Direktvermarkter: neue Regeln zu Bilanzkreis-Management gefährden Energiewende

Waage mit Steinkugeln im Gleichgewicht als Symbol für einen ausgeglichenen Bilanzkreis in der Energiewende.Foto: fotogestoeber / stock.adobe.com
Erzeugung und Verbrauch, Einkauf und Verkauf - wer einen Bilanzkreis im Stromsystem führt, muss diesen möglichst präzise ausgleichen.
Die Bundesregierung will die Regeln für das Bilanzkreismanagement im Stromhandel anpassen. Direktvermarkter sehen darin ein Hindernis für die Energiewende.

Insgesamt 17 deutsche Direktvermarkter für erneuerbare Energien mit einem täglichen Handelsvolumen von 45 GW haben gemeinsam ein Positionspapier formuliert. Sie befürchten, dass sich eine vorgeschlagene Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) negativ auf die Integration erneuerbarer Energien in den Strommarkt auswirkt. Mit der geplanten Novelle stünden Vermarkter von fluktuierenden Stromerzeugern wie Photovoltaik und Windkraft „unter Generalverdacht“, wenn ihr Bilanzkreis unausgeglichen sei.

Kosten für Ausgleichsenergie setzen Anreiz zum Bilanzkreis-Management

Ein Bilanzkreis ist ein Energiemengenkonto für Strom. Jedem Akteur im Energiesystem sind ein oder mehrere Bilanzkreise zugeordnet. In diesen Bilanzkreisen werden sämtliche Ein- und Ausspeisungen sowie sämtliche Handelsgeschäfte dokumentiert und beim Übertragungsnetzbetreiber registriert.

Da sich weder Erzeugung noch Stromabnahme ganz präzise vorab berechnen und steuern lassen, gibt es allerdings immer Abweichungen. Das gilt nicht ausschließlich, aber insbesondere, für fluktuierende Erzeuger. Teilweise gleichen sich die Abweichungen der Bilanzkreise untereinander aus. Verbleibende Abweichungen korrigiert der zuständige Übertragungsnetzbetreiber durch den Einsatz von Ausgleichsenergie. Die Kosten dafür stellt er den Bilanzkreis-Verantwortlichen in Rechnung. Auf diese Weise existiert bereits ein Anreizsystem, um die Bilanzkreise möglichst genau zu bewirtschaften.

Das bisherige System habe sich äußerst bewährt und sorge für eine nahezu reibungslose Integration der massiv zugebauten Kapazitäten an Erneuerbaren Energien, heißt es von den Direktvermarktern. Dabei gebe es keine negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität.

Direktvermarkter könnten bei Abweichung rechtlich belangt werden

Mit der Änderung im Energiewirtschaftsgesetz sehen sie nun Probleme auf sich zukommen. Die kritisierte Passage findet sich in § 20 Abs. 1a Satz 9. Diese postuliere, dass ein unausgeglichener Bilanzkreis per se einen Verstoß gegen die Pflicht zur ausgeglichenen Bilanzkreisführung indiziere. Anstatt wie bisher Ausgleichsenergie in Rechnung gestellt zu bekommen, würden die Direktvermarkter von Wind- und Solarenergie damit Gefahr laufen, rechtlich belangt zu werden. Da der Bilanzkreis viertelstundenweise betrachtet wird, bestehe dieses Risiko pro Jahr 35.050 Mal.

Die geplante Änderung widerspreche zudem europarechtlichen Vorgaben und sei daher umso unverständlicher. Die EU habe die Anreizwirkungen des Ausgleichsenergiesystems ebenso wie das wichtige Zusammenspiel aller Marktakteure im Sinne der Systemstabilität erkannt. Die Pflichten des Bilanzkreisverantwortlichen seien daher bereits im Jahr 2017 in der Electricity Balancing Guideline (EB-GL) festgelegt worden. Das EU-Recht sehe dabei neben einem Bilanzkreisausgleich alternativ eine Gestattung von Bilanzkreisabweichungen vor, wenn diese darauf abziele, das Gesamtsystem zu stützen.

Geplante Regeln für Bilanzkreis-Management könnten für Energiewende nötige Marktintegration zurückwerfen

Die Direktvermarkter fordern nun, die EnWG-Novelle an die EU-Vorgaben zum Bilanzkreis-Management anzupassen, um negative Effekte für die Energiewende zu verhindern. Sie befürchten, dass die Fortschritte bei Prognose, Handel und Bilanzierung von Erneuerbaren Energien zurückgedreht werden. Damit wäre der Strommarkt nicht gewappnet, um in den nächsten Monaten die „gewaltigen Kapazitäten“ an Solar- und Windenergie in das Stromsystem zu integrieren.

Daher appellieren sie an den Gesetzgeber, die geplante Anpassung der Vorgaben für das Bilanzkreis-Management nicht durchzuführen. Stattdessen solle perspektivisch das bereits geltende EU-Recht mit den deutschen Vorgaben an das Bilanzkreismanagement harmonisiert werden.

Die Unterzeichner des Positionspapiers sind Axpo Deutschland GmbH, BayWa r.e. Energy Trading GmbH, Centrica Energy Trading AS, CF Flex Power GmbH, Danske Commodities A/S, Energi Danmark A/S, enspired GmbH, Energy2market GmbH, MVV Trading GmbH, Next Kraftwerke GmbH, Optimax Energy GmbH, PURE Energy GmbH, Statkraft Markets GmbH, Sunnic Lighthouse GmbH, Trailstone Renewables GmbH, Volkswind GmbH, und Wind Energy Trading WET AG. Zum ausführlichen Positionspapier geht es hier.

Die Direktvermarktung von erneuerbaren Energien gilt als marktliches Mittel, um Erzeugung und Verbrauch enger zu koppeln. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) fordert, auch für kleine PV-Anlagen die Direktvermarktung zu ermöglichen.

29.8.2023 | Quelle: Flex Power | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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