Udo Möhrstedt von IBC Solar: Die Photovoltaik ist unschlagbar
Solarthemen: Sie haben sich schon 1982 unternehmerisch mit Solartechnik befasst. War das damals nicht eine komplett verrückte Idee?
Udo Möhrstedt: Ja, damals bin ich selbst von Freunden für verrückt erklärt worden.
Solarthemen: Und warum haben Sie es dann getan? Was war Ihr Motiv?
Motivation für Start ins Solargeschäft
Möhrstedt: Ich bin vorher bei der Firma Varta im Batteriesektor tätig gewesen. Und die Vorgeschichte dazu ist diese: Zum Ende meines Studium war ich an einem Forschungsprojekt an der Uni Gießen beteiligt. Gefördert durch das Bundesforschungsministerium haben wir uns mit dem Thema „Stromerzeugung aus den Brennstoffabfällen von Kernkraftwerken” befasst. Dabei ging es um das Strontium 90 mit einer Halbwertszeit von 100 Jahren. Die Idee war, das Strontium aus dem Abfall herauszulösen, es in eine kompakte Abschirmung mit außen liegenden Thermorippen zu packen. Das hätte so ausgesehen wie diese Castor-Behälter. Die sollte man dann irgendwo hinstellen können, um 100 Jahre Strom zu erzeugen. Ich war davon überzeugt, dass man davon die Finger lassen sollte und habe davon abgeraten.
Das hat mich aber mit der Varta in Kontakt gebracht, weil das Unternehmen auch an der Studie beteiligt war. Das war gut, denn 1967 war ein schlechtes Jahr für Physiker. Und es gab sehr wenig interessante Arbeitsangebote. Die Varta suchte aber einen Nachfolger für den Leiter der Anwendungstechnik. Das habe ich dann angenommen und aus der Ein-Mann-Abteilung zwei Abteilungen mit rund 50 Beschäftigten aufgebaut. Es ging hier darum, die Produkte in der Anwendung zu testen und zu verbessern. So war es wichtig, den damaligen extremen Wasserverbrauch von Batterien zu reduzieren. Da habe ich ein paar Entwicklungen vorangebracht. Und dann habe ich meine Frau kennengelernt und bin zum Batteriehersteller Moll in Bad Staffelstein gewechselt. Sie ist die Tochter des Firmengründers.
Photovoltaik war sauteuer
Solarthemen: Und wie ist es zur eigenen Firma gekommen?
Möhrstedt: 1982 war es für mich gut, damit zu beginnen. So ganz hatte mich die Idee hinter dem Strontium-Projekt auch nicht losgelassen. Denn eine Batterie hilft Ihnen nur dann, wenn Sie sie nachladen können. Und das hat mich dann beschäftigt. Wobei wir auch bei der Varta Mitte der 70er-Jahre schon eine Phase der Elektromobilität hatten. Zum Beispiel haben wir zusammen mit Vespa 64 Ape-Fahrzeuge, die kleinen dreirädrigen, elektrifiziert. Und auch dabei war immer die Frage, wie man die Batterien wieder geladen bekommt. Und schon Mitte der 70er-Jahre konnte ich mit einem Siemens-Photovoltaikmodul etwas experimentieren. Das war sauteuer. Es hat an die 50 Mark je Watt gekostet. Doch damit konnten wir allererste Erfahrungen sammeln.
Und dann kamen noch der Club of Rome mit seinem Bericht zu den Grenzen des Wachstums und Herbert Gruhl mit seinem Buch „Ein Planet wird geplündert”. Wenn wir heute über den Klimawandel und die Erderwärmung reden, so war damals die Endlichkeit der Ressourcen und der fossilen Brennstoffe unser Thema. Für mich war das in Verbindung mit den ersten solaren Erfahrungen ein Impuls, die Menschheit von Solarenergie zu überzeugen.
Gründung von IBC
Solarthemen: O.k., also aus Forschungssicht war das bestimmt interessant. Aber was hat Sie dazu gebracht, daraus eine funktionierende Firma zu machen? Sie wussten ja, wie teuer die PV war.
Möhrstedt: IBC Solar hieß damals International Battery Consulting. Und in den ersten zwei Jahren habe ich vor allem für verschiedene Firmen, auch für die Varta, Projekte gemacht, auch in den USA und in Indien. So habe ich anfangs noch Geld nebenbei verdient. Aber es gab Leute, die haben die Solartechnik gekauft. Mein, ich glaube, erster Kunde – gar nicht so weit weg von hier, der hatte eine Jagdhütte ohne Strom. Und der hat dort gern etwas Strom haben wollen. Da habe ich gesagt: „Können wir machen. Kostet soundso viel.“ Da hat er nur geantwortet: „Ja.“ Also habe ich Anfang der 80er zusammen mit einem Ingenieur hier in der Straße – der wohnt da immer noch – einen Laderegler entwickelt. Das gab es da noch nicht von der Stange. Dann haben wir abgeschätzt, wie viele Häuser es in Deutschland ohne Stromanschluss gibt. Das waren damals so 2.000. Es war allerdings mühselig und schwierig, das PV-Geschäft richtig in Gang zu bringen.
Photovoltaiksymposium hilft beim Aufbau des PV-Marktes
Solarthemen: Was konnten Sie dem entgegensetzen?
Möhrstedt: Ich habe die Idee gehabt, ein Photovoltaiksymposium auf die Beine zu stellen. Inzwischen hatte ich mehrfach gezeigt, dass die Photovoltaik funktioniert. Und die Leute, die die Batterien in Verbíndung mit den PV-Modulen nutzten, waren happy. Aber wir mussten das auf eine breitere Basis stellen. So habe ich mit OTTI zusammen im April 1986 das erste PV-Symposium auf Kloster Banz gemacht. Da waren wir 72 Leute und davon waren 30 Referenten. Vier Tage später kam der atomare GAU in Tschernobyl. Und ab da hat man uns schon etwas mehr zugehört. Uns ist in Banz aber klar geworden, dass wir mit den Stand-alone-Anwendungen nicht weiterkommen.
Denn wir bekommen die Preise für die PV nicht runter, wenn wir nicht auf Masse kommen. Also wollten wir auch ran ans Stromnetz. Und wir haben dann ausgehend von Banz dafür gekämpft, mit der Photovoltaik ans Netz zu kommen. Wir haben dann dafür gekämpft und im Forschungsministerium Dr. Sandner für unsere Sache gewinnen können. 1990 hat dann der Bundestag das Stromeinspeisungsgesetz beschlossen. Bis dahin haben PV-Anlagen noch nicht einmal ins Netz einspeisen können. Das war verboten. Und 1990 kam auch das 1.000-Dächer-Programm zur Förderung von kleinen netzgekoppelten PV-Anlagen von 1 bis 5 kW.
Solarthemen: Aus den ersten Anfängen von IBC haben Sie ein großes Unternehmen gemacht. IBC Solar hat die Aufs und Abs der vergangenen Jahrzehnte gut überstanden. Wie schwer fällt es Ihnen jetzt, von Ihrer aktiven Geschäftsführung in den Aufsichtsrat zu wechseln?
Möhrstedt: Bisher fällt es mir noch gar nicht schwer. Mal sehen. Ich kann aber auch mein Zimmer hier in der Firma und meine Telefonnummer behalten. Allerdings werde ich das Ganze mit einem gewissen Abstand betrachten und mir natürlich weiterhin Gedanken machen. Doch ich muss auch mal mit meiner Frau etwas mehr verreisen und Dinge machen können, die ich bisher immer zurückgestellt habe. Das ist halt so. Wenn Sie eine Firma haben, dann geht die vor. Und es war mir auch wichtig, das Unternehmen in den schwierigen Jahren 2013 und 2014 über die Runden zu bringen. Und das haben wir auch geschafft.
Möhrstedts beste Entscheidungen
Solarthemen: Was waren denn im Rückblick Ihre besten Entscheidungen?
Möhrstedt: Die Firma zu gründen. Und meine Frau zu heiraten. Das waren zwei superwichtige und lebensbestimmende Entscheidungen. Wobei die Heirat noch vorne dran ist.
Solarthemen: Wenn man mit Blick auf die Firma IBC Solar AG mehr ins Detail geht, wo würden Sie da im Rückblick auf die vergangenen Jahre richtig gute Entscheidungen sehen?
Möhrstedt: Es gibt noch eine dritte, mit der ich mich durchsetzen konnte. Das war die, den Speicher in die privaten Haushalte einzuführen. Da waren wir damals Vorreiter. Angefangen haben wir mit Bleispeichern. Das war eine 8-Kilowattstunden-Batterie. Wir haben zwar auch in der Frühphase Lithium-Batterien angeboten. Die wollte aber keiner haben. Doch nach dem 31. Dezember 2015 hatte niemand mehr Interesse an Bleispeichern, nur noch an Lithium. Ausgenommen von diesem plötzlichen Wechsel waren die großen, stationären Speicher ab 100 Kilowattstunden. Außerdem sehe ich als wichtige Entwicklung die Ortsnetzspeicher für mehrere Gebäude. Man hat ja fast immer in der Mittagszeit zu viel PV-Strom und abends zu wenig.
Mit zwei großen Projekten haben wir gezeigt, wie man das ausgleicht. Eines davon war mit den Stadtwerken Neustadt bei Coburg. Da haben wir mit einem 250-Kilowattstunden-Speicher in einem Container das Stromnetz stabilisiert. Ich bin nicht so ein Freund vom Netzausbau, bis auf die ganz großen Übertragungsnetze vom Norden in den Süden. Denn Sie können so viel Kupfer in die Netze packen, wie Sie wollen, Sie bekommen die Volatilität der Erneuerbaren nicht weg. Und Sie können auch nicht jeden Bürgersteig aufreißen und dort dickere Kabel hinlegen. Deshalb machen es die Deutschen richtig und kaufen fast zu jeder PV-Anlage einen Speicher dazu. 90 Prozent unserer Hausanlagen, die wir über Fachpartner ausliefern, sind damit ausgestattet.
Entwicklung der Photovoltaikverbände
Solarthemen: Sie haben die Branche begleitet wie kaum ein anderer, auch im Vorstand eines Solarvereins. Wo sehen Sie die entscheidenden Weichenstellungen?
Möhrstedt: Acht Jahre war ich Vorsitzender des Bundesverbands Solarenergie, kurz BSE. Das war zu der Zeit, als die Abkürzung BSE etwas belastet war, da man mit der Abkürzung auch die gleichnamige Erkrankung der Rinder verband. Und als ich den Vorsitz übernahm, teilte der BSE seine Räume noch mit dem Firmensitz des Stromkonzerns RWE in Essen. Wir haben den Verband dann nach München verlegt und sind nach der Wiedervereinigung dann nach Berlin gezogen. Und nachdem ich den BSE noch mit dem Deutschen Fachverband Solarenergie, kurz DFS, fusioniert hatte, habe ich gesagt: „Es reicht mir, macht Ihr mal weiter.“ Außerdem konnte die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft, UVS, noch mit integriert werden. Und die Geschäftsführung haben Gerhard Stryi-Hipp vom DFS und Carsten Körnig vom UVS übernommen. Das ist heute der Bundesverband Solarwirtschaft BSW. Auf diese Entwicklung bin ich stolz.
Solarthemen: Wo waren die politisch wichtigen Schritte?
Möhrstedt: Das war das Erneuerbare-Energien-Gesetz im Jahr 2000, das vor allem Hans-Josef Fell und Hermann Scheer zu verdanken ist.
Krisen der PV-Branche
Solarthemen: Sie hatten eben schon die große Krise der PV-Branche in den Jahren 2013 und 2014 angesprochen. Jetzt sind wir wieder in einer Boomphase. Doch die europäischen Hersteller geraten dennoch extrem unter Druck. Stehen wir vor einer ähnlichen Situation wie 2013/2014?
Möhrstedt: Ja, aber die Situation ist heute völlig anders. Warum? Damals gab es in Deutschland existierende PV-Firmen über die ganze Wertschöpfungskette. Es gab Ersol. Von denen haben wir Zellen bezogen. Ebenso von Q Cells. Die Module hat Solarwatt hergestellt. Und es gab noch eine Reihe weiterer Unternehmen auf dem Markt. Es waren funktionierende Firmen. Die haben später teils aber nicht ausreichend schnell ihre Produktion modernisieren können. Und letztlich haben viele dieser Unternehmen gegenüber der internationalen Konkurrenz nicht bestehen können.
Solarthemen: Aber wo ist nun der Unterschied zu heute? Einige europäische Unternehmen und Verbände haben einen Brief an die EU-Kommission geschrieben, dass sie gerettet werden müssen.
Möhrstedt: Schon, aber die europäische Solarindustrie ist noch recht übersichtlich, wenn wir mal ehrlich sind. Da gibt es zwar Meyer Burger mit einer integrierten Fertigung, aber auch sie konzentrieren sich bisher nur auf den Bereich Zellherstellung. Es gibt SMA als Wechselrichterhersteller und Wacker als Produzent von Silizium.
Solarthemen: Solarwatt und andere gibt es aber auch noch.
Möhrstedt: Ja, die machen aber keine eigenen Zellen. Ich rede jetzt über die Solarindustrie.
Solarthemen: Sie meinen eine integrierte.
Möhrstedt: Ja, eine Solarindustrie mit Siliziumherstellung, Waferproduktion, Zell- und Modulherstellung sowie Wechselrichter- und Speicherfabriken. Das sind für mich die sechs Elemente, die dazugehören. Zumindest die ersten vier braucht man für eine ausgewiesen PV-Industrie. Doch schon beim Silizium gibt es nur Wacker und die haben eine Kapazität von vielleicht 20 Gigawatt. Wir haben auch keinen Hersteller von Solarglas mehr und keinen Produzenten von EVA-Folien. Damals hatten wir das alles noch.
Konkurrenz mit China
Solarthemen: Wir haben in Deutschland viel dafür getan, den Markt anzuregen. Sie haben das EEG genannt. China hat dagegen den Aufbau von Photovoltaikfabriken massiv unterstützt. Die chinesischen Unternehmen dominieren jetzt den Weltmarkt. Können wir dem in Europa noch etwas entgegensetzen oder müssen wir uns mit der chinesischen Vormacht abfinden?
Möhrstedt: Ja mei! Die Chinesen kaufen unsere Autos und unsere Maschinen. Momentan spüren die Chinesen aber die Folgen ihrer Corona-Politik und es geht ihnen gar nicht so gut. Europäischen Unternehmen wird die Zusammenarbeit gerade erleichtert. Beispielsweise kann man aktuell visumfrei für 14 Tage nach China. Das Land merkt, dass es nicht alles allein kann. Der große Fehler ist meiner Meinung nach, dass wir den internationalen Handel kaputt machen. Der eine kann das besser, der andere das. Der Handel hilft beiden Seiten. Aber ich finde es auch gut, wenn die EU sich engagiert. Allerdings passiert zurzeit nicht viel. Enel in Italien will etwas aufbauen. Und auch in Frankreich tut sich wohl was. Doch das sind im Vergleich mit China alles Mini-Unternehmen. Zudem ist China sehr aktiv im Bereich Forschung und Entwicklung. Davor muss man den Hut ziehen.
Solarthemen: Wo sehen Sie denn den deutschen PV-Markt und die IBC Solar AG in 2030?
Möhrstedt: Ich berufe mich mal auf die politische Vorgabe. Demnach sollen schon in wenigen Jahren 22 Gigawatt an Photovoltaikanlagen in Deutschland installiert werden. Wir werden die Gesamtkapazität in Deutschland und Europa erheblich steigern. Ich gehe davon aus, dass dann die Stromgestehungskosten mit Photovoltaik irgendwo bei 5 Cent je Kilowattstunde liegen. Und auch die Speicher sind im Preis deutlich runtergegangen. Gerade sind sie wieder um rund 10 Prozent gefallen. Diese Kombination aus PV und Speicher – und das nicht nur im Haus, sondern auch im kommerziellen Sektor – ist unschlagbar.
Interview: Andreas Witt | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH