionales Thema. Denn man möchte die Batterien gern länger verwenden. Die EU-Kommission möchte sie dabei möglichst auf Ebene der einzelnen Zellen einer Wiederverwendung zuführen. Und es gibt auch Start-ups, die sich dieses Ziel setzen. Das passt aber nicht in unsere Form von Produktsicherheit. Und das muss auch nicht sein. Denn es ist effizienter, ökonomischer und ökologischer, komplette Batterien zu nehmen und die in ihrem zweiten Leben im gewerblichen Bereich einzusetzen. Das Zerlegen bis auf die kleinste Ebene ist nicht so sinnvoll, hat aber einen prominenten Platz in der Batterieverordnung.

Wir haben uns darüber sehr gewundert und mit den DKE-Arbeitskreisen Einspruch eingelegt. Das passt mit den Typprüfungen nicht zusammen, die sind aber sehr wichtig. Sonst stellen wir die Grundlagen unserer Produktsicherheit in Frage. Abgesehen davon können Batterien aus solchen einzelnen Zellen noch nicht einmal problemlos transportiert werden. Denn auch die Transportsicherheitstests von Lithium-Ionen-Batterien basieren auf Typprüfungen. Unser Hinweis hat aber zu keinerlei Reaktion geführt.

Das ist eine Sicherheitsfrage. Gibt es weitere Kritikpunkte?

Ein zweiter Aspekt ist, dass die Verordnung nicht ihre Beziehung zu anderen Verordnungen regelt. Das ist speziell bei elektrischem Strom sehr eigenwillig. Bei Verordnungen, wo es um Produkte geht, durch die Strom fließt, ist in der Regel die Niederspannungsrichtlinie maßgeblich, so zum Beispiel in der Maschinenrichtlinie, die sich bei der elektrischen Sicherheit auf die Niederspannungsrichtlinie bezieht. Bei anderen wie der Medizingeräterichtlinie gibt es in der Richtlinie eigene Regelungen. In jedem Fall ist es geregelt. Doch in der Batterieverordnung, obwohl sie sogar containergroße Batterien abdeckt, findet sich dazu nicht ein Wort. Wir versuchen nun, die Defizite so gut wie möglich in den Norminhalten aufzufangen.

Ist denn Ihr Eindruck, wenn Sie die Defizite schildern, dass man diese Verordnung in die Tonne kloppen sollte, oder überwiegen das Positive und die Hoffnung, die Defizite in Zukunft noch beseitigen zu können?

Letzteres. Wir müssen diese Hoffnung auch haben, denn die Normungsaktivitäten speziell zu Lithium-Ionen-Batterien finden bisher bei der IEC, also der Internationalen Elektrotechnischen Kommission, statt. Hier setzen wir uns mit Kollegen aus den USA und Asien an einen Tisch. Solarwatt ist dabei auch vertreten. Allerdings war es hier schon so, dass die Beiträge aus Europa fast ausschließlich aus Deutschland kamen und in geringerem Maß aus Frankreich. Alle anderen Länder haben sich rausgehalten. Sie stimmen aber mit ab und häufig anders als wir, weil sie bestimmte Probleme gar nicht so einschätzen wie wir. Und ähnlich war das auch im Kontakt mit der EU. Gerade die Gruppe, die sich in der EU-Kommission um die Batterieverordnung kümmert, haben wir als nicht sehr kooperativ erlebt. Wir setzen nun im weiteren Verlauf aber darauf, den Defiziten in der Batterieverordnung durch die Normung begegnen zu können.

Wie gut passen denn die Normen, gerade die zu Lithium-Ionen-Heimspeichern, und die Batterieverordnung zusammen? Ist das kompatibel?

Ja, das ist es. Die VDE-Anwendungsregel zu den Heimspeichern mit der Nummer VDE AR-E 2510-50 hat eine erstaunliche Entwicklung hinter sich. Es war 2013, 2014. Der Markt fing mit der KfW-Förderung an zu boomen. Internationale und nationale Normen fehlten. Da haben sich alle Verbände, die damit zu tun hatten, zusammengetan und einen Sicherheitsleitfaden geschrieben, nach dem man die Produkte auch prüfen konnte. Das hat einiges bewegt und für einen Standard gesorgt. Außerdem war er 2014 schon so angelegt, dass darin die europäische Herangehensweise zur Produktsicherheit mit der Niederspannungsrichtlinie eins zu eins umgesetzt wurde.

Aus dem Sicherheitsleitfaden ist dann 2017 die Anwendungsregel geworden und aus der wiederum sind etliche Einflüsse extrahiert worden, die in internationale Normen eingeflossen sind. Und die neue Version hat auch die EU-Kommission akzeptiert für die Umsetzung der Batterieverordnung. Denn für die werden in bestimmten Teilen Normen benötigt. Wir haben dazu auf Anforderung hin eine Liste an Normen vorgeschlagen. Und darunter ist eben auch eine Norm, die auf der Anwendungsregel basiert.

Das heißt, auch die neue Version der 2510-50 ist nun bald zu erwarten?

Ja. Ein paar Details sind mit der EU-Kommission noch zu klären, weil uns ein paar Vorgaben noch etwas unklar sind. Und dann wird auch recht zeitnah ein Entwurf für die nächste Version veröffentlicht.

Auf welche Herausforderungen wird sich denn die Photovoltaikbranche mit Blick auf die Batterieverordnung einstellen müssen?

Bezogen auf Photovoltaik ist es so, dass alles, was stationäre Speicher betrifft, in der Batterieverordnung angesprochen ist. Und das gilt nicht nur für Lithium-Ionen-Speicher. Es wird keine Technologie ausgenommen, außer einem kleinen Teil von den Fluss- beziehungsweise Redox-Flow-Batterien. Die Installationsbedingungen werden etwas umfangreicher, um die zusätzlichen Sicherheitsanforderungen erfüllen zu können. Ein Teil davon betrifft die Produkte, ein anderer die Installation. Auch beim Transport wird sich etwas ändern. Da gibt es eine Überschneidung mit der Gefahrgutverordnung, die sich mit der Batterieverordnung einen Test teilen wird.

Was halten Sie für besonders wichtig?

Ein weiterer Aspekt, den ich tatsächlich sehr begrüße, ist der Brandschutz. Das ist nun deutlich besser geregelt als zuvor. Ein Problem bei Lithium-Ionen-Batterien ist, selbst wenn man vieles richtig macht, das Risiko, wenn in den Zellen selbst ein Fehler passiert. Den kann man von außen durch das Batteriemanagementsystem nicht beeinflussen. Natürlich schickt man nicht weiter Energie hinein, aber das reicht möglicherweise nicht.

Und da haben wir schon 2014 in Deutschland gesagt, dass wir den Propagationstest verbindlich brauchen. Der untersucht, was passiert, wenn innerhalb einer Batterie eine Zelle in den schlimmstmöglichen Zustand gebracht wird. Das ist dann der Thermal Runaway, wenn die Zelle in die chemische Zersetzung geht. Dabei werden Temperaturen von je nach Zelltyp zwischen 900 und 1.300 Grad Celsius freigesetzt. Und das könnte sich dann auch in der Batterie ausbreiten und zu einer Kettenreaktion führen. Letztlich tritt Gas aus und im ungünstigen Fall kommt es zum Brand. Dieser Test hat lange vor sich hingedümpelt. Er wurde von vielen als nur ein Detailtest aus irgendeiner Batterienorm gewertet. Es ist aber ein extrem zentraler Test, der nun auch im Anhang V der Batterieverordnung verankert ist.

Bestanden ist der Test, wenn aus dem Batteriesystem heraus kein Feuer austritt. Gas darf raus, aber es darf sich nicht entzünden. Es hat sich auch immer wieder gezeigt, dass die Produkte, die den Propagationstest bestanden haben, kaum einen Schaden anrichten, während andere, die ihn nicht bestanden haben, zu deutlich größerem Schaden führen. Es geht darum, das letzte verbleibende Risiko auf Zellebene abzufangen. Denn ansonsten sind Batterien relativ unproblematisch. Dabei sind zellinterne Fehler extrem selten. Aber man rechnet damit, dass sie etwas häufiger werden, weil mehr Batterien verkauft werden. Daher begrüßen wir den Propagationstest in Anhang V sehr. Solarwatt hat den bereits von Anfang an gemacht und gute Erfahrungen damit gesammelt. Nun gibt es in der Verordnung noch eine Übergangsfrist von zwölf Monaten für den Anhang V. Konkret müssen also alle Produkte, die ab August 2024 verkauft werden, diese Anforderung erfüllen.

Läuft dann alles rund?

Noch nicht ganz. Alle CE-Kennzeichnungen basieren auf harmonisierten Normen. Jetzt laufen wir aber zunächst in eine Lücke hinein, weil die Sicherheitsvorgaben spätestens in zwölf Monaten umgesetzt sein müssen. Die passenden Normen werden dann aber noch nicht fertig sein. Die EU-Kommission hat den Normengremien 48 Monate Zeit gegeben. Sie hat sich für die Batterieverordnung also ein früheres Datum gesetzt als für die mit ihr verbundenen und wichtigen Normen. Daher kann selbst unter günstigsten Voraussetzungen nächstes Jahr im August keine Norm fertig verabschiedet sein. Darüber haben wir uns in den DKE-Arbeitskreisen Gedanken gemacht und sind darauf gekommen, dass wir in der Vergangenheit solche Lücken bereits über etwa den Sicherheitsleitfaden geschlossen ha­ben. Wir wollen daher Übergangsstandards herausbringen. Das genaue Format steht noch nicht fest, aber es wird eine etwas einfachere Struktur haben, natürlich mit Verweis auf alle relevanten Normen.

So können wir aber schon mehr Sicherheit bieten und Wildwuchs reduzieren. Die Installateure und Konsumenten werden dann Normen haben, die zum Beispiel mit DKE spec beginnen, damit es dort bereits Orientierung gibt – ähnlich wie wir es mit dem Sicherheitsleitfaden gemacht haben. Wir gehen davon aus, dass dies den künftigen Normen weitgehend entsprechen kann, aber die brauchen mehr Zeit.

21.8.2023 | Interview: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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