Roadmap für bidirektionales Laden

Grafik zeigt im Vordergrund ein Einfamilienhaus mit Wallbox und ladendem E-Auto. Daneben eie Familie. Im Hintergrund: Wind- und Solarpark.Grafik: petovarga, stock.adobe.com
Bidirektionales Laden kann je nach Use Case die Eigenverbrauchsquote und/oder die Netzeffizienz verbessern.
Sein theoretisches Potenzial für die Netz- und Eigenverbrauchsoptimierung ist riesig. Aber wie schnell wird das bidirektionale Laden von Elektrofahrzeugen tatsächlich im großen Stil für das Stromnetz und für das häusliche Energiemanagement an Bedeutung gewinnen? Und welche regulatorischen Maßnahmen sind geeignet, um aus der technischen Möglichkeit massentaugliche Geschäftsmodelle zu machen? In der vergangenen Woche hat die Natio­nale Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL) da­zu einen Bericht mit Handlungsempfehlungen vorgestellt.

Bislang ist es nicht viel mehr als eine Idee: Das Laden einer Autobatterie soll keine Einbahnstraße sein. Vielmehr könnten die für die tagtäglichen Mobilitätsanforderungen ihrer Nutzer zumeist überdimensionierten Speicher ihre brachliegenden Kapazitäten dem öffentlichen Netz oder dem Einfamilienhaus der Autobesitzer:innen zur Verfügung stellen. Doch bislang gibt es am Markt kaum Autos, die bidirektionales Laden beherrschen. Und es gibt auch kaum eine Wallbox, die dafür ausgelegt ist. So stand nur ein einziges Modell auf der Liste der förderfähigen Geräte, als im September 2023 Verkehrsminister Volker Wissing für die Förderung der Kombination aus PV-Anlage, Heimspeicher und Wallbox 300 Millionen Euro binnen weniger Stunden in Form der KfW-Förderung 442 verteilte.

Mittlerweile haben verschiedene Hersteller zwar laut dem neuen NLL-Bericht 21 verschiedene Wallbox-Modelle angekündigt, die für das bidirektionale Laden geeignet sein sollen. Weitere sind in Pilotversuchen im Einsatz. Und ab 2025 würden auch spürbar mehr Pkw-Modelle auf den Markt kommen, die als Partner infrage kommen. Doch bei den verfügbaren Paarungen aus Dual-Use-fähiger Fahrzeugbatterie und zweiwegetauglicher Ladeeinrichtung handelt es sich laut dem Bericht um sogenannte proprietäre Lösungen, also nicht um allgemeine Standards. Da kann also ein bestimmtes Fahrzeug mit einer bestimmten Wallbox oder der Modellvariante eines Photovoltaikwechselrichters beziehungsweise mit einem spezifischen PV-Heimspeicher kom­mu­ni­­zieren. Aber sobald das Fahrzeug an einer anderen Ladesäule parkt oder an die Wallbox mit anderen Elektroautos verbunden ist, geht nur Einbahnstraße.

Bidirektionales Laden: Eher per DC- als per AC-Wallbox

Auffällig ist dabei, dass der Bericht eine höhere Zahl an DC-Wallboxen als bidirektional geeignet aufzählt. Hingegen tun sich die Anbieter bei den preisgünstigeren und stärker verbreiteten AC-Ladeeinrichtungen noch schwerer mit der Zwei-Wege-Option.

An der Dominanz proprietärer Standards werde sich vor 2028 wahrscheinlich nicht viel ändern, prognostiziert der NLL-Bericht. Auf deren Basis allerdings werde das bidirektionale Laden bereits ab dem kommenden Jahr deutlich an Fahrt aufnehmen.

Bidirektionales Laden zur Eigenverbrauchsoptimierung

Die ersten Anwender dürften ihre Fahrzeugbatterien dann vor allem zur Eigenverbrauchsoptimierung für selbst erzeugten Solarstrom einsetzen. Aber auch ein tarifoptimiertes Be- und Entladen am Eigenheim erscheint dann in Verbindung mit Smart Meter bereits für Trendsetter attraktiv. Denn ab 2025 müssen Stromanbieter ihren Kunden variable und dynamische Stromtarife anbieten. Wenn dann das Elektroauto zu passenden Zeiten im Carport steht und zusammen mit der Wallbox über die nötigen Fertigkeiten verfügt, wird es interessant.

Ab 2025 erwarten die Autohersteller denn auch laut NLL eine steigende Anzahl von Neuzulassungen bidirektional ladbarer Fahrzeuge.

Unterschiedliche Einschätzungen

Innerhalb der NLL, in der neben den führenden Verbänden der Energie- und Automobilwirtschaft auch der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Autoclub ADAC und einige große Einzelfirmen vertreten sind, gibt es unterschiedliche Einschätzungen zu den Rückwirkungen des bidirektionalen Ladens auf das Netz. Einigkeit herrscht, dass bidirektionales Laden künftig zu veränderten Last- und Einspeisekurven in den Ortsverteilnetzen führt. Wie sich das genau auswirkt, hängt aber davon ab, welche bidirektionalen Anwendungsfälle angeboten und von Kund:innen tatsächlich genutzt werden.

Erfordert bidirektionales Laden mehr oder weniger Netzausbau?

Vertreter:innen der Energiewirtschaft in der NLL gehen davon aus, dass der Ausbaubedarf der Ortsnetze dadurch nicht sinken werde. Denn das bidirektionale Laden nutzen die Fahrzeugbesitzer:innen hauptsächlich zur Optimierung des Eigenverbrauchs. Hingegen geht die Autobranche davon aus, dass bei variablen Stromtarifen bidirektionales Laden den Ausbaubedarf der Netze durchaus senken könne. Die Energiewirtschaft erwartet im Zusammenhang mit dem bidirektionalen Laden sogar höhere Netzkosten. Begründung: Die Entwicklung hin zu rückspeisefähigen Verbrauchseinrichtungen wie Autobatterien und Heimspeichern erhöhe die Komplexität der Netzdienstleistungen. Zumal bidirektional agierende Eigenverbrauchsoptimierer aufgrund ihres verringerten Strombezugs sogar geringere Netzzentgelte zahlten. Die Autobranche betont hingegen, dass die volkswirtschaftlichen Kosten des Energiesystems durch das bidirektionale Laden sinken könnten.

Einigkeit herrscht allerdings darin, dass besonders das bidirektionale Laden nach dem Prinzip Vehicle-to-Grid (V2G) einen positiven Effekt auf den CO2-Ausstoß des Stromsystems hat. Wenn Fahrzeugbatterien zu Zeiten geringer Strompreise laden und bei hohen Strompreisen Energie an das Netz abgeben, dann korrespondiert dies meist mit dem Anteil erneuerbarer Energien im System.

Der NLL erwartet zwar, dass sich V2G-Geschäftsmodelle zunächst langsamer entwickeln werden als die reine Eigenverbrauchsoptimierung. Das sei aber auch eine Frage des steuerlichen und regulatorischen Rahmens.

Autor: Guido Bröer © Solarthemen Media GmbH

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