Bürgerenergiegesetz NRW findet geteiltes Echo
Von der Anhörung zum Bürgerenergiegesetz am 31. Oktober im Düsseldorfer Landtag hatten sich die schwarz-grünen Koalitionäre wohl etwas mehr Rückenwind erhofft. Soll doch dieses Gesetz ganz wesentlich für die nötige Akzeptanz sorgen, um die ambitionierten Ausbaupläne der schwarz-grünen Koalition für die Windenergienutzung zwischen Rhein und Weser möglichst flott in die Tat umzusetzen. Doch der Beifall aus der Branche hält sich in Grenzen.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW), in dem einige große Projektierungsunternehmen das Sagen haben, gibt den Abgeordneten in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf unverblümt zu verstehen: „Aus unserer Sicht wäre eine gesetzliche Regelung des Sachverhalts auf Landesebene nicht notwendig gewesen, da die Branche bereits vielfältige Bürgerbeteiligungsmodelle praktiziert.“
Freiwillige oder verpflichtende Bürgerbeteiligung
Das stimmt zweifellos für viele neue Windparks und etliche der in NRW verwurzelten Projektierer. Allerdings ist es nicht durchgängig der Fall. Nicht einmal die bundesweite Option nach § 6 EEG, wird von allen Projektierern genutzt. Diese Regelung ermöglicht seit Jahren eine freiwillige und für EEG-geförderte Anlagen risikolose, weil umlage-finanzierte, Zahlung von 0,2 Cent je erzeugter Kilowattstunde an die Standortkommunen. Der Städtetag NRW und der dortige Städte und Gemeindebund monieren in ihrer gemeinsamen Stellungnahme: „Die Praxis zeigt leider, dass zahlreiche Projektierer den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung meiden.“
Deshalb versucht die Landesregierung hier mit dem neuen Gesetz ein verpflichtendes Mindestmaß an Bürger- und/oder Kommunalbeteiligung vorzugeben. Kommunen und Windprojektierer sollen dabei weitgehende Freiheiten bei der Wahl eines passenden Beteiligungsmodells genießen. Dazu listet der Gesetzentwurf verschiedene Möglichkeiten auf:
- eine Beteiligung an der Projektgesellschaft in Höhe von beispielsweise 20 Prozent der Gesellschaftsanteile,
- das Angebot über den Kauf einer oder mehrerer Windenergieanlagen,
- eine finanzielle Beteiligung der Bürger:innen in Form von Geldanlageprodukten in Höhe von beispielsweise 20 Prozent der Investitionssumme,
- vergünstigte lokale Stromtarife und Sparprodukte,
- pauschale Zahlungen an einen definierten Kreis von Anwohner:innen oder
- die Finanzierung einer gemeinnützigen Stiftung.
Ersatzbeteiligung
Wenn allerdings keine Einigung zwischen Kommune und Windparkfirma zustande kommt, soll eine sogenannte „Ersatzbeteiligung“ nach § 8 BürgEnG-Entwurf greifen. Das heißt: Es wird erstens eine Zahlung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde an die Gemeinde für 20 Jahre fällig. Und zweitens müssten Projektierer den Bürger:innen im Umkreis der Anlagen Nachrangdarlehen in Höhe von 20 Prozent der Investitionssumme anbieten. Diese Pflichten würden auch dann greifen, wenn Anlagen nicht über das EEG refinanziert würden, sondern beispielsweise über privatwirtschaftliche Stromlieferverträge (PPA) mit Energieversorgern oder großen Industriebetrieben.
Das genau möchte der Branchenverband LEE NRW geändert wissen. PPA-Anlagen, bei denen die 0,2 Cent nicht über die EEG-Umlage aus dem Steuersäckel des Bundes erstattet würden, sollten von der „Ersatzbeteiligung“ nach § 8 BürgEnG NRW ausgenommen werden.
Auch sorgt man sich in dem Verband offenbar, dass Kommunen darauf spekulieren könnten, automatisch in die Ersatzvergütung zu rutschen, falls sie die vorherigen Verhandlungen mit dem Projektierer nicht mit dem nötigen Ernst betreiben. Deshalb sei vom Gesetzgeber noch klarer zu machen, dass die freiwillige Einigung als Regelfall anzunehmen sei.
Fokus auf „aktive“ Bürgerbeteiligung fehlt
Grundsätzlich zustimmend zeigt sich der unter anderem für 110 Energiegenossenschaften in NRW sprechende regionale Genossenschaftsverband über die schwarz-grünen Gesetzespläne. Er bemängelt allerdings, dass der vorgesehene Gesetzentwurf lediglich auf eine passive finanzielle Beteiligung der Bürger:innen und Kommunen zielt. Mittels einer aktiven gesellschaftsrechtlichen Einbindung, wie sie etwa in Energiegenossenschaften Prinzip ist, lasse sich das Gesetzesziel aber effektiver erreichen, schreibt der Verband in seiner Stellungnahme: „Hier ist es aus unserer Sicht wichtig, dass der Gesetzgeber die aktive Bürgerbeteiligung in den Vordergrund stellt.“
Außerdem kritisiert der Genossenschaftsverband, dass das Bürgerenergiegesetz in NRW lediglich die Windkraft adressieren soll. Die Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV-FFA) stünden vor einer ähnlichen Problematik der mangelnden Akzeptanz und Teilhabe in der Bevölkerung. Der Verband fordert: „Es muss auch für PV-FFA größer 1 MW eine Beteiligungspflicht geben.“ Zudem macht sich der Genossenschaftsverband dafür stark, dass örtlich aktive Bürgerenergieakteure – wo vorhanden – in die Verhandlungen zwischen der Kommune und dem Vorhabenträger einbezogen werden.
Bürgerbeteiligung besser auf Bundes- statt auf Landesebene regeln
Gänzlich ablehnend gegen verpflichtende Beteiligungsmodelle auf Landesebene äußern sich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sowie einige bundesweit aktive Projektierer wie Juwi und WPD. Paragraph 6 EEG mit seiner freiwilligen Beteiligungsmöglichkeit wird von dieser Seite als ausreichendes Instrument beschrieben. Der BDEW macht darauf aufmerksam, dass zurzeit Robert Habecks Bundeswirtschaftsministerium ein Rechtgutachten erarbeiten lasse. Dieses überprüft, ob man die Abgabe an die Kommunen bundesweit zur Pflicht machen könnte. Dieses Gutachten sei abzuwarten, fordert der BDEW, bevor man Landesgesetze erlasse, die später vielleicht obsolet würden. Das zielt auch auf die Landesregierungen in Niedersachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Dort sind ähnlich wie in NRW Gesetze für verpflichtende Bürger- beziehungsweise Kommunalbeteiligungen auf den Weg gebracht worden bzw. gibt es sie in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bereits.
Die gemeinsame Stellungnahme von Städtebund NRW und Städte- und Gemeindebund NRW beleuchtet das Thema aus dem Blickwinkel der Kommunen. Beide Spitzenverbände fordern, dass sich die Zahlungen an Kommunen über die gesamte Lebensdauer der Anlagen erstrecken sollten und nicht nur auf 20 Jahre. Sollten direkte Beteiligungsangebote für Anwohner:innen nicht vollständig gezeichnet werden, was die Verbände speziell in strukturschwachen Gebieten erwarten, so sollten Kommunen diese Anteile übernehmen können. Außerdem möchten die kommunalen Spitzenverbände erreichen, dass die von den Kommunen aus Windparks eingenommenen Gelder nicht auf den kommunalen Finanzausgleich angerechnet werden. Eine solche Ausnahmeregel gilt bereits in den bestehenden Gesetzen zur Bürgerbeteiligung in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Eine entsprechende Aussage im NRW-Entwurf fehlt noch.
Die Entscheidungsfindung zum BürgEnG in NRW wird in zahlreichen anderen Bundesländern aufmerksam verfolgt. Ein Überblick über die Gesetzesinitiativen zur Einführung bzw. Fortschreibung von Bürgerbeteiligungsgesetzen in verschiedenen Bundesländern ist kürzlich in der Zeitschrift Energiekommune erschienen.
4.11.2023 | Autor: Guido Bröer
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