Branche: Ausbau von Biogas günstiger als fossile Gaskraftwerke
Deutschland muss nach Ansicht des Fachverbandes Biogas keine neuen fossilen Gaskraftwerke bauen, um den künftigen Strombedarf in Spitzenzeiten zu sichern. Der bestehende Biogasanlagenpark reiche im Prinzip aus, um dann einzuspringen, wenn die sonstigen regenerativen Energien wie Photovoltaik und Wind nicht genügten. Die Kraftwerksstratregie der Bundesregierung sieht für diesen Fall den Bau von 30 Gigawatt (GW) neuen Gaskraftwerken vor, die sukzessive mit Wasserstoff (H2 ready) betrieben werden können.
„Wir könnten den bestehenden Anlagenpark stattdessen von heute 6 auf 24 GW bis 2045 ausbauen, ohne dass wir dafür zusätzliche Rohstoffe benötigen“, sagte der Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide. „Die 10.000 Biogasanlagen in Deutschland produzieren rund 34 Terrawattstunden Strom.“ Das entspreche dem Volumen, das 2045 die neuen fossilen H2-Ready-Kraftwerke leisten sollen. Diese würden dafür nur wenige Stunden im Jahr laufen.
Verdoppelung der Flexprämie auf 120 Euro
Allerdings müssten die bestehenden Biogasanlagen ihre Stromerzeugungskapazität vervierfachen, um flexibel auf den künftigen Bedarf reagieren zu können. Das würde bis 2045 ein Investitionsvolumen von 30 Milliarden Euro erfordern. „Das ist die Hälfte dessen, was die neuen Gaskraftwerke kosten würden“, so Seide. „Wir wären deutlich günstiger, weil viele Anlagenteile wie Fermenter ja schon existieren.“ Neu hinzu kämen an den Standorten zum Beispiel Blockheizkraftwerke.
Bis 2030 könnten die ersten 12 GW stehen. Damit das gelingt, müssten drei Bedingungen erfüllt sein. Der Flexibilitätsbonus im Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) müsste von derzeit 65 Euro je Kilowatt Leistung auf 120 Euro steigen. Außerdem müsste das Volumen in den beiden Ausschreibungen im Jahr von derzeit 300 auf 900 Megawatt (MW) zulegen. Ohne Zuschlag erhalten die Anlagen keine Finanzierung. Dazu kommt eine notwendige „leichte Anhebung“ der EEG-Vergütungen.
Stilllegung vieler Anlagen droht
Im anderen Falle drohe die Stilllegung einer Vielzahl von Anlagen, die nach Auslaufen der 20jährigen EEG-Vergütungen keine Anschlussperspektive mehr sehen. „Davon sind regional auch viele Wärmenetze betroffen, die hinter der Biogasanlage hängen“, warnt Seide. „Wir sehen deshalb schon viel Unruhe im ländlichen Raum.“ Seide kritisiert, dass stattdessen Biogas in der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung als Option nicht auftaucht.
Ein solcher Ausbau der Kapazitäten brauche keine zusätzliche Biomasse, stellte Seide klar. Das Potenzial liege um mindestens 50 Prozent höher als die heutige Erzeugung – ohne, dass dafür ein Hektar mehr für Anbaubiomasse notwendig sei. Das seien zum Beispiel Gülle, Mist und weitere Reststoffe. Damit gebe es auch noch Potenzial für den Ausbau der Biomethanerzeugung.
Die Bundesregierung sieht dagegen laut Entwurf zur Biomassestrategie wenig zusätzliches Rohstoffpotenzial. „Bei der Einschätzung der Potenziale gibt es gravierende Unterschiede“, räumte Seide ein. Ansonsten fand er positive Worte für den Entwurf. „Hier erkennen drei Ministerien erstmals die Rolle von Biogas an als bedarfsgerechte Stromerzeugungsquelle.“
Autor: Oliver Ristau © Solarthemen Media GmbH