Interview: Kompensationsmaßnahmen für Solarthermie-Freiflächenanlagen
In welchem Umfang müssen Solarthermie-Freiflächenanlagen derzeit kompensiert werden?
Es gibt keine pauschale Antwort auf diese Frage. Generell sind in Deutschland für Bauvorhaben auf unbebauten Flächen Kompensationsmaßnahmen erforderlich. Das gilt auch für Solarthermie-Freiflächenanlagen. In der Regel werden externe Kompensationsflächen gesucht, um den Ausgleich zu schaffen. Eine ökologische Gestaltung innerhalb der Freiflächenanlagen kann den Kompensationsbedarf außerhalb des Kollektorfeldes verringern, aber in der Regel ist eine externe Kompensation immer noch erforderlich. Der Umfang der Kompensation variiert von Bundesland zu Bundesland und hängt von der Bewertungsmethodik ab, die teilweise sogar innerhalb der Bundesländer unterschiedlich gehandhabt wird. Wir haben in keinem Bundesland eine Regel gefunden, nach der Anlagen ohne externe Kompensationsflächen realisiert werden können.
Ist eine ökologische Gestaltung von Solarthermie-Freiflächenanlagen eher die Ausnahme?
Nein. Die technischen Vorgaben für den Abstand zwischen den Modulreihen sorgen bereits für einen geringen Versiegelungsgrad. Naturschutzfachliche und landschaftsbildliche Aspekte sind bereits für Photovoltaik-Freiflächen vorgeschrieben und können auch auf Solarthermie-Parks übertragen werden. Viele Leitfäden zur ökologischen Ausgestaltung von Solar-Freiflächenanlagen und Praxisbeispiele zeigen, dass dies kein Nischenthema ist.
Die meisten Bundesländer empfehlen eine Kompensation innerhalb der betroffenen Flächen. Das Bundesnaturschutzgesetz besagt, dass erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vermieden werden sollen. Eine ökologische Ausgestaltung spielt dabei eine entscheidende Rolle und senkt den Bedarf an externer Kompensation.
Wir plädieren dafür, dass eine umfassende ökologische Gestaltung bei Solar-Freiflächenanlagen den Bedarf an externer Kompensation sogar komplett vermeiden kann. Die genauen Rahmenbedingungen sollten auf fachlicher Ebene diskutiert werden. Es sollte bundeseinheitliche Anreize und klare Vorgaben geben.
Würde eine solche Änderung nicht zu mehr Flächenversiegelung führen und den Naturschutz beeinträchtigen?
Nein, das wäre nicht der Fall. Es geht nicht darum, externe Kompensation für alle Vorhaben zu streichen. Vielmehr geht es darum, Solar-Freiflächenanlagen so zu gestalten, dass sie natur- und landschaftsverträglich sind und keine negativen Auswirkungen auf den Naturschutz haben. Eine große Fläche vollständig mit einer solaren Freiflächenanlage zu belegen, ist nicht per se ökologisch. Das sollte sich auch im Kompensationsbedarf widerspiegeln. In Deutschland haben wir Flächenknappheit und hohe Flächenkonkurrenz. Es ist wichtig, Flächen mehrfach zu nutzen und den Konkurrenzdruck zu verringern. Eine nachhaltige Gestaltung der Fläche von Anfang an ist entscheidend, um nachträgliche Ausgleichsmaßnahmen zu vermeiden. Davon profitiert auch der Naturschutz.
Es sollte attraktiver sein, umweltverträglich zu bauen, und das schließt Natur- und Landschaftsschutz ein. Die langwierige Suche nach Ausgleichsflächen bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien. Für Bauvorhaben, die keine erheblichen Beeinträchtigungen verursachen, sollte eine pragmatischere Lösung gefunden werden.
Wie kann eine ökologische Ausgestaltung von Solarthermie-Freiflächenanlagen konkret aussehen, um den Kompensationsbedarf zu senken und erhebliche Beeinträchtigungen zu vermeiden? Gibt es Beispiele dafür?
Das Bundesamt für Naturschutz hat bereits umfangreiche Veröffentlichungen zu naturschutzfachlichen Bewertungsmethoden von Freiflächenphotovoltaikanlagen herausgegeben. Diese treffen in der Regel auch für Solarthermie-Freiflächenanlagen zu. Faktoren wie die Änderung des Landschaftsbildes, die Schaffung von Barrieren oder die Überdeckung der Bodenoberfläche fließen in den Kompensationsbedarf ein. Durch geeignete Bauweise und Modulanordnung können einige Beeinträchtigungen bereits verringert werden. Auch die Schaffung von Trittsteinbiotopen entlang der Anlagen kann den Aspekt der Barrierebildung für einige Tier- und Pflanzenarten reduzieren. Einige Bundesländer schreiben Eingrünungsmaßnahmen vor und erkennen sie als Kompensationsmaßnahmen an. Die Beweidung der Flächen durch Schafe ist bereits in verschiedenen Bundesländern üblich.
Es ist wichtig, die vorhabens- und standortspezifischen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, wie zum Beispiel durch die Material- und Systemwahl oder das Relief der Landschaft und die angrenzenden Lebensräume.
Sie haben erwähnt, dass die Bundesländer unterschiedliche Bewertungsmethoden für den Kompensationsbedarf haben. Ist das sinnvoll?
Es ist nicht nachvollziehbar, dass gleiche Beeinträchtigungen zu unterschiedlichem Kompensationsbedarf führen. Zwar gibt es Unterschiede zwischen den Bundesländern aufgrund der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Ökosystemtypen, aber diese sollten bei der individuellen Betrachtung jeder Projektfläche berücksichtigt werden. Es besteht die Notwendigkeit, diese Regelungslücke zu schließen. Schließlich gibt es bereits mehrere standardisierte Berechnungsmethoden und Best-Practice-Erfahrungen in den Bundesländern. Eine bundesweite Methodik könnte die Transparenz und Qualität der Kompensationsmaßnahmen verbessern. Dies gilt nicht nur für die Berechnung des Kompensationsumfangs.
Was meinen Sie damit?
Es fehlen oft allgemeingültige Handlungsanleitungen für die Planung und Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen. Diese sind jedoch für eine schnelle und kostengünstige Umsetzung unerlässlich. Es ist wichtig, dass Informationen für Projektierende leicht zugänglich sind, damit sie Ausgleichsmaßnahmen sinnvoll umsetzen können. Kommunen sollten diese Informationen zentral zur Verfügung stellen und auf etablierte Fachagenturen in der Region verweisen, sobald Projektanfragen bei ihnen auftreten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Projektierer und Kommune ist entscheidend.
Stimmt es, dass die Qualität der Kompensationsmaßnahmen oft nicht ausreichend ist?
Es gibt immer wieder Kritik, dass Ausgleichsmaßnahmen keinen tatsächlichen Ausgleich schaffen oder mangelhaft umgesetzt werden. Die gesetzliche Vorgabe, dass erhebliche Eingriffe ausgeglichen werden müssen, nützt dem Naturschutz wenig, wenn sie nur auf dem Papier besteht. Neben der fehlenden Transparenz bei der Umsetzung von Kompensationsmaßnahmen liegt ein mögliches Problem darin, dass die fachliche Kompetenz für die Durchführung jedoch oft fehlt und sinnvollerweise extern eingekauft werden müsste. Das passiert jedoch normalerweise nicht. Es fehlen auch Monitoringsysteme, die die Begutachtung durch Fachpersonal beinhalten. Die Einbindung von Fachagenturen könnte hier helfen, aber es bedarf entsprechender Strukturen.
Löst sich das Problem, indem Kommunen auf Fachagenturen verweisen?
Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn Kommunen alle relevanten Informationen bereithalten und Fachagenturen empfehlen würden. Das Thema ist komplex. Wir sollten auf nationaler Ebene prüfen, ob eine bundeslandübergreifende Berechnungsmethode für den Kompensationsumfang möglich ist. Es wäre sinnvoll, nationale Vorgaben für ein einheitliches Monitoringsystem zu haben. Landesbehörden müssten dann diese Rahmenbedingungen in die Praxis umsetzen und Leitfäden für die praktische Anwendung erstellen. Eine Evaluierung auf Landesebene wäre ebenfalls sinnvoll. Projektierende sind dafür verantwortlich, die Leitfäden anzuwenden und bevorzugt Fachagenturen in Anspruch zu nehmen
In Ihren Handlungsvorschlägen spielt das Thema „Ökokonten“ eine große Rolle. Wie kam es dazu?
Wir haben festgestellt, dass es bereits viele Leitfäden, Berichte und Orientierungspunkte zur ökologischen Ausgestaltung von Solar-Freiflächenanlagen gibt. Das Konzept der „Ökokonten“ ist jedoch schwer zugänglich. Es gibt Unterschiede zwischen bauplanungsrechtlichen und naturschutzrechtlichen Ökokonten, und die gesetzliche Ausgestaltung erfolgt oft auf Landesebene. Daher versuchen wir, beim Thema Ökokonten Orientierung zu bieten. Wir haben untersucht, wie Ökokonten sinnvoll für die Kompensation von Solar-Freiflächenanlagen genutzt werden können. Dabei haben wir uns auf naturschutzfachliche Ökokonten konzentriert.
Naturschützer:innen kritisieren oft, dass Ökokonten keinen tatsächlichen Ausgleich schaffen. Wie begründen Sie dennoch Ihre Empfehlung?
Diese Kritik ist berechtigt, da Ersatzmaßnahmen keinen funktionalen Ausgleich gewährleisten müssen. In unserem Austausch mit Fachagenturen haben wir jedoch gesehen, dass es Lösungsansätze gibt, um diese Problematik anzugehen. In Schleswig-Holstein gibt es zum Beispiel Erlasse, die den Einsatz von Ökopunkten für bestimmte Eingriffe regeln. Es gibt also bereits positive Erfahrungen in der Praxis. Wir empfehlen eine Evaluierung der Ökokonten, um Erfahrungen aufzunehmen und Verbesserungen zu entwickeln. Es gibt viele Beispiele, bei denen naturschutzfachliche Ökokonten erfolgreich eingesetzt wurden. Wir sehen viele Vorteile in diesem Konzept, die allen Akteur:innen und dem Naturschutz zugutekommen. Es wäre ein Fehler, dieses Konzept zu vernachlässigen oder davon abzuraten.
Welche weiteren Probleme sehen Sie bei Ökokonten?
Es ist problematisch, dass die Grundlagen zwischen den Bundesländern so unterschiedlich sind. Warum zum Beispiel wird mit dem Erhaltungszeitraum von Ökokontomaßnahmen in den Ländern so unterschiedlich und teils unklar umgegangen? Einerseits werden Mindestzeiträume für Ökokontomaßnahmen festgelegt. Auf der anderen Seite gibt es aber keinen klaren Zeitpunkt, zu dem die Ökopunkte wieder verfallen. Sprich: beeinträchtigende Eingriffe bleiben mitunter bestehen, während die Maßnahmen zu den dazugehörigen Ökopunkten prinzipiell nicht mehr bestehen müssen.
Einige Bundesländer nutzen naturschutzfachliche Ökokonten bereits effektiv, andere jedoch kaum. Um Synergien zu fördern und eine einheitliche Grundlage zu schaffen, sollten die Vorgaben auf Bundesebene angeglichen werden. Es ist auch wichtig, dass Kommunen Raum für Ökokontoflächen in der Flächenplanung vorsehen. Eine bundesweite Regelung sollte jedoch Raum für länderspezifische Besonderheiten lassen. Eine gute Kommunikation zwischen den Akteur:innen ist entscheidend, um von vorhandenem Wissen und Erfahrungen zu profitieren.
Quelle: Hamburg-Institut | www.solarserver.de
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Die Biologin Marleen Greenberg arbeitet im Hamburg Institut als Expertin für die Themenbereiche Biologie und Ökologie. Ihr Fokus liegt dabei auf Lösungen, die von der Natur inspiriert und unterstützt werden und gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bringen. Im Projekt SolnetPlus, in dem das Hamburg-Institut zusammen mit anderen Instituten und Verbänden an der Marktbereitung für solare Wärmenetze arbeitet, liegt ihr Schwerpunkt im Bereich der ökologischen Aspekte großer thermischer Solarkollektorfelder. (Foto: Hamburg Institut)