Wasser-Wärmepumpe: Energie aus Flüssen und Abflüssen

Technikgebäude einer Großwärmepumpe (Innenansicht).Foto: BTB GmbH / Leon Kopplow
Innenansicht des Technikgebäudes einer Großwärmepumpe in Berlin.
Wasser-Wasser-Wärmepumpen können Energie nicht nur aus dem Grundwasser ziehen, sondern auch aus Flüssen, Kanälen und Abwässern. Bisher nutzten nur wenige Kommunen und Wärmenetzbetreiber dieses Potenzial.

Nur wenige Meter unter der Er­de schlummert ein bisher kaum genutztes Wärmereservoir: un­ser Abwasser. Die Temperatur ist selbst im Winter in aller Regel zweistellig, im Sommer sogar deutlich höher, sodass Wasser-Wasser-Wärmepumpen, die die Kanalisation oder den Auslauf von Klärwerken als Wärmequelle nutzen, auf sehr ansehnliche Jahresarbeitszahlen kommen. Das Potenzial der Abwasserwärme liegt je nach Studie bei 5 bis 15 Prozent des Wärmebedarfs in Deutschland. Gleichzeitig braucht die Technologie kaum Flächen, sodass die Frage naheliegt: Warum macht das nicht längst jeder?

Dezentrale Wärme unterm Gulli

Christian von Drachenfels von der Uhrig Energie GmbH, die laut Referenzliste allein im Jahr 2022 elf Projekte realisiert hat, kann auf der technischen Seite keine Gründe dafür finden. Stattdessen sieht er das Problem vor allem in mangelnder Bekanntheit und falschen Annahmen zur Technologie. Dabei gibt es mittlerweile in ganz Deutschland Referenzprojekte. „Die Energiegewinnung ist sowohl am Kanalnetz wie an der Kläranlage technisch etabliert. Die Menge der Energie im Abwasser einer Stadt ist so groß, dass man immer beides ma­chen sollte“, empfiehlt von Drachenfels im Sinne der besten Potenzialausnutzung.

Wärmepumpe holt Energie aus dem Kanal

Kleinere Leistungen für einzelne Gebäude oder Quartiere kann man aus dem Kanal entnehmen, wie zum Bei­spiel beim Berliner „Haus der Statistik“. Dort dient das Abwasser nicht nur zum Heizen, sondern im Sommer auch zum Kühlen. Mehrere PV-Anlagen auf den Gebäudedächern liefern Strom für die Wärmepumpen. Ein von Uhrig Energie entwickeltes Wärmetauschermodul an der Kanalsohle zieht die Energie aus dem Abwasser. Es lässt sich über den Kanalschacht einbringen, sodass keine Erdarbeiten nötig sind.

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Bei Druckleitungen lässt sich stattdessen auch ein Wärmetauscher um die Leitung herumwickeln, erklärt der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) in seinem Leitfaden zu Abwasserwärmepumpen. Auch die Platzierung eines Wärmetauschers in einem externen Schacht ist möglich. Nach jedem Wärmetauscher empfiehlt der Leitfaden, eine zwei- bis dreimal so lange „Erholungsstrecke“ vorzusehen. Beim Haus der Statistik mit seinen knapp 400 Meter langen Wärmetauschern wären das also bis zu 1,2 Kilometer.

Der Vorteil der dezentralen Nut­zung: Die Wärme ist schon dort, wo man sie braucht. Damit sich ein Projekt wirtschaftlich lohnt, nennt der BWP mindestens 150 kW Wärmeleistung und maxi­mal 150 Meter Abstand zum Kanal als Richtwert. Laut von Drachenfels sind 300 Meter durchaus üblich, in Einzelfällen auch mal ein knapper Kilometer. Und die kleinsten Anlagen auf der Referenzliste von Uhrig Energie haben gerade mal 22 kW Heizleistung.

Landkarte für Abwasserwärme

Wasserbetriebe würden gerade erst anfangen, das Thema zu erschließen und gemeinsame Geschäftsmodelle mit der Energiewirtschaft zu erarbeiten, sagt von Drachenfels. Doch es gibt immer mehr Kommunen und Länder, die das Potenzial systematisch erheben und zugänglich machen – auch wenn die kommunale Wärmeplanung noch nicht als Ganzes vorliegt.

Die Berliner Wasserbetriebe (BWB) haben das Potenzial der Abwasser­wär­me für die Hauptstadt in einer Karte erfasst. 100 bis 270 MW an Wärmeleistung könnte man quasi aus der Berliner Unterwelt saugen. Ausführliche Tipps für die Umsetzung gibt es ebenfalls auf der Webseite der BWB. Auch Villingen-Schwenningen besitzt bereits einen Atlas für die Abwasserwärme. Baden-Württemberg hat seine Kläranlagen untersucht und 258 davon für technisch und wirtschaftlich geeignet befunden. Rund 11 Prozent der Wärmenetzeinspeisung ließen sich daraus decken. Auf der Projektwebseite gibt es auch Informationen zu möglichen Förderprogrammen.

Kläranlage bringt Megawatt für die Wasser-Wärmepumpe

Die Wärmenutzung an der Kläran­lage ist vor allem für zweistellige Megawattleistungen interessant. Der BWP nennt zudem etwa 5.000 Einwohner als Schwellenwert für eine Kläranlage, bei der sich die Wärmenutzung lohnt. Eine Potenzialberechnung aus Österreich setzt aber bereits bei 2.000 Einwohnern an. Da die meisten Kläranlagen außer­halb der Städte liegen, ist der Aufwand für den Anschluss an ein Wärmenetz meist das entscheidende Kriterium. Damit sich die lange Leitung lohnt, bietet es sich an, das Biogaspotenzial gleich mit zu betrachten.

Ein Großprojekt aus dieser Katego­rie befindet sich in Hamburg kurz vor dem Baustart. Die vier Wärmepumpen mit je 15 MW sollen Wärme mit einem Temperaturniveau von 95 °C liefern. Dafür wird Wasser aus der Ablaufrinne der Kläranlage abgezweigt, durch den Wärmetauscher geführt und dann wie­der eingeleitet. Weil das Hamburger Wärme­netz im Winter teils mit Temperaturen deutlich über 100 Grad Gelsius läuft, wird bei Bedarf zusätzlich mit Energie aus einem neuen, wasserstofffähigen GuD-Kraftwerk „aufgetoppt“. Finanziell ist die Kombination besonders interessant, da mit den Wärmepumpen aus dem Gesamtsystem eine „innovati­ve KWK-Anlage“ mit entsprechender För­derung wird. Laufen sollen die Wärmepumpen vor allem im Winter, im Sommer liefern Müllverbrennung und Industriebetriebe mehr als genug Wär­me für das Netz. „Das Abwasser hat im Winter typischerweise eine Temperatur von 14 °C, unter 10 °C sinkt sie nicht“, sagt Gunnar Hansen, Projektleiter bei Hamburg Wasser. Er rechnet mit einer Jahresarbeitszahl von 2,8 bis 2,9.

Flüsse: kritisch im Winter

Teils sehr große Wassermengen, aber dafür weniger stabile Tempera­turen bieten Flüsse, wie die Spree oder die Elbe. Die BTB Berlin betreibt im Berliner Südosten ein 170 Kilometer langes Fernwärmenetz. Ins Netz speisen je ein Gas- und ein Holzheizkraftwerk sowie ein Kohlekraftwerk, das sich in einer „Testphase zur Erprobung regenerativer Brennstoffe“ befindet. Zwei Flusswasser-Wärmepumpen mit je 3,5 MW thermischer Leistung sollen künftig im Sommer Wärme aus der Spree liefern. Diese soll sowohl fossile als auch Biomassewärme ersetzen, sodass das Holz im Winter genutzt werden kann. Dass es in Schöneweide bereits ein Kraftwerk gibt, kommt der BTB entgegen, da sie so die Kühlwasserinfrastruktur mitnutzen kann und nicht zusätzlich Wasser aus der Spree abzweigen muss. Wenn das Wasser in die Spree zurückfließt, ist es um 4 Grad ausgekühlt. Ihren Probebetrieb hat die Anlage bereits hinter sich gebracht. „Die Leistung der Wärmepumpe ist sogar etwas besser als versprochen“, sagt Sebastian Mattes von BTB Berlin.

BHKW als Back-up für die Wärmepumpe

Im Winter übernehmen zwei mit Erdgas betriebene Blockheizkraftwerke die Wärmeerzeugung. Gemeinsam mit zwei Power-to-Heat-Anlagen besitzt auch die BTB damit zwei sogenannte innovative KWK-Anlagen und konnte die entsprechende Förderung nutzen. Nach­­folgeprojekte gibt es aber bisher nicht, die Nutzungskonkurrenz am Spreeufer ist groß. „Wir haben durchaus Interesse an weiteren Standorten, bis­her gibt es aber keine, mit denen wir in eine Detailplanung gehen könnten“, sagt Mattes. Geothermie und Aquifer­spei­cher sind daher für die BTW die näch­sten Alternativen.

Welche riesige Menge Wärmeener­gie man aus großen Flüssen entnehmen kann, zeigt das Projekt der Hamburger Energiewerke. Wärmepumpen mit mehr als 230 MW Gesamtleistung, verteilt auf zwei Standorte, sollen mehr als 700 GWh jährlich aus der Elbe und der Billwerder Bucht ziehen. Die Pla­nung hat allerdings gerade erst begonnen.

27.8.2023 | Autorin: Eva Augsten
© Solarthemen Media GmbH

Titelbild der Zeitschrift Energiekommune 7/23

Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 7/2023 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!

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