Mieterstrom light aus dem Solarpaket

Das Dach eines Mehrparteienhauses, bedeckt mit Photovoltaikmodulen. Ein mögliches Beispiel für ein Mieterstrom-ProjektFoto: finecki / stock.adobe.com
Gebäude wie dieses könnten künftig häufiger die Photovoltaik im Rahmen des neuen Mieterstroms nutzen.
Mit dem neuen Prinzip der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ will die Bundesregierung die Dächer von Mehrparteiengebäuden für Mieterstrom mit Photovoltaik erschließen. Das Potenzial ist riesig. Ob und wie schnell es aktiviert werden kann, hängt auch davon ab, wie praxisgerecht die Gesetzesnovelle ausfällt.

Das sogenannte „Solarpaket“ der Ampelkoalition ist im Bundestag angekommen. Er wird die zahlreichen geplanten Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sowie am Ener­­giewirt­schafts­gesetz (EnWG) und an anderen energiewirtschaftlichen Vorschriften am heutigen Donnerstag in erster Lesung in die Ausschüsse verweisen. Dazu zählt auch der neue Mieterstrom in Form der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Dass hier das „Strucksche Gesetz“ Anwendung finden wird, wonach kein Gesetzentwurf den Bundestag so verlässt, wie er von der Re­gie­rung eingebracht worden ist, dürfte sich hier einmal mehr bestätigen. Auch am neuen § 42b EnWG, der die „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ als neuen Rechtsbegriff in Deutschland einführen soll, werden die Fachpolitiker:innen wohl noch einige Stellschrauben drehen wollen.

Dabei findet die grundsätzliche Absicht der Bundesregierung, einen neuen Anlauf beim Thema Mieterstrom zu nehmen, weithin Anklang in der Branche – und wohl auch in der Politik. Der Gesetzentwurf beschreibt im offiziellen Begründungsteil, worum es bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung geht: „Ziel dieses neuen Modells ist es, dass Strom aus solarer Strahlungsenergie ohne großen Bürokratieaufwand von Vermieterinnen und Vermietern oder einem Dritten für die Mietparteien innerhalb eines Gebäudes bereitgestellt werden kann. Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung kann gleichermaßen von Gemeinschaften der Wohnungseigentümer, Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümern sowie Miteigentümern und Miteigentümerinnen gewerblich genutzter Gebäude genutzt werden.“

Kein Vollversorgungsanspruch bei der neuen Art von Mieterstrom

Die wesentliche Neuerung, mit der sich die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung vom bisherigen Mieterstrommodell nach EEG und EnWG unterscheiden soll: Wer in einem Mehrparteienhaus Strom vom Dach an die Haushalte darunter verteilt oder verkauft, muss – anders als beim bisherigen Mieterstrommodell – nicht die Vollversorgung übernehmen. Für den Reststrom, der nicht zeitgleich mit dem Verbrauch von der PV-Anlage geliefert werden kann, bleibt jeder Haushalt bei seinem klassischen Stromversorger, den er frei wählen kann.

Der oder die Betreiber:in der PV-Anlage muss deshalb nicht sämtliche komplizierten Pflichten eines Stromversorgers erfüllen, sondern liefert lediglich nach einem näher zu bestimmenden Verteilungsschlüssel den Solarstrom, sobald die Sonne scheint und soweit zeitgleich entsprechend viel Strom im Haus verbraucht wird.

Viertelstundenmessung der Ströme beim Mieterstrom

Sichergestellt wird dies über viertelstündliche Messungen für Verbrauch und Erzeugung, die bei den Teilnehmer:innen einer Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung jeweils einen digitalen Zähler – moderne Messeinrichtung genannt ­– erfor­dern. Hinzu kommt lediglich ein Smartmeter für das Gesamtgebäude. Der Messaufwand soll also nicht höher sein als bei jedem anderen Hausanschluss für mehrere Parteien, hinter dem sich eine Photovoltaikanlage über 7 Kilowatt, eine Wärmepumpe oder eine Wallbox befindet. Denn solche Gebäude werden im Zuge des neu aufgelegten Smartmeter-Rollouts sowieso verpflichtend mit intelligenten Messsystemen ausgestattet.

Neu ist allerdings, und dafür versucht vor allem der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) die Politiker:innen zu sensibilisieren, dass bei einer Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung erstmals zwei verschiedene Stromlieferanten über einen Stromzähler mit dem Kunden abrechnen sollen. Außerdem könnten in einem Gebäude durchaus verschiedene Messtellenbetreiber vertreten sein, die eine viertelstundengenaue digitalisierte Abstimmung zwischen den verschiedenen Stromlieferanten zu gewährleisten hätten. Das sei zwar technisch möglich, heißt es auf Anfrage aus dem BDEW, allerdings wisse wohl noch niemand, wie das genau funktionieren soll.

Marktkommunikation fehlt noch

Das Stichwort dazu heißt „Marktkommunikation“ zwischen Messtellenbetreibern, Netzbetreibern und Stromlieferanten: Wer wann wem wie und in welchem digitalen Format bei einer Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung welche Informationen zu übermitteln hat, darüber gibt es noch keinerlei Festlegung. Es geht nicht nur um die viertelstündlichen Messungen von Erzeugung und Verbrauch, sondern auch um so profane Dinge wie Mieter- oder Lieferantenwechsel, einen möglichen Ausfall von Messsystemen oder PV-Anlage, vor allem aber über den laut Gesetzentwurf mehr oder weniger frei wählbaren Verteilungsschlüssel für den Solarstrom.

Solche Dinge legt üblicherweise die Bundesnetzagentur (BNetzA) nach Beratungen mit den Vertretern der professionellen Marktakteure fest. Bislang gibt es dafür im Gesetz allerdings keine Leitlinien. Der BDEW schlägt in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf vor, der BNetzA dafür im Gesetz eine Verordnungsermächtigung zu erteilen. Und man müsse wohl etwas „Erwartungsmanagement“ betreiben, was den Zeithorizont betreffe, heißt es aus der juristischen Abteilung des Verbandes. Denn dass unmittelbar nach dem 1. Januar 2024, wenn das Gesetz zum Solarpaket in Kraft treten soll, die ersten Gemeinschaftlichen Gebaüdeversorgungen in Betrieb gehen könnten, sei unrealistisch.

Klärungsbedarf beim neuen Mieterstrom

Auch Thomas Seltmann, PV-Fachreferent des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW), anerkennt, dass die Versorger, Netz- und Messstellenbetreiber sowie die ­BNetzA noch einiges zu klären hätten, sobald der Bundestag grünes Licht für die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung und damit auch den neuen Mieterstrom geben werde. Doch der Aufwand werde sich lohnen. Seltmann verspricht sich von der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung eine Entfesselung der Solarstromerzeugung auf Mehrparteiengebäuden.

Das So­lar­potenzial dieser Gebäude in Deutschland sei etwa halb so hoch wie das der Einfamilienhäuser. Allein im Bereich zwischen zwei und zwölf Wohneinheiten gehe um mehr als 6 Millionen Gebäude. Die noch fehlenden Festlegungen für die Marktkommunikation und den Einführungsprozess in den demnächst mit der Gemeinschaftlichen Gebäude­versor­gung konfrontierten Unternehmen sieht Seltmann nur als vorübergehende Herausforderung: „Dieses neue Modell zu implementieren bedeutet natürlich erstmal etwas Aufwand, aber der ist einmalig und nicht dauerhaft.“

Wie der BDEW fände es auch Seltmann hilfreich, wenn die BNetzA vom Gesetzgeber befugt würde, zunächst eine stark begrenzte Auswahl von möglichen Verteilungsschlüsseln für den Solarstrom vom Dach festzulegen. Denn die jeweils auf die verschiedenen Haushalte beziehungsweise gewerblichen Mieter entfallenden Strommengen für ihren Mieterstrom müssen diesen ja im Austausch mit deren Reststrom-Lieferanten in einem digitalisierten Prozess zugeordnet werden. Hier sind die Messtellenbetreiber gefragt.

Welche Verteilung in der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung?

Bislang sieht der Gesetzentwurf allerdings vor, dass in einem Gebäudestromnutzungsvertrag, den alle oder auch nur einzelne Haushalte mit dem PV-Anlagenbetreiber abschließen können, ein beliebiger Verteilungsschlüssel vereinbart werden kann. Dieser kann statisch oder dynamisch sein. Ein statischer Schlüssel könnte sich beispielsweise an der Personenzahl oder der Grundfläche der Wohnungen oder am Gesamtstromverbrauch orientieren. Ein dynamischer Schlüssel würde ermöglichen, dass derjenige, der nach verfügbarem Solarangebot seinen Verbrauch optimiert, einen günstigeren oder größeren Anteil des Stroms vom Dach erhalten könnte als jemand, der hauptsächlich früh morgens und abends Strom verbraucht.

Hier allerdings setzt auch ein Kritikpunkt mehrerer Verbände, unter anderem des BSW und des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (BNE), an. Bislang sind Stromspeicher, die eine Verschiebung des Solarangebots ermöglichen würden, nicht als Teil der Gemeinschaftlichen Stromversorgung im Gesetzentwurf vorgesehen.

23.10.2023 | Autor: Guido Bröer
© Solarthemen Media GmbH

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