Bedeutung von PPA nimmt in Europa zu

Fotomontage: Strommast vor Himmel mit EuroscheinenFoto: marcus_hofmann / stock.adobe.com
Der Markt für Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) ist in Bewegung. Mehr Akteure sind aktiv. Vor allem wächst das Interesse an Strom aus neuen Anlagen. Für Betreiber von EE-Anlagen birgt dies Verkaufs­chan­cen. Doch PPA sind auch sehr komplex. Und zudem sorgen regulatorische Fragen für Unsicherheit.

Die Deutsche Energieagentur (Dena) sehe einen Trend zum nachfragegetriebenen Ausbau von Erneuerbare-Energien-Anlagen, sagt Tibor Fischer, der bei der Dena das Arbeitsgebiet Erneuerbare Energien leitet. Zunehmend wichtig seien dabei PPA. Denn die Erneuerbaren würden zum Standortfaktor. Während sich die Diskussion um erneuerbare Energien noch vor ein paar Jahren um Kostenaspekte gedreht habe, sähen die Unternehmen jetzt zunehmend Chancen in ihnen. Dieses Umdenken sei auch auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zurückzuführen.

PPA schaffen Nachfrage für neue Anlagen

„Neu ist, dass Stromlieferverträge neue Erzeugungsanlagen finanzieren”, so Fischer. Hier wirke sich aus, dass gerade größere Unternehmen neuen Berichtspflichten unterliegen und dabei Nachhaltigkeitskriterien von Bedeutung sind. Und diese müssen die Unternehmen belegen können. „Die Unternehmen können nicht einfach sagen, sie seien grün”, betont Fischer. Ähnlich gehe es den Banken, die ebenfalls auf ökologische Aspekte achten müssen. „Deshalb wollen sie künftig keine Unternehmen finanzieren, die nicht nachhaltig sind”, erklärt Fischer. So wachse die Bedeutung von PPA, die einen konkreten Strombezug in Verbindung mit Herkunftsnachweisen beinhalten. Es reicht also nicht mehr aus, einen beliebigen Bezug von Strom mit davon physisch unabhängigen Zertifikaten für Grünstrom etwa aus Skandinavien zu verknüpfen.

2022: 26 GW PPA in Europa

Nach Aussage von Fischer ist der Markt für PPA in Europa auf 26 Gigawatt Leistung angewachsen. Der Anteil Deutschlands liege daran bei rund 9 Prozent. In anderen Ländern seien PPA etwas mehr im Trend, was an den unterschiedlichen regulatorischen Bedingungen liegt. In Deutschland lassen sich insbesondere Onshore-Windkraftanlagen über Ausschreibungen finanzieren. Daher kommen bei PPA vor allem bei Offshore-Windparks und großen Photovoltaikanlagen zum Einsatz.

Sylvia Baumheier, die beim Chemieunternehmen Covestro AG (bis 2015 Teil von BASF, auch für den Stromeinkauf verantwortlich ist, bestätigt die Aussagen von Fischer. Covestro komme an drei Standorten am Niederrhein auf einen Stromverbrauch von drei Terawattstunden. Davon kämen inzwischen 25 Prozent im Rahmen von PPA aus Erneuerbare-Energien-Anlagen in Nordrhein-Westfalen. Baumheier ist es dabei wichtig zu betonen, dass diese PPA den Ausbau anreizen.

Unternehmen wollen 100 Prozent regenerativ

„Und wir wollen bis 2035 ganz klar auf 100 Prozent EE-Strom kommen”, kündigt die Unternehmensvertreterin an. PPA seien aber kein einfaches Instrument, die Verträge komplex. Und das Risikoprofil sei auch für Covestro „anspruchsvoll”, da es in den Lieferverträgen meist um Zeiträume von 10 bis 15 Jahren gehe. Riskant sei der langfristige Fixpreis sowie die festgelegte Menge. Denn es sei kaum möglich, die Marktentwicklung über diesen Zeitraum zu prognostizieren.

Wesentlich sei für Covestro dabei nicht unbedingt eine lange Preissicherheit, sondern „dass der Strom nicht viel teurer ist als bei den Mitbewerbern”, sagt Baumheier. Schon kleine Schräubchen, die etwa im Rahmen der Marktregulierung von der Europäischen Union oder vom Bund gedreht würden, könnten dafür sorgen, dass die Wirtschaftlichkeit nicht mehr stimmt. „Und dann fahre ich mit meinem Vertrag voll vor die Wand.” Das Risiko eines PPA sei „total brutal”, bekräftigt Baumheier: „Das ist schade, denn eigentlich ist es das richtige Instrument, um erneuerbare Energien auszubauen.” Hilfreich wären mehr Diversifizierung und kürzere Vertragslaufzeiten.

Nachfrage nach PPA wächst

Folker Trepte, Partner bei PwC Deutschland, befasst sich regelmäßig mit PPA. Er sieht bei Stromverbrauchern eine sehr große Nachfrage, vor allem bei Unternehmen aus der Industrie. „Und die Nachfrage sehe ich eher steigend.“ Dabei unterschieden sich aber die Märkte von Land zu Land. So habe Spanien ein anderes Marktdesign als Deutschland, das mit dem EEG die Finanzierung von vielen Projekten ermögliche. Projektierer in Deutschland interessierten sich für PPA, wenn sie vom EEG nicht oder nicht ausreichend abgedeckt würden und mit einem PPA ihre Projekte über einen längeren Zeitraum absichern könnten.

Die Treiber für den PPA-Markt sind für Trepte auf der Nachfrageseite vor allem die deutlich gestiegenen Strompreise. Denen wollen Unternehmen eine diversifizierte Beschaffungsstrategie – auch mit PPA – entgegensetzen. Und die Unternehmen seien misstrauisch gegenüber Marktsignalen, die derzeit auf einen sinkenden Preis hindeuteten.

Klimaziele treiben PPA

Neben dem Preis gibt es nach Aussage von Trepte noch einen zweiten wichtigen Faktor, der die Nachfrage nach PPA antreibe. Das sind die CO2-Reduktionsziele, die sich Unternehmen setzen. Im Stromsektor sei es ihnen dabei zunehmend wichtig, den Stromeinkauf nicht allein mit grünen Zertifikaten zu unterlegen, sondern einen direkt physischen Bezug zu Strom aus erneuerbaren Energien herstellen zu können. Bestenfalls solle auf konkrete Anlagen hingewiesen werden können. Und mit einem PPA sei zudem zu untermauern, dass der Bezugsvertrag zum Aufbau neuer Erzeugungskapazitäten beigetragen habe. Für Unternehmen, die bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen wollen oder sollen, sei das sehr wichtig. In diesen Fällen seien daher zum Beispiel alte Windparks, die aus dem EEG herausfallen, nicht attraktiv.

Eine wesentliche Schwierigkeit bei einem PPA sei die Preisfindung zwischen Angebot und Nachfrage, sagt Trepte. Es gebe aber auch weitere Aspekte, die in einem Vertrag zu berücksichtigen seien. Dazu zählt die Frage, wer welche Risiken trägt, wie die der volatilen Erzeugung oder von negativen Preisen. Oder wie man mit Überschüssen aus einem Stromliefervertrag umgeht. PPA seien daher in der Regel als bilaterale Verträge sehr komplex. Trepte: „Es gibt eigentlich keine standardisierten PPA.“ Die Verhandlung eines PPA dauere daher meist zwischen drei und sechs Monaten.

PwC Deutschland berate Stromkunden und Lieferanten, berichtet Trepte. Aber bei einem Vertrag jeweils nur eine Seite. „In beiden Fällen können wir vom Beginn bis zum Schluss dabei sein“, erklärt der Energieexperte. Und zu Beginn gehe es in einem Unternehmen zunächst darum zu verstehen, was es will, welche Ziele es mit einem PPA verfolge. Diese Frage könne dann auch zu dem Ergebnis führen, dass im speziellen Fall eine PPA nicht das richtige Instrument ist, sondern eher der traditionelle Strombezug bei einem Energieversorgungsunternehmen, möglicherweise in Kombination mit Eigenerzeugung.

Transparenz durch Marktplätze

Online-Marktplätze sollen für mehr Transparenz auf dem PPA-Markt sorgen, vor allem beim Preis. Gleichzeitig bilden diese Marktplätze freilich ein eigenes Geschäftsmodell. So startete das US-amerikanische Unternehmen Levelten Energy im Jahr 2016 als Berater für PPA, verlegte sich aber schon Anfang 2018 mehr auf seinen Marktplatz für PPA. Das Unternehmen nimmt für sich in Anspruch, den weltgrößten Marktplatz für PPA zu bieten. Doch gemessen daran ist die Zahl der Transaktionen zumindest in Europa und gerade in Deutschland noch relativ gering. Im dritten Quartal 2023 flossen 186 Preisangebote von 145 Energieprojekten in 18 europäischen Ländern in den Preisindex ein, den Levelten erstellt. Der Anteil deutscher Projekte betrug hier 7,5 Prozent. Doch vor einem Jahr erreichte er sogar nur 3 Prozent.

Während in Spanien Betreiber die durchschnittliche Megawattstunde Solarstrom für etwa 46 Euro anboten, kostete sie laut dem Quartalsbericht von Levelten in Deutschland rund 81 Euro. Insgesamt gab es auf der Plattform knapp 30 Angebote für Wind- und Solarstrom in Deutschland.

Andrés Acosta von Levelten hält die Angebote für aussagefähig, denn sie seien real. Dabei nimmt Levelten in seinen Index nur die Angebote auf, die zu den günstigsten 25 Prozent zählen und eine Chance haben, einen Abnehmer zu finden. Ziel des Marktplatzes sei es, so Acosta, Daten und Angebote miteinander vergleichbar zu machen. Der Markt für PPA sei aber keine Commodity. So sei es wichtig, dass die Verkäufer, die auf dem Marktplatz agieren, wissen, was sie wollen. Und die Käufer benötigten erfahrene Teams oder Berater.

PPA nur bei guter Käufer-Bonität

Acosta weist darauf hin, dass es für deutsche Projektentwickler nicht so einfach sei, Kunden zu finden. Denn drei Partner müssen zusammenkommen. Neben dem Projektierer und dem Stromkäufer ist das die Bank, die das EE-Projekt finanziert. Für die ist angesichts der Risiken und der möglicherweise langen Laufzeiten auch die Bonität des Stromkäufers von großer Bedeutung. Insgesamt sieht aber auch Acosta den Markt im Aufwind.

Auch er sieht keine großen Chancen, standardisierte und typische PPA zu entwickeln. Den Weg versucht allerdings als deutsches Start-up die CF Flex Power GmbH. Ein Vehikel ist dafür das deutsche EEG. CEO Max Dieringer sagt, PPA müssten nicht zwangs­läufig außerhalb des EEG laufen. So seien auch kürzere Vertragslaufzeiten gut möglich. Dafür bietet Flex Power ebenfalls eine Handelsplattform an. Ziel ist es, einen mehr standardisierten Handel zu schaffen. Derzeit sind PPA aus Sicht von Dieringer nur ab bestimmten Mengen mach­bar. „Zum Beispiel ergibt ein PPA bei 100 Megawattstunden noch keinen Sinn.” Doch seien Kooperationen mit Stromversorgern möglich.

Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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