Neuer Preiskampf bei Solarmodulen

Foto: Solarwatt
Photovoltaikunternehmen und Verbände machen auf sinkende Preise bei PV-Modulen aufmerksam, die den Absatz europäischer Produkte gefährden könnten. Jetzt liegen einige Vorschläge auf dem Tisch, wie dem zu begegnen ist. Dieser Bericht beleuchtet die Hintergründe:

Am selben Tag, dem 11. September, schrieben sowohl der European Solar Manu­facturing Council (ESMC) als auch Solar Power Europe (SPE) an die Europäische Kommission. Beide beklagen die stark gesunkenen Preise von Photovoltaikmodulen und fordern Gegenmaßnahmen zum Schutz der hiesigen PV-Industrie.

Drohen Insolvenzen in der PV-Industrie?

ESMC malt ein düsteres Krisenbild an die Wand. Die europäischen Lager seien voll, weil es ein Überangebot an billigen PV-Modulen aus China gebe. Daher seien die europäischen Hersteller derzeit kaum dazu in der Lage, ihre Module zu auskömmlichen Preisen zu verkaufen. Und blieben die Lager bis zum Jahresende voll, müssten die vorhandenen Module eventuell zum Marktpreis abgewertet werden. Bei einzelnen Herstellern könne diese Situation sogar zur Insolvenz führen. Die Unternehmen reagieren nach Aussage von ESMC derzeit auf die Situation mit zeitweisen Betriebsstops. Teils reduzierten Unternehmen bereits die Belegschaft.

Als Alternative nennt ESMC die Abwanderung der Produktion in die USA. Hier gebe es mit dem Inflation Reduction Act sowie Antidumpingmaßnahmen gegen chinesische Modulimporte aus Sicht der Unternehmen bessere Produktionsbedingungen. Wolle die EU-Kommission das verhindern, müsse sie jetzt handeln.

Der Verband SPE, in dem nicht nur Hersteller zusammengeschlossen sind, liefert eine ähnliche Situationsbeschreibung. Offenbar sind demnach große Teile der europäischen und auch der chinesischen PV-Branche von einem deutlich stärkeren Marktanstieg ausgegangen. Dies sei auch auf entsprechende Signale aus der Politik zurückzuführen. Aber die Kombination aus hohen Zinsen, Engpässen bei den Netzanschlüssen, langen Genehmigungsverfahren sowie unerwartet früh wieder gesunkenen Strompreisen habe die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen insbesondere im 3. Quartal unter das Niveau von 2022 gedrückt.

„Wir haben die genannten Briefe nicht unterzeichnet”, sagt Detlef Neuhaus, Geschäftsführer (CEO) des Dresdener PV-Herstellers Solarwatt: „Wir teilen aber die Sicht auf die dramatische Lage der deutschen und der europäischen Solarindustrie.” Die drängenden Herausforderungen der europäischen PV-Industrie seien jetzt „bei den politischen Entscheidern platziert”, so Neuhaus. „Aber die gravierenden Auswirkungen auf die hiesige Industrie werden aus unserer Sicht immer noch unterschätzt. Denn nun ist schnelles Handeln gefragt. Als Teil der europäischen PV-Industrie benötigen wir kurzfristig EU-Initiativen, die für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen.”

Massiver Verfall der Preise von PV-Modulen

Solarwatt beobachte seit wenigen Monaten einen massiven Preisverfall bei Solarmodulen. „Dieser Preisverfall wird ausgelöst durch den massiven Import chinesischer Hersteller, die ihre Produkte teilweise unter Zwangsarbeit und ohne Berücksichtigung internationaler Umwelt- und Sozialstandards herstellen lassen.”

Den Trend zur starken Preisreduktion bei PV-Modulen im Spotmarkt bestätigt auch Martin Schachinger, Geschäftsführer der Handelsplattform pvXchange Trading GmbH: „Seit Anfang 2023 sind die Preise für Photovoltaikmodule bereits um durchschnittlich 25 Prozent gesunken.” Und die Talfahrt gehe weiter. „Obwohl sich die Rohmaterialkosten in China allmählich wieder stabilisieren, bleibt es bei fortschreitenden Ermäßigungen der Modulpreise aufgrund der aktuell noch sehr hohen Lagerbestände.”

Um die Lager berei­nigen zu können, müssten die Hersteller Rabatte geben, welche die Handelsmarge mehr als wettmachen. „Wer nicht bereit ist, seine Ware unter Produktions- beziehungsweise Einkaufspreis anzubieten, wird auf ihr sitzen bleiben”, sagt Schachinger. Doch er sieht auch, dass Hersteller in Asien reagierten und ihre Lager nicht noch voller laufen ließen.

Chinas PV-Industrie liefert 80 GW nach Europa

Laut Analyse von SPE lieferten allein chinesische Hersteller schon im Jahr 2022 Module mit einer Leistung von rund 80 Gigawatt nach Europa. Doch es seien lediglich 40 Gigawatt installiert worden. Und auch in 2023 habe der Import kaum nachgelassen. So seien es nur im März und April jeweils noch rund 10 Gigawatt gewesen. Europa erhält damit deutlich mehr Module aus China als jede andere Exportregion aus chinesischer Sicht. Der ESMC fürchtet – wohl auf Basis dieser Zahlen–, dass sich die chinesischen Modulimporte im laufenden Jahr noch auf 120 Gigawatt steigern könnten.

Das kann eigentlich auch nicht im Interesse chinesischer Anbieter liegen. Allerdings setzt sich der hohe Export aus China aus Produkten sehr vieler Hersteller zusammen, die nicht koordiniert arbeiten. Insofern ist fraglich, ob oder wie schnell Marktmechanismen in der Photovoltaikbranche wirken. Zudem waren günstige Kredite etwa der chinesischen Provinzregierungen oder staatlich kontrollierter Banken an die Hersteller offenbar teils mit Auflagen verknüpft. So mussten die Kreditnehmer eine bestimmte Anzahl an Beschäftigten und auch eine fortlaufende Produktion garantieren.

„Wie lange die unbequeme Marktsituation noch anhalten wird, ist schwer vorauszusagen”, erklärt Schachinger. „Keiner weiß ganz genau, wie viele Container mit Modulen, insbesondere mit PERC-Technologie, tatsächlich in europäischen Lagern gehortet werden und wie lange es dauern wird, diese Überbestände ab­­zu- bauen, damit sich das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage wieder normalisiert.”

Staat soll Module kaufen

Wie die beiden Briefe von ESMC und SPE verdeutlichen, scheint den europäischen Herstellern die Zeit wegzulaufen. Sie fordern kurzfristig wirkende Aktionen. Beide regen an, dass die Europäische Union die Lagerbestände der europäischen Hersteller zu einem auskömmlichen Preis übernehmen soll. Sie könnten dann zum Beispiel der Ukraine oder Hilfsprogrammen für Afrika zur Verfügung gestellt werden.

Der ESMC plädiert auch für Importrestriktionen. Diese sollten Module treffen, für deren Produktion Zwangsarbeiter eingesetzt würden. Eine solche Regelung praktizierten bereits die USA für einen Teil der chinesischen Importe – mit der Folge, dass diese nun in Europa landeten. Mittelfristig solle über geeignete Maßnahmen der europäischen PV-Industrie ein gewisser Anteil am europäischen PV-Markt garantiert werden, fordert ESMC.

SPE schlägt eine Reihe weiterer Maßnahmen vor, wie eine Solar Manufacturing Bank, um die Finanzierung des Ausbaus europäischer Produktionskapazitäten zu erleichtern. Außerdem sei es erforderlich, den beihilferechtlichen „Befristeten Krisen- und Übergangsrahmen“ (Temporary Crisis and Transition Framework (TCTF)) zu überarbeiten, um der PV-Industrie damit helfen zu können. Und SPE mahnt an, den im März vorgeschlagenen Net Zero Industry Act zu etablieren. Er soll aus Sicht der EU-Kommission die Antwort auf den US-amerikanischen Inflation Reduction Act liefern und ebenfalls Investitionen in klimafreundliche Technologien ermöglichen. Als weiteren Punkt in der Strategie von SPE nennt die Organisation eine starke Ankurbelung der Nachfrage durch politische Entscheidungen. Nur so lasse sich letztlich dem Angebotsüberschuss sowie den zu geringen Preisen entgegen wirken.

Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW), erklärt, der derzeitige Druck auf die Preise von Solarmodulen sei auf eine Vielzahl von sich teils überlagernden Einflüssen zurückzuführen. „Und an Spekulationen zu Preisursachen beteiligen wir uns ungern.“ Wichtig sei dem BSW, aus einem harten internationalen Wettbewerb keinen Protektionismus-Wettbewerb werden zu lassen. Gleichwohl, so Körnig, solle man jedoch sehen, dass mögliche Probleme europäischer Hersteller auch auf höhere Produktionskosten aufgrund von geringeren Produktionskapazitäten zurückzuführen seien.

Skalierungsnachteil in europäischer PV-Industrie ausgleichen

Wenn es nun darum geht, sich auch im PV-Sektor unabhängiger von der internationalen Angebotssituation zu machen, so sei es jetzt die politische Aufgabe, für europäische Produzenten eine bessere Ausgangsposition zu schaffen, erklärt Körnig. Die vom Bundeswirtschaftsministerium jüngst ausgeschriebene Capex-Förderung sei ein Anfang, sie sei aber unbedingt zu ergänzen, um die Skalierungsnachteile hinreichend zu kompensieren und im Standortwettbewerb mit China und den USA mithalten zu können.

Der BSW schlägt aktuell vor, den Absatzmarkt für in Europa hergestellte Photovoltaikprodukte „mithilfe einer intelligenten Verzahnung von Energie- und Industriepolitik” zu sichern. „Kunden, die sich für europäische Produkte entscheiden, dürfen finanziell keinen Nachteil haben”, sagt Körnig. „Wenn wir wettbewerbsfähige Solar-Giga-Fabs entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Europa aufbauen wollen und als Land auch industriell wieder von der Energiewende profitieren wollen, dann ist jetzt ein kraftvolles und beherztes politisches Handeln gefragt. Andernfalls werde die Renaissance einer europäischen Solar­industrie nicht gelingen.”

Boni im EEG für EU-Produkte

Für eine begrenzte Ramp-up-Phase von einigen Jahren und einen Marktanteil von maximal 40 Prozent sollen nach den Vorstellungen des BSW höhere Erzeugungskosten europäischer Solarkomponenten mittels höherer Marktprämien beziehungsweise Vergütungen ausgeglichen werden. Dafür schlägt Körnig spezielle „Resilienz-Ausschreibungen und -Boni“ im EEG vor, die sich in ihrer Höhe in Abhängigkeit der europäischen Wertschöpfungstiefe staffeln ließen.

Der Solarbranchenverband wirbt gegenüber der Politik dafür, eine derartige Maßnahme noch im Solarpaket 1 zu verankern. „Wir wissen von den Herstellern, dass ein solches Instrument zur Absatzverbesserung, das verlässlich auszugestalten ist, den nötigen Impuls für den Ausbau von Produktionskapazitäten bieten kann.“

Bürokratische Barrieren oder gar Zölle zur Abschottung des gesamten PV-Marktes in Deutschland oder Europa lehnt der BSW hingegen kategorisch ab. Industriepolitik und Resilienz seien ohne Frage wichtig und hätten einen Preis. Sie sollten aber die Erreichbarkeit energiepolitischer Ziele keinesfalls infrage stellen, so Körnig.
Ein weiterer Aspekt ist aber auch die Nachfrage selbst. Wenn es nun gute lieferfähige europäische Hersteller gibt, können Endkunden und Handwerker auch auf deren Produkte zurückgreifen. Denn so stark wirken sich etwas höhere Modulpreise nicht aus, weil sie nur einen – in manchen Marktsegmenten kleinen – Teil der Gesamtkosten ausmachen.

Mit Qualität und Service gegen Preisverfall

„Trotz der aktuellen Situation sind wir weiterhin fest davon überzeugt, dass Premiumanbieter wie Solarwatt, die auf langlebige, effiziente und nachhaltig produzierte Photovoltaik-Systemlösungen setzen, auch in Zukunft immer ihren Markt haben werden”, betont Neuhaus. Durch einen systemischen Ansatz, vor allem die Verknüpfung von Energie, Mobilität und Wärme, sowie ein umfangreiches Serviceangebot könnten europäische Anbieter auch den Preisverfall aufgrund der chinesischen Massenimporte zumindest zu gewissen Teilen ausgleichen. Neuhaus weist wie die Verbände aber auch auf die gesamte Wertschöpfungskette hin, die stark unter Druck geraten sei. „Wenn wir zukünftig weiterhin eine starke Solarindustrie in Europa entlang der gesamten Wertschöpfung wollen, dann benötigen wir Rahmenbedingungen, die uns einen fairen Wettbewerb ermöglichen – und zwar so schnell wie möglich.”

21.9.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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