Dänemarks Wärme bis 2030 fossilfrei

Blick in eine große Wärmepumpe mit vielen Leitungen und weiteren Komponenten. Gitterroste erschließen Arbeitsebenen. Darauf stehen Menschen mit Sicherheitshelm.Foto: Oliver Ristau
Wärmewende braucht Technik: Blick in die größte Meerwasserwärmepumpe in Esbjerg
In Dänemark ist Fernwärme die wichtigste Wärmequelle. Noch fußt sie zu 25 Prozent auf fossilen Energien und zur Hälfte auf Biomasse. Doch zunhemend sollen Großwärme­pumpen zum Einsatz kommen.

Kopenhagen fährt auf Müll ab, und das ist wörtlich zu nehmen. Denn die Müllverbrennungsanlage der dänischen Hauptstadt wartet mit einer Skipiste auf. Wer auf der abschüssigen Rückfassade des „Hügels von Amager“ eine Abfahrt über die grünen Kunststoffmatten wagt, blickt auf den Öresund in der Ferne. 

Als Ausflugsstätte mit futuristischer Fassade passt sich das seit 2017 operierende Müllheizkraftwerk in das Stadt­bild ein. Auch energetisch spielt es eine wichtige Rolle. Der Müll steuert im Win­ter rund 20 Prozent zur Fernwärme bei.

Mehr als 98 Prozent der Haushalte in Kopenhagen sind ans Fernwärme­netz angeschlossen. Neben Erdgas und Ko­hle zu Spitzenzeiten trägt vor allem die Biomasse die Verantwortung dafür, dass es in den Häusern der Stadt hyg­gelig (dänisch für gemütlich) wird. „Biomasse liefert mehr als 70 Prozent des Bedarfs“, berichtet Gorm Elikofer, Energiedirektor beim Kopenhagener Stadtwerk Hofor. In Zahlen sind das etwa eine Million Tonnen Holz im Jahr. Kein unproblematisches Thema. Denn nicht nur Dänemarks Hauptstadt setzt für die Fernwärme auf die Bioenergie. Nach Auskunft der Dänischen Energieagentur beträgt ihr Anteil am landesweiten Fernwärmemix mehr als 50 Prozent.

„Insgesamt benötigt Dänemark drei Millionen Tonnen Biomasse, produziert selbst aber nur zwei Millionen Tonnen“, rechnet Elikofer vor. Das heißt: Ein Drit­tel sind Importe, vor allem aus dem Baltikum, Osteuropa sowie Lateinamerika.

Hoher Biomasseanteil 

„Wir verwenden nur zertifiziertes Holz“, betont der Hofor-Manager zwar. Dennoch ist die Nachhaltigkeit von importierter Biomasse umstritten und die Sorge schwer aus der Welt zu schaffen, es könnten Rohstoffe aus Primär­wäl­dern in den Öfen landen. Das erklärt auch in Deutschland den Vorbehalt gegenüber der Biomasse. Die Berliner Ampelkoalition hat sie nur widerwillig als Brennstoff für nachhaltige Wärmenetze zu­gelassen. 

Die Dänen wissen um das prekäre Thema. Der Biomasseanteil in Dänemark soll in zehn Jahren auf weniger als ein Drittel sinken und auch Kohle und Gas dann der Vergan­gen­heit angehören. Noch beträgt der fossile Anteil 25 Prozent. Übernehmen werden vor allem Großwärmepumpen, zum um Beispiel Abwärme zu nutzen. Solche Projekte sind etwa im süddänischen Sonderborg beim Industrieunternehmen Grundfos in Planung. 

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In Odense auf Fünen nutzt Dänemarks drittgrößter Fernwärmebetreiber Fjernvarme Fyn die Abwärme eines Datencenters der Facebook-Mutter Meta. Das Stadtwerk kühlt zunächst die Serverabwärme zur Ventilation des Datencenters herunter. Aus der Restwärme von 20 bis 30 Grad Celsius machen dann neun Wärmepumpen 70 bis 80 Grad Celsius für das Fernwärmenetz. Auch am Ort der größten Kläranlage in Odense sind Großwärmepumpen im Einsatz. 

Größte Meerwasser-Wärmepumpe der Welt steht in Dänemark

Eines der bedeutendsten Projekte steht in der Nordsee-Hafenstadt Es­bjerg: die mit 70 Megawatt aktuell größte Meerwasser-Wärmepumpe der Welt. Sie soll im kommenden Frühjahr den Betrieb aufnehmen. Die Anlage saugt pro Sekunde rund 4.000 Liter Meerwasser aus dem Hafenbecken mit einer Temperatur je nach Jahreszeit zwischen 0 und 20 Grad Celsius. Die Wärmepumpen machen daraus 60 bis 90 Grad Celsius. 

Die großen MAN-Kompressoren in der Maschinenhalle arbeiten mit CO2 als Kühlmittel, das als besonders umweltfreundlich gilt – in dem Sinne, dass bei Leckagen keine Gefahr für die Biologie des Meeres besteht. Es lässt sich auf bis zu minus 5 Grad Celsius abkühlen, um selbst Wassertem­pera­tu­ren um den Gefrierpunkt nutzen zu können. Bei der Kompression kann es mehr als 100 Grad Celsius erreichen. Die zentralen Komponenten bestehen aus Titan, um sie vor Korrosion durch das Meerwasser zu schützen.

„Wir haben uns bewusst für High­tech-Kompressoren entschieden, die wir jederzeit an- und abschalten kön­nen“, sagt Hans-Christian Damm, Sprecher des kommunalen Versorgers Din Forsyning. Der Hintergrund: Das Stadtwerk von der Westküste will die Wärmepumpe abhängig vom Strompreis fah­ren. Deshalb ergänzen ein Gasbren­ner und zwei Bioöl-Öfen mit jeweils 50 MW die Installation. Für die Grundlast soll ein Holzschnitzelkraftwerk mit 60 MW sorgen.

Kohlekraft in Dänemark ersetzen

Ihre gemeinsame Aufgabe: das benachbarte Kohlekraftwerk zu ersetzen, das zum Ende des Winters 2023/2024 endgültig vom Netz soll. Es ist neben der Müllenergie derzeit noch die wichtigste Quelle der Fernwärme für Esbjerg und die Nachbarstadt Varde. Das Stadtwerk versorgt beide Kommunen mit einem Netz, aufgeteilt in vier Leitungen. „So können wir unterschiedliche Temperaturen verwenden“, sagt Damm. Für das Netz ins zehn Kilometer entfernte Varde hat das Wasser 90 Grad Celsius. Für Esbjerg selbst könnten künftig 60 bis 80 Grad reichen, schätzt Damm. Je nie­driger die Temperatur, desto we­niger Energieeinsatz ist nötig. Noch seien aber viele Heizungsanlagen bei den Verbrauchern auf 90 Grad Celsius ausgelegt.

Technische Anpassungen vor Ort könnten künftig deutlich niedrigere Temperaturen erlauben. Ein weiterer Punkt für mehr Effizienz: das Netz schlauer machen durch die Ausrüstung mit Temperatursensoren. Das lohnt sich: Für jedes Grad weniger spare Din Forsyning rund 130.000 Euro im Jahr an Kosten, rechnet Damm vor.

Fernwärme in Dänemark am günstigsten

Ohnehin fahren dänische Verbraucher mit Fernwärme in der Regel günstiger als mit eigenen Heizungsanlagen. So zahlte ein Durchschnittshaushalt in Dänemark laut Dänischer Energieagen­tur 2020 bis 2022 knapp über 2.000 Euro pro Jahr für Heizung und Warmwasser. Wer mit Gas heizte, musste 2022 dage­gen mehr als 5.000 Euro berappen und bei dezentralen Wärmepumpen wur­den mehr als 3.500 Euro fällig.

Dabei profitieren die Wärmekunden von den hohen Anschlussraten. In Esbjerg beispielsweise sind 95 Prozent aller Haushalte und Gewerbebetriebe am Netz. Dazu kommt, dass die kommunalen Versorger per Gesetz keinen Profit erzielen dürfen, wohl aber sämtliche Kosten umlegen. Rund ein Viertel davon entfällt auf die Investitionen (Capex). Angesichts dieser Zahlen sollten sich neue Netze auch in deutschen Kommunen rechnen.

Anschlussofffensive für Fernwärme

´Allerdings räumt Tore Liengaard von der Dänischen Energieagentur ein, dass die Non-Profit-Fernwärme „kein perfektes System“ sei. „Es gab auch Netze, die sehr teuer geworden sind.“ Dennoch setzt das Land seine Anschlussoffensive fort. In Reaktion auf den Ukraine-Krieg hatte Dänemark die Kommunen 2022 aufgefordert, durch Wärmeplanung zu zeigen, welche Gebiete noch anschlussfähig sind. Ein Jahr später liegen viele Karten bereits vor.

Es bestehe zwar kein Anschlusszwang, so Liengaard. Wer aber in einem anschlussfähigen Gebiet wohne, bekomme keine Förderung für eine ei­gene Wärmepumpe – anders als diejenigen, die außerhalb leben. Der Zu­schuss betrage rund 2.700 Euro. Den gleichen Betrag erhalten die Fernwärmegesellschaften für jeden Neuan­schluss. 

Rund zwei Drittel aller Haus­halte sind in Dänemark am Fernwärmenetz. Auf 70 bis 80 Prozent könnte die Quote noch steigen, so Liengaard. Die Gründe für die hohen Anschlussraten sind teils historisch. Ende der 1970er-Jahre be­gann das Königreich die Netze aufzubauen, dominiert von der Kohle. Widerspruch der Wärmeabnehmer gab es kaum. 2030 sollen 95 Prozent der Fernwärme auf regenerativen Quellen, einschließlich Müll,  fußen. Dänemark setzt dabei auf einen breiten Energiemix. Neben Holz und Biogas kommen in mehr als 100 Kommunen auch große Solarthermieanlagen – häufig kombiniert mit Wärmepumpen – mit mehr als 1 Gigawatt Leistung zum Einsatz. Allein das größte Solarheizwerk in der Nähe von Silkeborg hat eine Kapazität von 110 Megawatt. „Solarthermie ist eine Er­folgs­­geschichte”, sagt Jörgensen. Deren Potenzial habe Dänemark zu einem großen Teil erschlossen.   

Autor: Oliver Ristau © Solarthemen Media GmbH – Artikel aus Energiekommune, Ausgabe 1/2024

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