Uni Hohenheim: Bioethanol aus altem Brot

Produktionsanlage für Ethanol aus Stahl und Kupferrohren.Foto: Müller Brennereianlagen, Lukas Müller
Die Uni Hohenheim und Webers Backstube haben in Friedrichshafen eine Pilotanlage zur Herstellung von Bioethanol aus Altbackwaren in Betrieb genommen.
Zusammen mit Partnern hat die Universität Hohenheim untersucht, wie sich aus alten Backwaren durch Vergärung Bioethanol herstellen lässt. Eine Pilotanlage bei einer Bäckerei in Friedrichshafen läuft kostendeckend.

Die Universität Hohenheim hat zusammen mit Forschungspartnern ein Verfahren zur Produktion von Bioethanol aus altem Brot durchgeführt. Motivation war das hohe Aufkommen an alten Backwaren. Sie zählen laut Mitteilung der Uni zu den am häufigsten weggeworfenen Lebensmitteln. Im Bundesgebiet gibt es rund 11.000 überwiegend kleine und mittelständische Bäckereibetriebe, bei denen geschätzte 600.000 Tonnen Backwaren jährlich als Retouren und Reste anfallen.
 
 Viele Bäckereien versuchen diese Produkte wiederzuverwenden: als Tierfutter, Hackschnitzel oder in Biogasanlagen. „Retouren stellen jedoch kein einheitliches Ausgangsmaterial dar. Das verträgt sich beispielsweise nicht mit den strengen Fütterungsplänen in der Schweinemast“, zitiert die Universität den Bäcker Hannes Weber. „Daher sind diese Recyclingmethoden mit aufwendiger Sortierung von Hand, langen Transportwegen und somit zusätzlichen Kosten verbunden.“ Weber ist Initiator des Projektes „Die Brotbrennerei“.

Alte Backwaren in Deutschland: Potenzial für mehr als 150 Millionen Liter Bioethanol

Viele Bäckereibetriebe müssen ihre Altbackwaren deshalb als Abfall entsorgen, in der Regel durch Verbrennung. Allein in Webers Backstube fallen so jährlich rund 15.000 Euro Entsorgungskosten an. Seine Idee: Warum nicht aus dem Abfall Bioethanol machen? Geschätzte 162 Mio. Liter könnten in Zukunft jährlich aus den Altbackwaren in Deutschland entstehen.
 
Bislang wird Bioethanol in erster Linie aus landwirtschaftlichen Nutzpflanzen wie Mais, Weizen und Zuckerrohr hergestellt. Doch die Verwendung dieser Pflanzen als Rohstoffe für die Kraftstoffherstellung konkurriert mit der Produktion von Lebensmitteln.
 
Die Forschungs- und Lehrbrennerei der Universität Hohenheim klärte zunächst die Frage, wie sich Brot am besten vergären lässt. Denn für Produktion von Bioethanol braucht es einen alkoholhaltigen Ansatz. Für diese sogenannte Maische wird Getreide mit Wasser, Hefe und Enzymen versetzt. „Brot enthält erhebliche Mengen an Stärke. Sie wird von speziellen Enzymen leicht in Zuckermoleküle zerlegt, die die Hefe dann in Alkohol umwandelt“, erklärt Dr. Daniel Einfalt von der Forschungs- und Lehrbrennerei.

Creme-Torten produktiver als Weißbrot

Doch ganz so einfach gestaltete sich der Prozess nicht. Als die Forschenden untersuchten, wie gut sich typische deutsche Backwarenreste vergären lassen, erlebten sie eine Überraschung. Ausgerechnet das Brot mit dem höchsten Stärkeanteil, das Weißbrot, blieb bei der Alkoholproduktion deutlich unter den anderen Ausgangsprodukten wie Brötchen, Laugengebäck, Roggenbrot oder Sahne-Cremetorten.

„Wir führen das auf den geringen Proteingehalt des Weißbrotes zurück“, so Dr. Einfalt. „Denn die Eiweiß-Bausteine sind unerlässlich für die Aktivität der Hefe.“ Abhilfe bringt der Zusatz von Gärsalzen, die die Hefe vor allem mit Stickstoff und Phosphat versorgen. Das verkürze die Gärzeit und erhöhe den Ethanolertrag.

Trotzdem befindet sich in dem Destillationsrückstand, der Schlempe, immer noch viel Protein. „Langfristig möchten wir sie als Tierfutter nutzen, aber da müssen wir noch ein paar Hürden überwinden“, so Hannes Weber. „Aktuell wird sie in Biogasanlagen zur Energieerzeugung genutzt. Ihr Rückstand kommt wiederum als Dünger aufs Feld.“ Womit sich der Kreislauf schließt.

Um die Ideen in die Praxis umzusetzen, kam ein weiterer Projektpartner ins Spiel: Das Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven (ttz Bremerhaven) erarbeitete ein eigenes Energie-Konzept. So stammt die Wärme für den Prozess primär aus dem Strom der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Bäckerei. Innerhalb des Prozesses wird möglichst viel Wärme zurückgewonnen, so zum Beispiel aus der Schlempe oder aus dem Kühlwasser der Brennerei.

„Weitaus schwieriger war es einen Anlagenbauer zu finden“, berichtet Hannes Weber. „Wir freuen uns, dass wir die Firma Müller Brennereianlagen gefunden haben, die die Apparate- und Brennereitechnik individuell auf das Projekt zugeschnitten und viel Input geliefert hat.“

Kostendeckender Betrieb – Langfristig: Spirituosen als Zusatzeinnahme

Aktuell arbeitet die Brotbrennerei in Friedrichshafen mit ihrem 2.000 Liter fassenden Maische-Behälter kostendeckend, auch wenn die Markt-Preise für Bioethanol derzeit niedrig sind. Höhere Erlöse könnte die Destillation von Altbackwaren erbringen, wenn daraus aromatische Spirituosen für den menschlichen Genuss entstehen.

„Das scheitert im Augenblick noch am EU-Recht“, erläutert Dr. Einfalt. „Darin ist die Destillation von Brot und anderen Backwaren nicht vorgesehen. Aber das Gesetzgebungsverfahren läuft bereits.

Noch ist die Brotbrennerei in Friedrichshafen ein Pilotprojekt, das möglichst viel Nachahmung finden soll. Dazu erarbeiten die Projektbeteiligten Handlungsempfehlungen, die sie als Beratungs- und Entwicklungsleistungen für künftige Betreiber:innen solcher Produktionsanlagen anbieten wollen. Hannes Weber schätzt, dass sich solche Anlagen für mittlere Betriebe mit rund fünf Mio. Euro Umsatz im Jahr rentieren. Gefördert wird das Projekt über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Quelle: Uni Hohenheim | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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