Habeck auf der Husum Wind: „Wir sind noch lange nicht durch.”

Robert Habeck bei einer Rede auf der Husum WindFoto: Guido Bröer
Die Husum Wind dürfte sich für Bundeswirtschaftsminister Habeck bei der heutigen Messeeröffnung wie ein Heimspiel angefühlt haben.
In Husum ist heute mit etwa 600 Ausstellern die traditionelle Messe Husum Wind eröffnet worden. Zum Auftakt stellte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Überbrückungshilfen für die Windindustrie in Deutschland in Aussicht. Zum gesteigerten Ausbautempo der Windkraftleistung in Deutschland sagte Habeck: „Die Zahlen müssen noch einen Tick besser werden, aber die Dynamik ist da.”

Die zahlreichen seit dem Regierungswechsel und unter dem Eindruck das russischen Angriffskriegs beschlossenen Gesetzesänderungen und Verordnungen begännen inzwischen, ihre Wirkung zu entfalten, erklärte Habeck zur Eröffnung der Husum Wind 2023. Allerdings sei das noch nicht das Ende der in seinem Hause geplanten politischen Initiativen. „Wir sind noch lange nicht durch”, sagte der Minister dazu bei seinem Heimspiel in Schleswig-Holstein, wo er vor seinem Wechsel in die Bundespolitik als Umwelt- und Energieminister tätig war.

Nutzen statt Abschalten

Als Beispiel für zu erledigende Hausaufgaben seiner Bundesregierung nannte Habeck das Thema „nutzen statt abschalten”. Eine entsprechende Reform, die dafür sorgen soll, dass Windstrom insbesondere im Norden, statt bei Netzengpässen abgeregelt zu werden, vor Ort genutzt werden kann, sei in Vorbereitung. Das Thema sei auf Kabinettsebene angekommen, deutete Habeck an. Und er hätte ein entsprechendes Ergebnis gern schon heute zur Windmesse mitgebracht. Aber offenbar ist es innerhalb der Ampelkoalition nicht unstrittig. O-Ton Habeck: „Ein bisschen Überzeugungsarbeit bei meinen geliebten Koalitionspartnern muss ich noch leisten.” Unterstützung bei diesem Thema erfährt der Wirtschaftsminister bei seinen norddeutschen Ministerkollegen. Der Umwelt- und Energieminister Niedersachsens, Olaf Lies (SPD), und dessen schleswig-holsteinischer Amtskollege Tobias Goldschmidt (Grüne), begleiteten Habeck nach Husum und vertraten dort relativ ähnliche Positionen.

Garantien und Bürgschaften für die Windindustrie

Einig sind sich die drei Minister beispielsweise auch, dass es Überbrückungshilfen für die deutsche Windindustrie geben sollte, um die notwendigen Investitionen in Fertigungskapazitäten und Personal abzusichern, damit diese das politisch von der Ampelkoalition geplante Ausbauvolumen dann auch stemmen zu kann. Habeck erklärte, dass es in seinen Augen nicht um direkte Investitionshilfen geht, wie etwa für den Wiederaufbau einer europäischen Photovoltaik-Industrie oder Chip- und Batterie Fertigungen, sondern lediglich um Bürgschaften und Garantien.

Dazu will Habeck die Möglichkeiten des auf Initiative der Bundesregierung unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges im März 2023 beschlossenen Beihilferahmens Temporary Crisis Framework (TCF) nutzen. Die Politik könnte solche Garantien beispielsweise an das Erreichen der bundesweiten Ausbauziele knüpfen. TCF-Bürgschaften für die Windbranche würden dann nur greifen, falls die Garantiebedingungen einträfen. Auf die Frage nach der möglichen Höhe solcher Garantien antwortete Habeck vage. Er selbst sei durchaus offen für höhere Beträge, „denn wir reden über Gelder, die idealerweise gar nicht in Anspruch genommen werden sollen”.

Habeck geht davon aus, dass sein Haus schon bald ein Interessensbekundungsverfahren für Windkrafthersteller anschieben könne, so wie das für die Photovoltaik-Industrie kürzlich bereits passiert sei.

Industriestrompreis auch bei der Husum Wind ein Thema

Auch das innerhalb der Bundesregierung umstrittene Thema eines subventionierten Industriestrompreises ließ Habeck in Husum nicht aus. Wobei es an Ove Petersen, in Nordfriesland beheimateter Geschäftsführer der GP Joule, war, den Minister in einer Podiumsdiskussion gewissermaßen an das Prinzip „fördern und fordern” zu erinnern. Wenn man denn der energieintensiven Industrie tatsächlich den Strombezug subventionieren wolle, dann solle die Politik dies nicht mit der Gieskanne tun, so Petersen. Sondern man solle die Subvention unbedingt an die Bedingung knüpfen, dass die großen Energieverbraucher ihre Prozesse netzdienlich flexibilisieren, argumentierte Petersen. Konkret: Die Industrie müsse möglichst dann produzieren, wenn erneuerbarer Strom vor Ort reichlich vorhanden sei. Petersen: „Wir müssen die Industrie daran gewöhnen, dass sie Strom nicht 24/7 billig bekommt.”

Aus seiner Position eines etablierten Projektentwicklers sieht Petersen nicht nur ein gesellschaftliches Interesse an einer Anpassung des Verbrauchs an die fluktuierenden Erzeugungsmöglichkeiten, sondern auch ein unternehmerisches. Denn die zunehmenden Abschaltungen von Windkraftanlagen im Norden entwickeln sich nach seiner Darstellung zunehmend zum Finanzierungsrisiko. Während sich die steigenden Zinsen und auch die derzeit erhöhten Beschaffungskosten als Inflationsrisiko durchaus über die EEG-Ausschreibungen kompensieren ließen, gelte dies für die zunehmend unberechenbare Reduktion der Produktionszeiten nicht, erläuterte der GP Joule-Chef. Die noch von der Vorgängerregierung verschärfte 6- bzw. 4-Stunden-Regelung, nach der sich die EEG-Marktprämie bei längeren Phasen negativer Strompreise rückwirkend auf Null reduziert, entwickle sich zum Finanzierungsproblem. Deshalb müssten beim politisch gewollten Hochlauf der Installationen, die Speichermöglichkeiten und andere Flexibilitäten entsprechend mitwachsen.

Bürgerenergie als Schlüssel für den Windkraft-Ausbau

Einmal mehr sangen alle drei anwesenden Minister auf der Husum Wind ein Loblied auf die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern am Ausbau der Windenergie. „Bürgerenergie ist der Schlüssel für den schnelleren Ausbau”, sagte beispielsweise Tobias Goldschmidt. Dennoch gab es an diesem Punkt wenig Konkretes.

Habeck erläuterte seine Hoffnung, dass auch die Windenergie gewissermaßen zum Selbstläufer werde, wenn sich die Erkenntnis durchsetze, dass Kommunen und Bürgerinnen von den Windparks vor Ort profitierten. Die Stimmung habe sich bereits gewandelt, meint Habeck. „Und wenn es ein Vorteil für die Menschen in der Region ist, dass Windkraftanlagen gebaut werden, dann werden sie auch gebaut.“

Neben einer Reform der Netzgebühren zugunsten der Erzeugungsregionen, für die sich alle drei Minister einsetzen, könnten dazu auch bessere gesetzliche Möglichkeiten für das sogenannte „Energy Sharing” helfen. Die Begünstigung eines solchen gemeinschaftlichen Stromverbrauchs innerhalb von Bürgerenergiegesellschaften wird auch von einem Verbändebündnis gefordert. Habeck hat in seiner „Photovoltaikstrategie“ für den Herbst einen Dialog zu dem Thema mit Interessensverbänden angekündigt. Dabei dürfte es sicherlich neben der Photovoltaik gleichermaßen um die Windenergie gehen.

12.9.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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