Biogas-Branchenzahlen: Stagnation beim Ausbau 2022, Rückgang 2023
Laut den Branchenzahlen des Fachverbandes Biogas stagniert der Ausbau der Biogasnutzung weiterhin. Um lediglich 49 MW stieg die installierte elektrische Leistung aus Biogas im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021. Die in den Biogas-Branchenzahlen enthaltene Prognose für 2023 zeigt nun sogar einen spürbaren Rückgang bei den Neuanlagen und der neu installierten Leistung. Zugleich betont der Verband, Biogas habe eine große Bedeutung für das Gelingen der Energiewende.
Den gut 107 neu gebauten Biogas-Anlagen standen im Jahr 2022 rund 30 Stilllegungen gegenüber. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Biogas-Anlagen damit auf 9.876, die installierte elektrische Leistung auf 5.895 MW. Die daraus resultierende Stromproduktion stieg im Jahr 2022 marginal auf 33,54 TWh. Grundlage für die Statistik ist das Marktstammdatenregister.
Branchenzahlen zeigen für 2023 Trend zur Methanisierung von Biogas
Auch bei der Einspeisung von zu Biomethan aufbereitetem Biogas tut sich laut den Branchenzahlen wenig. Lediglich vier Anlagen gingen 2022 ans Netz. Insgesamt waren zum Jahresende 242 Biogas-Aufbereitungsanlagen am Erdgas-Netz angeschlossen, die gut eine Milliarde Kubikmeter Biomethan einspeisten. In Summe lieferten Biogas und Biomethan somit eine Energiemenge von 91 TWh. Das entspricht fast elf Prozent des deutschen Erdgasverbrauches aus dem Jahr 2022. Der Fachverband Biogas geht davon aus, dass der Trend weg von der Vor-Ort-Verstromung und hin zur Einspeisung von Biomethan geht. Das zeige sich sowohl in Form von sechs neuen Biomethan-Anlagen aus dem Jahr 2023 als auch in mehreren hundert Einspeiseanfragen.
Für das Jahr 2023 rechnet der Fachverband Biogas mit einem deutlich langsameren Wachstum der Branche. Nach Abzug der zunehmenden Stilllegungen werde sich die Zahl der Biogas-Anlagen vermutlich nur um 33 erhöhen. Die installierte Leistung steige leicht auf 5.905 MW. Dem stehe allerdings erstmals ein Rückgang der arbeitsrelevanten Leistung auf 3.829 MW. Das führt der Verband vor allem auf die Folgen der Erlösabschöpfung zurück. Allerdings gebe es eine gewisse Kompensation durch die temporäre Aufhebung der sogenannten Höchstbemessungsleistung kompensiert. Unterm Strich bleibe die Stromproduktion daher auf annährend gleichem Niveau (33,9 TWh).
An der regionalen Verteilung der Anlagen und der installierten Leistung habe sich wenig geändert. Spitzenreiter sei nach wie vor Bayern mit 2.707 Biogasanlagen und 1.458 MW Leistung, gefolgt von Niedersachsen mit 1.691 Anlagen und 1.360 MW.
Verband: Doppelte Biogas-Produktion ohne Steigerung von Energiepflanzen-Anbau möglich
Dass Deutschland rund anderthalb Jahre nach Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine und der daraus resultierenden Gaskrise nicht stärker auf heimisches Biogas setzt, ist für die Akteure der Branche nicht nachvollziehbar. Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, klagt über „zu viele rechtliche Hemmnisse und schleppende Genehmigungsverfahren“. Vom „Deutschlandtempo“, das Bundeskanzler Scholz in Bezug auf Wasserstoff und LNG propagierte, sei in der Biogasbranche wenig zu merken. Seide betont, Biogas und Biomethan seien technisch ausgereift und müssten stärker in die energiepolitischen Diskussionen eingebunden werden.
Eine Verdopplung der Biogas-Produktion sei möglich, ohne mehr Energiepflanzen anzubauen werden müssten. „Gülle, Bioabfall und landwirtschaftliche Nebenprodukte bergen noch viel energetisches Potenzial“, sagt Seide.
In der EU als Ganzes sei die Lage völlig anders. Allein 2021 seien fast 300 neue Biogas-Einspeiseanlagen ans Netz gegangen, was einem Zubau von knapp 30 Prozent entspreche. Bis 2030 soll laut REPowerEU Plan der Europäischen Kommission die Biomethanerzeugung von heute 3,5 Milliarden m³ auf 35 Milliarden verzehnfacht werden. „Da muss auch Deutschland seinen Beitrag leisten“, findet Seide.
Politik soll Perspektiven für bestehende Biogas-Anlagen und Produktionsstandorte schaffen
Er fordert von der Bundesregierung bessere Rahmenbedingungen. Das soll vor allem für die Biogas-Anlagen aus dem ersten Boom-Jahr 2006 gelten. Diese erreichen 2026 das Ende ihrer im Erneuerbare-Energien-Gesetz garantierten Einspeisevergütung. Die Anlagen würden gut funktionieren und bräuchten eine verlässliche und langfristige Perspektive, um ihr Potenzial und das Know-How der Betreiber auch in Zukunft nutzen zu können.
Auch die bei der Verstromung von Biogas in Blockheizkraftwerken anfallende Wärme werde weiterhin zu wenig genutzt. Die Wärmemenge sei 2022 von gut 15 TWh auf fast 23 TWh gestiegen. Bilanziell reicht das, um fast zwei Millionen Haushalte zu versorgen.
Ländliche Regionen würden profitieren von Biogas besonders profitieren. Das gelte nicht nur für die Nutzung der preiswerten Wärme. Auch der Großteil des jährlichen Umsatzes von 13,2 Milliarden Euro bleibe im ländlichen Raum. Im Ausland sei die Biogastechnik aus Deutschland ebenfalls gefragt. Die Exporterlöse beziffert der Verband mit 2,5 Milliarden Euro. So gelinge es zurzeit, die Standorte der Firmen auch bei schwachen Umsätzen im Inland zu erhalten. Langfristig brauche es aber eine politische Perspektive, um die rund 52.000 damit verbundenen Arbeitsplätze zu sichern.
Zu den vollständigen Biogas-Branchenzahlen des Jahres 2023 geht es hier.
LEE NRW: Landesweiter Biogas-Gipfel soll Hemmnisse beseitigen
Auch der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) nimmt die Biogas-Branchenzahlen des Jahres 2023 zum Anlass für Kritik. Das Land NRW nutze die Chancen der Biogas-Technologie für die Stromerzeugung, die Wärme- und die Mobilitätswende zu wenig. LEE NRW fordert daher einen landesweiten Biogas-Gipfel.
In dem bevölkerungsreichsten Bundesland seien im Jahr 2022 lediglich sieben neue Biogasanlagen mit 4 MW elektrischer Leistung neu in Betrieb gegangen. „Bei diesen Zahlen verbietet es sich, von Zubau zu sprechen“, kommentiert Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbandes Erneuerbare Energien (NRW). In Summe seien in NRW damit des Jahres 1.136 Biogasanlagen mit 475 MW elektrischer Leistung am Netz gewesen. Der erwartete Zubau für 2023 liegt bei 33 Anlagen mit in Summe 10 MW.
Mildenberger führt das auf „falsche Förderbedingungen“ und „völlig verfehlte Potenzialeinschätzungen“ zurück. Bioenergie sei gerade in den Zeiten unverzichtbar ist, in denen die Wind- und Solarenergie nicht genügend Energie liefern. „Mit Blick auf den bevorstehenden Winter und die kommende Heizsaison ist es völlig unverständlich, dass die Politik nicht die heimischen, noch reichlich vorhandenen Biogaspotenziale für die Wärmeerzeugung nutzt, sondern stattdessen auf Importe von teurem Flüssigerdgas (LNG) setzt“, so Mildenberger. Der Verband LEE NRW hatte hierzu ein Konzept für „Winter-Biogas“ vorgelegt.
Zu dem geforderten Biogas-Gipfel solle die Landesregierung die Betreiber von Biogasanlagen, den Deutschen Bauernverband und die Landwirtschaftskammern einladen. Er soll den Energieträger Biogas nicht nur stärker ins öffentliche Bewusstsein bringen, sondern auch helfen, eine Reihe von sich widersprechenden Regelungen und Verordnungen für die Biogasnutzung vereinheitlicht werden.
Zudem fordert LEE NRW die verpflichtende Einführung einer Biomüll-Tonne in allen Städten und Gemeinden. „Es ist der reine Irrsinn, dass dieser wichtige Rohstoff in vielen Kommunen nach wie vor ungenutzt bleibt und teilweise mit hohem Energieaufwand in Müllerverbrennungsanlagen verbrannt wird“, sagt Mildenberger. So wie möglichst auf jedes Dach eine Solaranlage gehöre, müsse vor jeder Tür eine Biotonne stehen.
Weiterhin fordert der Verband ein Ausbauziel für den Biogassektor, ähnlich wie in der Windenergie.
Bereits im Vorjahr war der Ausbau der Bioenergie sehr verhalten. Die Verbände forderten daher auch 2022 schon eine klarere langfristige Strategie, wie der Solarserver berichtete.
27.9.2023 | Quelle: Fachverband Biogas, LEE NRW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH