EE-Wärmenetze können auch in kleinen Kommunen sinnvoll sein

Wärmenetzrohre in BreitenholzFoto: Guido Bröer
Die erneuerbare Wärmeversorgung hat in Baden-Württemberg mit der kommunalen Wärmeplanung an Fahrt aufgenommen. Ein wichtiges Element der Wärmewende im Südwesten sind aus erneuerbaren Energien gespeiste Wärmenetze. Sie können entgegen landläufiger Meinung auch in kleineren Kommunen sinnvoll sein. Darauf weist die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) hin.

Zwei Vorzeigeprojekte sind in den Landkreisen Tübingen und Tuttlingen im Betrieb: In Ammerbuch-Breitenholz wird ein seit vier Monaten in Betrieb befindliches Wärmenetz neben Wärme aus der Verfeuerung von Holzhackschnitzeln künftig auch solare Wärme nutzen. Die Gemeinde Aldingen setzt bereits seit 2012 auf ein erneuerbares Wärmenetz. Damit die Anzahl solcher Projekte in Zukunft weiter wachsen wird, sollten Bund und Land alle Hemmnisse beseitigen, die einem schnellen Ausbau entgegenstehen, fordert Jürgen Scheurer, Geschäftsführer der PEE BW. Ein aktuelles Beispiel für ein Hemmnis ist die unsichere finanzielle Bundesförderung. Das Land müsse sich zudem mehr anstrengen, den Aufbau tragfähiger Strukturen im ländlichen Raum zu unterstützen.

In Baden-Württemberg sind die 104 größten Städte verpflichtet, bis zum Ende des Jahres eine entsprechende Wärmeplanung vorzulegen. Kleine und mittlere Städte und Gemeinden denken ebenfalls über die künftige Wärmeversorgung nach. Neben erneuerbaren Einzelheizungen wie Wärmepumpen oder Pelletheizungen werden grüne Wärmenetze künftig einen wichtigen Beitrag zur klimafreundlichen Wärmeversorgung leisten. Sie sind umso wirtschaftlicher, je größer die Anzahl der angeschlossenen Haushalte und je kürzer die erforderlichen Leitungen sind. Dicht besiedelte Gebiete, etwa Städte mit Mehrfamilienhäusern, sind hier prädestiniert.

Landkreis Tübingen: Ammerbuch-Breitenholz

Aber auch im ländlichen Raum – wenn die Siedlungsdichte einen wirtschaftlichen Betrieb zulässt – kann sich die leitungsgebundene Wärmeversorgung lohnen. Hier trägt oft Bioenergie einen relevanten Beitrag zur Wärmeerzeugung bei. Beispiel Ammerbuch-Breitenholz: Das Dorf mit seinen rund 750 Einwohnerinnen und Einwohnern hat sich auf den Weg gemacht, die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen und ein Bioenergiedorf zu werden. Betrieben wird das Wärmenetz vor Ort durch die Bioenergie Breitenholz eG & Co. KG. Initiator und Projektentwickler ist die Bürger-Energie Tübingen eG. Das Wärmenetz mit rund 4.000 Meter Länge ist seit Juli 2023 in Betrieb.

Die Wärme wird zu 65 Prozent mit Holzhackschnitzeln erzeugt. 35 Prozent der Wärme stammen aus einem rund 2000 Quadratmeter großen Sonnenkollektorfeld. Das Kollektorfeld befindet sich derzeit im Bau. Für die Speicherung der Solarwärme entsteht ein 1.000 Kubikmeter fassender Pufferspeicher. Zum Vergleich: Eine der bislang größten Solarthermieanlagen in Deutschland mit einer Kollektorfläche von 14.800 Quadratmetern steht in Ludwigsburg.

Landkreis Tuttlingen: Aldingen

Aldingen mit seinen rund 7.500 Einwohnerinnen und Einwohnern ist einer der Vorreiter der Versorgung mit klimafreundlicher Wärme über ein Wärmenetz und damit ein Vorbild für ländliche Regionen. Die Kommune zeigt seit 2012, dass auch die hier eine Umsetzung möglich ist. Das Wärmenetz wurde über die Jahre schrittweise vergrößert. Drei Biomethan-Blockheizkraftwerke liefern die Grundversorgung. Spitzenlasten deckt derzeit ein Holzhackschnitzelkessel ab. Künftig sollen noch mehr Gebäude und ein Teilort an das Wärmenetz angeschlossen werden.

Damit solche Beispiele Schule machen, müssen Bund und Land alle Hemmnisse für einen schnellen Bau von kommunalen und regionalen Wärmenetzen beseitigen. Dies gilt vor allem für die finanzielle Förderung, die nach dem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Frage steht. Betroffen ist unter anderem die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW). „Der drohende Förderstopp wäre ein Rückschlag für die Wärmewende im Südwesten.“, sagt Jürgen Scheurer. „Gerade in der aktuellen Phase mit über 1.200 vorliegenden Anträgen bundesweit sind stabile Förderkonditionen für die Kommunen und Unternehmen nötig. Aus Baden-Württemberg alleine betrifft das schon jetzt 188 Kommunen.“

Aufbau tragfähiger Strukturen im ländlichen Raum erforderlich

Auch das Land sollte sich mehr engagieren. Der Grund: Kleine Wärmenetze im ländlichen Raum sind wirtschaftlich oft nicht zu betreiben. Hilfe von Stadtwerken ist hier nicht zu erwarten, sie sind vollends ausgelastet, in den größeren Kommunen Wärmenetze aus- und aufzubauen. Die Kommunen auf dem Land müssen daher kooperieren. Möglich ist etwa die Bildung von regionalen Verbünden wie Genossenschaften, Zweckverbände oder GmbHs.

Hier solle das Land ansetzen, sagt Jürgen Scheurer: „Damit tragfähige Strukturen im ländlichen Raum entstehen können, braucht es eine finanzielle Unterstützung des Landes, eine Begleitung durch die Landesenergieagentur KEA-BW sowie Beratung durch die regionalen Energieagenturen vor Ort.“ Bei der Abrechnung oder dem technischem Betrieb könnten Stadtwerke und Kommunen wichtige Unterstützung leisten.

Auch braucht es eine schlagkräftige Branche, um den Wärmenetzausbau zu stemmen. Aktuell gibt bei Entwicklung, Planung, Bau, Ausbau und Betrieb von Wärmenetzen zu wenige Unternehmen – auch wegen des Mangels an Fachkräften. Eine wichtige Aufgabe aller Akteure im Land sei es daher, in die Aus- und Weiterbildung zu investieren. Um hier voranzukommen, schlägt die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg die Etablierung einer Akademie für Wärmewende vor. „So könnten wir den wachsenden Bedarf an Fachleuten besser decken“, so Scheurer.

22.11.2023 | Quelle: Plattform Erneuerbare Energie B-W
© Solarthemen Media GmbH

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