Vom Wiedererstarken der Photovoltaik-Industrie in Europa

Photovoltaik-Industrie: Stapel mit Solarzellen in einer ProduktionsanlageFoto: Meyer Burger
Photovoltaik-Industrie in Europa: Meyer Burger produziert in Deutschland sowohl Solarmodule auch auch -zellen.
Der größte Teil der Photovoltaikmodule und vor allem der Vorprodukte kommt derzeit weiterhin aus Asien. Die Produktionskapazitäten der hiesigen Photovoltaik-Industrie sind vergleichsweise gering. Doch nun machen sich einige Unternehmen auf, neue Solarfabriken zu gründen. Wie stehen deren Chancen?

„Als Managing Director Production trägst du die Gesamtverantwortung für den Aufbau der Photovoltaikmodulproduktion bei 1KOMMA5°.” So sucht momentan die 1Komma5° GmbH nach Personal, um die eigene PV-Modulproduktion realisieren zu können. Bislang vertreibt und installiert das 2021 gegründete Unternehmen PV-Anlagen und lässt Module in China fertigen. Schon im Jahr 2024 will der ehe­malige Tesla-Manager Philipp Schröder, CEO und Mitgründer von 1Komma5°, mit der Modulproduktion starten und damit Teil der Photovoltaik-Industrie werden. In der ersten Ausbaustufe soll die Fabrik bereits eine Produktionskapazität von 1 Gigawatt (GW) erreichen. Im Jahr 2030 will Schäfer sie auf 5 GW ausbauen. Bislang steht aber der Stand­ort noch nicht fest und auch die erforderlichen Mitarbeiter:innen für die Produktion gibt es noch nicht.

„Wir wollen langfristig die Wertschöpfung erhöhen und die Hardware-Produktion nachhaltiger gestalten, sodass für 1Komma5° eine eigene Modulfertigung der nächste logische Schritt ist. Allein für unsere Kundinnen und Kunden benötigen wir jährlich rund 5 GW”, so Schröder. Er sieht es als ersten Schritt, dass das Vertriebs- und Installationsunternehmen für PV-Anlagen, Wärmepumpen und Ladestationen für E-Fahrzeuge im Jahr 2022 ein eigenes PV-Modul auf den Markt gebracht habe und dafür in Deutschland bei Wacker produziertes Silizium einsetze.

Schwere Zeiten für europäische Photovoltaik-Industrie

Stützen kann sich 1Komma5° auf seine Erfolge beim Einwerben von Investoren. Für den Aufbau der Modulproduktion wird es aber deutlich mehr Geld benötigen. Dabei sind die Bedingungen für den Aufbau einer neuen Produktion sicherlich nicht einfach. So beklagten europäische Solarverbände ein deutliches Überangebot. Dies hat zu deutlichen Preissenkungen geführt. Eine Forderung der Verbände an die Europäische Kommission: Sie solle die Lagerbestände der europäischen Hersteller übernehmen, bevor deren Wertberichtigung zum Jahreswechsel die Bilanzen der Unternehmen in Bedrängnis bringt.

Hersteller wie die Meyer Burger Technology AG haben bereits auf die herausfordernde Situation in Europa und bessere Förderbedingungen andernorts reagiert. Im ersten halben Jahr produzierte das Unternehmen Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 300 Megawatt. Den Umsatz konnte es um 70,8 Prozent auf 96,9 Millionen Schweizer Franken steigern, doch der Betriebsverlust lag gleichzeitig bei 43,3 Millionen Euro. Die Marktsituation beschreibt das Unternehmen als herausfordernd. Aufgrund einer hohen Eigenkapitalquote seien die nächsten Ausbauschritte gut finanziert, doch die geht das Unternehmen – anders als zunächst geplant – nun am Standort in den USA. Meyer Burger will die Expansion in Europa erst wieder vorantreiben, wenn „die hiesigen Marktbedingungen fair und nachhaltig sind”, so das Unternehmen. Es hat sich allerdings am Interessenbekundungsverfahren der deutschen Bundesregierung für PV-Produktionsprojekte beteiligt. Im Rahmen von „INTEGRA” soll eine 5-GW-Solarzellen- und Solarmodulfertigung aufgebaut werden.

Neue Photovoltaik-Fabriken im Gigawattbereich

Eine solche Größenordnung strebt auch die Carbon SAS im französischen Fos-sur-Mer an. Sie will ab 2026 ihre Produktion hochfahren. Die Kapazität für Solarzellen ist nach Aussage des Unternehmens mit einer anfänglichen Leistung von 5 GW geplant. Bei PV-Modulen soll sie bei 3,5 GW liegen.

Neue Player wie 1Komma5° müssen also nicht nur mit Konkurrenz aus China rechnen, sondern auch mit europäischen Wettbewerbern. Dazu zählen langjährig etablierte Modulhersteller wie Solarwatt und Heckert Solar.

Silizium aus Deutschland

1Komma5° hat sich nach eigener Aussage Silizium von Wacker vertraglich gesichert. Wacker produziert polykristallines Silizum an seinen Standorten in Burghausen und in Nünchritz und an seinem Standort Charleston im US-Bundesstaat Tennessee. Laut deren Aussage liegt die Gesamtkapazität bei 80.000 Jahrestonnen Polysilizium, davon 60.000 Jahrestonnen in Deutschland. Dieses Silizium kann allerdings sowohl für die Solarindustrie als auch für Halbleiteranwendungen zum Einsatz kommen. Wie sich dies verteilt, möchte Wacker nicht veröffentlichen. Jedoch richtet der Siliziumhersteller seine Kapazitätserweiterungen etwa in Burghausen auf Halbleiter-Polysilizium aus.

„Das Beispiel zeigt: Kapazitätserweiterungen in Deutschland sind grundsätzlich machbar, wenn sich ein für uns wirtschaftlicher Business Case darstellen lässt”, sagt Tobias Brandis, President vom Geschäftsbereich Wacker Polysilicon: „Im Bereich Solar-Poly ist dies momentan allerdings nicht zu erkennen. In Europa existieren derzeit so gut wie keine Hersteller für Ingots, Wafer oder Zellen.” Wacker fehlen in Europa also die Abnehmer. Gleichzeitig, so Brandis, würden in Asien in großem Umfang Kapazitäten auch für die Herstellung von solartauglichem Polysilizium aufgebaut. „Erschwerend kommt hinzu, dass die Wettbewerbsbedingungen im Ausland deutlich besser sind als in der EU. Das macht es der Solarindustrie in Europa und auch uns deutlich schwerer, im internationalen Wettbewerb zu bestehen”, beschreibt Brandis die Situation. Er fordert deutliche Anreize und bessere Rahmenbedingungen, um eine Solar­industrie in Europa aufbauen zu können, „die aus sich heraus wettbewerbsfähig ist”.

Wichtige Voraussetzungen wären dafür nach Aussage von Brandis neben Büro­kratie­abbau und schnelleren Genehmigungsverfahren eine umfangreiche Förderung bei den Investitionsausgaben und Betriebskosten. Aus Sicht von Wacker sind vor allem die im Vergleich mit den USA und China sehr hohen Strom­kosten problematisch. Die Einführung eines zeitlich begrenzten Brückenstrompreises sei daher „sowohl für den Fortbestand der bestehenden Polysiliziumproduktion als auch für den möglichen Aufbau zusätzlicher Kapazitäten ein wichtiger erster Schritt”.

20.10.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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