Solarpaket 1 nun doch komplizierter als gedacht
Selbst Baumärkte und Lebensmitteldiscounter hatten offenbar schon fest mit einem pünktlichen Inkrafttreten der Neuregelungen aus dem Solarpaket gerechnet. Anders ist es kaum zu erklären, dass seit dem Jahreswechsel statt der bis dahin üblichen Balkonkraftwerke mit 600 Watt plötzlich solche mit 800 Watt Wechselrichterleistung zum Schnäppchenpreis in den Werbeprospekten locken. Sind doch die juristische Neudefinition von Steckersolargeräten und deren Entbürokratisierung aus Verbrauchersicht die wohl bekanntesten Elemente des lange angekündigten Solarpakets aus dem Ministerium von Robert Habeck.
Doch das Paket enthält Dutzende weitere Neuregelungen, die größtenteils dazu geeignet sind, den Paragrafendschungel, der sich seit dem ersten EEG im Jahr 2000 rund um die PV immer dichter entwickelt hat, an wesentlichen Stellen ein Stück zu lichten und viele kleine und große Hürden für PV-Anwendungen aus dem Weg zu räumen. Das jedenfalls war das sympathische Ziel, auf das sich die Ampelparteien im vergangenen Sommer schnell einigen konnten.
Immer mehr Begehrlichkeiten
Nach dem Kabinettsbeschluss im August begann das Gesetzgebungsverfahren im Parlament Anfang Oktober. Doch statt die Sache schnell durchzuziehen und damit vielleicht auch einen Kontrapunkt zu dem vorausgegangenen Gezerre um das „Heizungsgesetz“ zu setzen, ist im Laufe des parlamentarischen Verfahrens immer mehr in das Solarpaket hineingelegt worden. Teils hatten Ministerien Ideen, mit denen man das Artikelgesetz noch weiter anreichern könnte, teils fanden Lobbyverbände mit ihren durchaus berechtigten Wunschzetteln bei Parlamentarier:innen Gehör.
Solarpaket im Bann des Haushalts
Als dann das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) die Bundesregierung kalt erwischte, geriet auch das Solarpaket in den Strudel der Haushaltskrise. Vor Weihnachten gelang es lediglich, drei Punkte vorzuziehen und parlamentarisch zu beschließen, die aus Sicht der Windenergiebranche nicht aufschiebbar waren. Der Rest rutschte ins neue Jahr.
Verhakt haben sich die Verhandlungen innerhalb der Ampel nun vor allem am Punkt der sogenannten Resilienzausschreibungen und Resilienzboni. Da die diskutierte Sonderbehandlung von Solarkomponenten aus europäischer Fertigung die EEG-Umlage und somit den Bundeshaushalt belasten würden, stellt sich einmal mehr die FDP quer.
Zahlreiche Konfliktlinien
Weitere Konfliktlinien zeigen sich auch bei der im Gesetzentwurf vorgesehenen und von den Solar- und Windprojektierern dringend herbeigesehnten Duldungspflichten: Grundstückseigentümer sollen es künftig gegen definierte Entschädigung hinnehmen müssen, dass für den Bau von Wind- und Solarparks auf ihrem Gelände Kabel verlegt, Wege genutzt oder Kräne und Rotorblätter geschwenkt werden.
Absehbar war auch, dass es nicht ganz einfach sein würde, über die naturschutzfachlichen Vorgaben für die mit dem Paket novellierten besonderen Solaranlagen Einigkeit zu erzielen.
Inzwischen sind neben den Fachpolitiker:innen der Koalition auch die Fraktionsspitzen an den Beratungen beteiligt. Bei Redaktionsschluss dieser Solarthemen-Ausgabe hatten sie die Kuh noch nicht vom Eis gebracht.
Länder drängen bei Solarpaket zur Eile
Derweil versuchen jetzt auch die Länder über den Bundesrat Druck zu machen. Am 2. Februar verabschiedete die Länderkammer eine Entschließung. Darin heißt es: „Der Bundesrat fordert den Bundestag auf, sämtliche Teile des ,Solarpakets I’ schnellstmöglich und spätestens mit Vorlage zur nächsten Sitzung des Bundesrates am 22. März 2024 zu beschließen.“
Und auch inhaltlich bezieht der Bundesrat Position. Zum einen verweist er auf seine Stellungnahmen vom September. Da allerdings die strittigen Resilienzhilfen im damaligen Gesetzentwurf noch nicht enthalten waren, stellt die Länderkammer nun klar: Die mit dem Solarpaket verbundene Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes müsse „zwangsläufig auch Resilienzinstrumente zur Stärkung der europäischen und deutschen Photovoltaikindustrie, sowohl Resilienz-Auktionen als auch Resilienz-Boni (…), enthalten.“
Net-Zero Industry Act
Rückenwind in dieser Richtung kam in der vergangenen Woche auch aus Brüssel. Im Trilogverfahren haben sich Emissäre des Europäischen Parlaments und der Mitgliedsstaaten auf den Net-Zero Industry Act geeinigt. Dieser sieht vor, dass die EU-Staaten bei einer Reihe von Klimaschutztechnologien, neben Photovoltaik und Windenergie auch bei Elektrolyseuren und Batteriespeichern, Maßnahmen zur Förderung europäischer Produktion ergreifen müssen. Die Verordnung muss noch bestätigt werden. Sie tritt dann unmittelbar nach der Bekanntgabe im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Schon vor diesem Hintergrund müssten sich die Ampel-Verhandler fragen, ob sie die Resilienzboni wirklich zum Knackpunkt des Solarpakets machen wollen. Viele Solarinstallateur:innen und ihre Kund:innen warten derweil dringend auf Klarheit in solchen Fragen wie:
- Mieterstrom auf Garagendächern
- Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung für Einliegerwohnungen und Eigentümergemeinschaften
- Nicht-Zusammenfassung von Dach- und Steckersolaranlagen
- Ende der doppelten Meldepflicht für Balkonkraftwerke
- vorläufige Duldung rückwärtslaufender Zähler bei Steckersolargeräten
- Ende des Wartens auf Zertifizierung für viele gewerbliche Dachanlagen
- Legalisierung der „Solarstadl“
- tatsächlicher Start für „Garten-PV“
- Entfesselung für Floating PV und Parkplatz-PV
- einfacheres Repowering
… um nur einige wenige zu nennen.
Autor: Guido Bröer | Solarthemen Media GmbH