Industriestrategie mit Erneuerbaren und Industriestrompreis

Industrie-Silhouette mit Windkraftanlagen im AbendlichtFoto: alpegor / stock.adobe.com
Wichtiger Teil der Industriestrategie sind erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie.
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat seine Industriestrategie vorgelegt, mit der er den Wirtschaftsstandort Deutschland retten möchte. Am kommenden Dienstag will er sie auf der Industriekonferenz der Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) diskutieren. Doch bislang steht die Regierung nicht geschlossen hinter ihm.

„Für mich ist klar“, sagt Robert Habeck: „Unser Wohlstand und die gesellschaftliche Wohlstandsteilhabe sind aufs Engste mit industrieller Produktion verknüpft. Die Bedeutung der Industrie geht deshalb weit über das Ökonomische hinaus. Sie trägt entscheidend bei zum sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft und auch zu ihrer demokratischen Stabilität.“ Daher legt der Minister nun eine Industriestrategie vor. Er erklärt nicht, dass die Industrie gefährdet sei. Lieber spricht er von „großen Herausforderungen“, denen die Industrie gegenüberstehe. Über eine lange Zeit hätten sich deren Standortbedingungen verschlechtert, weil notwendige Reformen und Investitionen ausgeblieben seien, so Habeck: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde vernachlässigt, die Infrastruktur nicht erneuert, gefährliche Abhängigkeiten wurden zementiert oder sogar neu geschaffen, die Bürokratie ist ausgeufert, der Fachkräftemangel wurde nicht entschieden angegangen.“

Wesentlich für Industriestrategie: Energie und Rohstoffe

Wesentliche Aspekte der vorgelegten Industriestrategie sind Energie und Rohstoffe. Aus Sicht des BMWK sind die Energiepreise ein zentraler Produktionsfaktor, gerade für die Industrie. Sie verbrauchte nach Aussage des Ministerium im Jahr 2021 in Deutschland rund 43 Prozent des gesamten elektrischen Stroms. Dessen Preis sei infolge der Abhängigkeit Deutschlands von Energieimporten stark gestiegen. Aus Sicht von Habeck ist die Energiewende daher auch ein wichtiger Teil der Industriestrategie. „In Zukunft wird die Industrie auf Basis von erneuerbaren Energien versorgt werden, vor allem durch erneuerbaren Strom, Wasserstoff sowie klimaneutrale Kohlenwasserstoffe“, heißt es dazu im Strategiepapier: „Erneuerbare Energien sind nicht nur die richtige Antwort auf die Klimakrise, sie stärken auch nachhaltig Preisstabilität und Versorgungssicherheit für die Industrie.“

Erneuerbare Energien als wichtiger Faktor

Sonnen- und Windstrom- und dieser mehr und mehr in Kombination mit Wasserstoff sollen stabile und günstige Strompreise bringen. Als wesentliche Voraussetzung nennt die Industriestrategie Habecks dabei den Ausbau der Energieinfrastruktur und verweist hier insbesondere auf den beschleunigten Ausbau des Stromnetzes. Der Minister erwartet aber nicht, dass die Entlastung durch erneuerbare Energien schon bald greift. Zwar habe es die Bundesregierung Unternehmen erheblich erleichtert, „selbst zu handeln, um sich kostengünstig mit Strom zu versorgen“. Selbsterzeugter grüner Strom sei seit diesem Jahr von allen Abgaben befreit, wenn er in den eigenen Betriebsstätten erzeugt und verwendet wird. Dies könne gerade für den Mittelstand eine praktikable Lösung sein, den Bezugspreis deutlich reduzieren. Doch dies gelte nicht für die energieintensive Industrie im internationalen Wettbewerb. „Sie hat deutlich höhere Kostensteigerungen zu verkraften, profitiert kaum von der Abschaffung der EEG-Umlage und kann die erhöhten Stromkosten wegen der hohen Wettbewerbsintensität besonders schlecht weitergeben“, erklärt das Strategiepapier.

Umstrittener Industriestrompreis

Dies ist ein Kernargument Habecks für den Industriestrompreis. Er bezeichnet ihn auch als Brückenstrom- oder Transformationsstrompreis. Denn er geht davon aus, dass künftig die Preise auch dank der erneuerbaren Energien sinken, bis dahin aber die Industrie Unterstützung benötigt. Und dieser soll in Form eines für die Industrie gedeckelten Strompreises erfolgen. Dieser Vorschlag erntet aber auch Kritik, insbesondere von der FDP und Verbänden, die die mittelständische Wirtschaft vertreten. Sie befürchten eine innerdeutsche Wettbewerbsverzerrung. Den Gegensatz zwischen Industrie und Mittelstand hält Habeck aber für konstruiert, wie der gegenüber der Presse betonte. Denn auch die mittelständische Produktion solle eingeschlossen sein. Und gegen einen weiteren Kritikpunkt, dass man dies dem Markt überlassen solle, wendet der Minister ein, man dürfe die besondere Bedeutung der „Zeitenwende“ nicht verkennen. „Es geht darum, dass hier produziert wird“, sagt Habeck. „Um für die Übergangszeit bis zu sinkenden Preisen durch den fortschreitenden Ausbau der Erneuerbaren die industrielle Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und insbesondere die Grundstoffindustrien intakt zu erhalten, ist der vom BMWK vorgeschlagene Brückenstrompreis das entscheidende Instrument.“

Angesichts von geopolitischen und volkswirtschaftlichen Risiken ist das BMWK zu der Einschätzung gelangt, „dass in bestimmten Bereichen eigene Produktionskapazitäten unerlässlich sind“. Hier nennt es „natürlich zuallererst“ die Rüstungsindustrie. Die Notwendigkeit für eigene Produktionskapazitäten gelte aber auch für Halbleiter und für zentrale Technologien für die Energiewende und die Dekarbonisierung. Auf lange Sicht könne Deutschland ein führender Standort für diese Industrien auf der richtigen Bedingungen sein. Doch seien dafür im weltweiten Wettbewerb mit anderen Regionen auch Subventionen und Bürgschaften erforderlich. Daher will Habeck mit großem finanziellem Volumen die Ansiedlung von Produktionskapazitäten fördern. Und in diesem Zusammenhang gelte es auch, die eigene Rohstoffbasis zu verbessern.

Neue Produktionskapazitäten für Photovoltaik und Windkraft

Die Industriestrategie nimmt auch die erneuerbaren Energien in den Fokus. Es sei „ein beispielloser Ausbau der erneuerbaren Energien erforderlich“. Habeck sieht aber bei den dafür benötigten Anlagen ein hohes Maß an Abhängigkeit vom außereuropäischen Ausland. „So werden etwa Zellen für Solarmodule weit überwiegend in China produziert, von dort stammen auch ca. 60 Prozent der weltweit produzierten Windturbinen“, bilanziert die Industriestrategie. Daher gehe es zum einen um eine Diversifizierung der Wertschöpfungsketten. Zum anderen sei der Aufbau von Produktionsstätten in Deutschland und in der Europäischen Union im Bereich der Transformationstechnologien notwendig. „Daher unterstützen wir den Hochlauf der deutschen und europäischen Produktion der Transformationstechnologien“, so das BMWK. Dazu zählt es insbesondere Photovoltaik, Wind, Batterien, Netzkomponenten, Elektrolyseure, Großwärmepumpen und auch CCU/CCS. Dies stehe auch im Einklang mit den Zielen des von der EU-Kommission vorgeschlagenen Net-Zero Industry Act, der bald verabschiedet werden sollte. Und erste Initiativen zum Aufbau der Produktion seien von deutscher Seite auch bereits gestartet worden.

Konsens scheint die Industriestrategie im Bundeskabinett aber noch nicht zu sein, wie Habeck gegenüber der Presse einräumte. Er sieht dies als noch offene Debatte: „Es gibt noch keine Einigung.“ Ein Meilenstein sei dabei die Industriekonferenz des BMWK am 31. Oktober. Hier will Habeck die Strategie mit der Industrie, mit Verbänden und Gewerkschaften sowie mit Vertretern aus der Politik diskutieren. Für ihn weist die in seinem Haus erarbeitete Industriestrategie dabei auch über eine einzelne konkrete Fördermaßnahme und auch die Legislaturperiode hinaus.

28.10.2023 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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