Solarpaket 1: Neue Freiheiten und Regeln für PV-Freiflächenanlagen

Blick über ein große Photovoltaik-Freiflächenanlage, im Hintergrund ein Baum, blauer Himmel und der Rand eines WolkenbandesFoto: Guido Bröer
Das Solarpaket 1 wird die Rahmenbedingungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen deutlich verändern.
Photovoltaik-Freiflächenanlagen stehen neben anderen PV-Marktsegmenten im Fokus des in der vergangenen Woche vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurfs zum Solarpaket 1. Ab 2024 will die Bundesregierung die sogenannten benachteiligten Gebiete nun bundesweit für PV-Parks öffnen. Zudem regelt der Gesetzentwurf insbesondere die Agri-Photovoltaik neu sowie die erst noch einzuführende Biodiversitäts-PV und eine neue Sonderform von Freiflächenanlagen auf extensivierten landwirtschaftlichen Flächen. Über die Gesetzesnovelle wird das Parlament im Herbst beraten. In diesem Artikel geht es um Details der Änderungen, die das Gesetz für PV-Freiflächenanlagen vorsieht:

Vom Kopf auf die Füße drehen will das Bundeskabinett die Regelungen zu den sogenannten benachteiligten Gebieten, also weiten Landstrichen, in denen Landwirtschaft nur unter erschwerten Bedingungen oder mit verminderten Erträgen möglich ist. Auf diesen Flächen lässt das EEG schon heute geförderte PV-Freiflächenanlagen zu. Aber nur, wenn das betreffende Bundesland diese Gebiete ausdrücklich öffnet. Bislang hatten nur 9 von 16 Bundesländern die Möglichkeit genutzt, ihre PV-Flächenkulisse zu erweitern. Einige hatten dies allerdings auf verschiedene Weise begrenzt, sodass bundesweit ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen entstanden ist. Ab dem 1. Januar 2024 soll es umgekehrt laufen. Wenn das Parlament dem 140 Seiten umfassenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Solarpaket 1 folgt, sind PV-Freiflächenanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten nach § 37 bzw. § 48 EEG zunächst grundsätzlich förderberechtigt.

Ausdrücklich ausgeschlossen sind allerdings bundesweit bestimmte Gebiete mit strengen Naturschutzauflagen. Dies sind vor allem Naturschutzgebiete, Nationalparks, Natura 2000-Gebiete, Nationale Naturmonumente oder Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten sowie Bereiche, die durch die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt sind.

Die Bundesländer sollen zusätzlich die Möglichkeit bekommen, per Verordnung auch Naturparks und Landschaftsschutzgebiete, die einen geringeren Schutzstatus genießen, für PV-Anlagen zu sperren.

Auf sonstigen Flächen der benachteiligten Gebieten wird dies erst nach dem Erreichen bestimmter Schwellenwerte möglich sein: Nur wenn in einem Bundesland 1 Prozent jeglicher landwirtschaftlich genutzten Fläche mit PV-Parks bebaut ist, kann es dem weiteren Zuschlägen für EEG-geförderte Solarparks per Verordnung einen Riegel vorschieben. Nach 2031 steigt die Schwelle, die die Bundesregierung den Ländern für ein derartiges „Opt-out“ setzt, allerdings auf 1,5 Prozent. Höhere Schwellenwerte dürfen die Länder jederzeit festlegen, geringere nicht.

80 GW Freiflächen-PV auf landwirtschaftlichen Flächen bis 2030

Aber auch ein bundesweites Förderlimit für neue PV-Anlagen auf Acker- und Grünlandflächen will die Bundesregierung setzen. Dieses soll bis zum Jahr 2030 bei 80 Gigawatt liegen. Falls laut Marktstammdatenregister auf landwirtschaftlichen Flächen seit Anfang 2023 Freiflächenanlagen mit 80 Gigawatt in Betrieb gegangen sind – mit und ohne EEG-Förderung – darf die Bundesnetzagentur auf solchen Flächen keine Förderzuschläge mehr erteilen. Das Limit bezieht Altanlagen nicht mit ein, die vor Ende 2022 ans Netz gegangen sind. Nach dem Jahr 2030 ist ein weiterer Zubau geförderter Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen möglich, bis dort Anlagen mit Baujahr ab 2023 und einer installierten Leistung von insgesamt 177,5 GW betrieben werden. Die Öffnung der landwirtschaftlichen Flächen in benachteiligten Gebieten bedeutet freilich nicht, dass Länder und Kommunen keine Steuerungsmöglichkeiten mehr hätten. Denn das normale Planungs- und Genehmigungsrecht bleibt von der laufenden EEG-Novelle unberührt.

Wobei nicht zu vergessen ist, dass die im EEG festgelegte Flächenkulisse ohnehin nur für EEG-geförderte Freiflächenanlagen gilt. Immer mehr Freiflächen-PV-Anlagen werden allerdings ohne Förderzuschlag realisiert. Sie werden beispielsweise über langfristige Stromlieferverträgen (PPA) finanziert. Solche Anlagen können über die Flächenkulisse des EEG hinaus überall entstehen, wo die für die Raumordnung der jeweils zuständigen Länder dies zulassen und wo Kommunen dafür einen Bebauungsplan erstellen.

Solarpaket 1 setzt neue Regeln für „besondere“ Solaranlagen

Wirtschaftlich ohne Alternative bleibt die EEG-Förderung aber wohl auf absehbare Zeit, wo es um besondere Bauformen von Freiflächenanlagen wie Agri-PV, Biodiversitäts-PV, Parkplatz-PV oder Floating PV geht. Weil diese „besonderen Solaranlagen“ in der Regel aufwändiger in der Herstellung sind und mit dem bisherigen Fördersystem trotz diverser Boni noch nicht den erhofften Durchbruch geschafft haben, will die Bundesregierung dafür jetzt neue Wege gehen.

Anstelle der früheren Innovationsausschreibungen werden die Anlagen nun in die regulären Ausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen integriert. Das Auktionsverfahren soll aber nunmehr zweistufig sein. Die Bundesnetzagentur muss die „besonderen Solaranlagen“ bevorzugt bezuschlagen, wobei dies für Agri-PV-Anlagen nur gilt, wenn diese mit einer lichten Höhe von mindestens 2,10 Meter aufgeständert sind. Die zumeist deutlich niedriger montierten senkrechten PV-Anlagen, müssen also künftig mit normalen Freiflächenanlagen um Zuschläge konkurrieren.

Bevorzugt werden die „besonderen Solaranlagen“ von der Bundesnetzagentur solange sie ein bestimmtes Kontingent nicht überschreiten. Das Kontingent wächst Jahr für Jahr um ein halbes Gigawatt von 500 MW 2024 bis 3000 MW 2029. Diese Ausschreibungsvolumina werden gleichmäßig auf alle PV-Ausschreibungen eines Jahres verteilt. Die gesamte Ausschreibungsmenge für alle PV-Freiflächenanlagen soll sich dadurch nicht erhöhen.

Spezieller Höchstwert für Gebote für besondere Solaranlagen

Für das Untersegment der besonderen Solaranlagen legt der Gesetzentwurf zugleich einen speziellen Höchstwert für Gebote fest. Er liegt 2024 zunächst bei 9,5 Cent pro Kilowattstunde. In den Folgejahren ergibt er sich aus dem um 8 Prozent erhöhten Durchschnitt der Gebotswerte des jeweils höchsten im Untersegment für besondere Solaranlagen noch bezuschlagten Gebots der letzten drei Gebotstermine. Zu den „besonderen Solaranlagen“ sollen künftig neben Agri-PV, Parkplatz-PV und Moor-PV auch Floating-PV-Anlagen auf künstliche Gewässern zählen, da sie aufgrund ihrer Kostenstruktur mit normalen Freiflächenanlagen nicht konkurrieren könnten.

Noch stärker bevorzugt werden PV-Anlagen auf Parkplätzen. Diese möchte die Bundesregierung noch vor anderen besonderen Solaranlagen bezuschlagen lassen. Der Gesetzentwurf begründet dies so: „Besonders günstig sind im Sinne der Flächennutzung Anlagen auf Parkplatzflächen, da diese bereits versiegelt sind.“

In den Ausschreibungsrunden werden also künftig zunächst alle Parkplatz-PV-Anlagen einen Zuschlag erhalten, dann kommen die „besonderen Solaranlagen“ an Reihe, sofern noch Luft im Untersegment für diese vorhanden ist. Und schließlich wird das übrige Ausschreibungsvolumen an alle weiteren Freiflächen-PV-Projekte und an gegebenenfalls in der ersten Runde nicht zum Zuge gekommene besondere Solaranlagen verteilt.

Neues Bonussystem für Freiflächen-PV

Neben dem neuen Ausschreibungssystem will die Bundesregierung die Art des PV-Ausbaus auf Freiflächen künftig auch über eine neues Bonussystem steuern. Indirekt führt sie damit im Grunde noch weitere Unterkategorien von Freiflächensolaranlagen ein, was die Situation nicht übersichtlicher macht.

So können beispielsweise Agri-PV-Anlagen, die bestimmte Kriterien extensiver Landwirtschaft erfüllen, einen Bonus von 0,3 Cent pro Kilowattstunde auf den Marktwert erhalten. Eine der Voraussetzungen ist, dass die nutzbare Fläche für die Landwirtschaft durch die PV-Anlage maximal um 15 Prozent verringert wird. Außerdem müssen senkrecht installierte Module mindestens 80 Zentimeter über dem Boden, andere Agri-PV-Anlagen müssen für den Bonus – wie bereits für die Bevorzugung bei der Auktion – 2,10 Meter lichte Höhe haben. Weitere Bedingungen für den Bonus sind um 20 Prozent gegenüber der Düngeverordnung reduzierte Stickstoffgaben und ein vollständiger Verzicht auf Unkrautvernichtungsmittel.

Solarpaket 1 plant Boni für Blühstreifen und Altgrasstreifen

Handelt es sich bei der Agri-PV-Fläche für die der Bonus begehrt wird, um Ackerland oder mehrjährige Kulturen, so sind außerdem Blühstreifen im Umfang von 5 Prozent der Fläche vorzusehen, die unter anderem weder gedüngt noch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden dürfen. Handelt es sich hingegen um Agri-PV auf Grünland, so sind stattdessen Altgrasstreifen zu erhalten. Alle drei Jahre sind die Voraussetzungen für die 0,3-Cent-Bonuszahlung von einem Gutachter zu überprüfen.

Die Kriterien für die im Gesetzentwurf sogenannten „extensiveren Solaranlagen mit landwirtschaftlicher Nutzung“ (korrekter müsste es wohl umgekehrt „Solaranlagen mit extensiverer landwirtschaftlicher Nutzung“ heißen) sind allerdings nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr enthält der Entwurf auch eine Verordnungsermächtigung mit der das Wirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium technische und ökologische Anforderungen ohne Beteiligung des Bundesrates jederzeit ändern kann.

Biodiversitätssolaranlagen sind noch zu regeln

Von den Agri-PV-Anlagen mit extensiver Nutzung zu unterscheiden sind sogenannte Biodiversitätssolaranlagen, die ebenfalls mit dem Solarpaket jetzt eingeführt werden – allerdings noch nicht so ganz. Denn die Anforderungen an solche Anlagen müsste erst noch das Bundeswirtschaftsministerium im Einvernehmen mit dem Umwelt- und dem Landwirtschaftsministerium in einer Verordnung nach § 94 des EEG-Entwurfs erlassen. Auch für diese neue Kategorie von Freiflächenanlagen könnten die Ministerien frei entscheiden, auf welchen Flächen mit welchen technischen und ökologischen Vorgaben sie derartige Solarkraftwerke zulassen wollen. Noch nicht in der Höhe bezifferte Bonuszahlungen für solche Biodiversitätssolaranlagen wären ebenso Teil der Verordnung wie mögliche Ausnahmen von Ausgleichsmaßnahmen oder Ausgleichszahlungen nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung. Bis zum 31. März 2024 „soll“ die Verordnung laut Gesetzentwurf fertig und erlassen sein.

Boni betreffen auch feste Vergütungen für Freiflächenanlagen

Für „Agri-PV“-Anlagen, die nicht an Ausschreibungen teilnehmen müssen oder eine Festvergütung beanspruchen können, also beispielsweise Anlagen unterhalb von 1 MW Leistung bzw. 6 MW bei Bürgersolaranlagen sieht § 48 EEG laut Gesetzentwurf künftig Boni in ähnlicher Höhe und mit ähnlichen Voraussetzungen vor wie für die Marktprämien anderer Agri-PV-Anlagen. Agri-PV-Anlagen mit Baujahr 2024 und mehr als 2,10 Meter lichter Höhe steht hier ein Aufschlag von 2,5 Cent zu, für später in Betrieb genommene Anlagen berechnet sich dieser nach einer Formel dynamisch. Fix bleibt auch hier der 0,3-Cent-Bonus bei extensiver Bewirtschaftung.

Kommunalbeteiligung nach § 6 EEG auch für PV auf baulichen Anlagen

Ein ganz anderes, aber wichtiges Detail der Neuregelungen zu auf dem Grund montierten PV-Anlagen im Solarpaket 1 findet sich in § 6 EEG, der die freiwillige Beteiligung von Kommunen an den Erlösen von Wind- und Solarparks behandelt. Hier ist künftig nicht mehr von „Freiflächenanlagen“ im engeren Sinne, sondern von „Solaranlagen des ersten Segments“ die Rede. Dadurch kann auch für PV-Anlagen auf oder an Baulichen Anlagen wie Deponien, Lärmschutzwällen oder Bahndämmen ein Betrag von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Standortkommunen fließen.

Des Weiteren soll der Gesetzentwurf an dieser Stelle etwas Bürokratie abbauen, indem Vereinbarungen über Zuwendungen nach § 6 EEG künftig nicht mehr nur in schriftlicher Form, sondern auch elektronisch zulässig sind.

24.8.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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