Wärmewende per Erdbecken-Wärmespeicher 2.0

Baugrube für den Erdbecken-Wärmespeicher in Bracht. Vier große Bagger, ein Bulldozer, roter SandsteinFoto: Guido Bröer
Baugrube für den Erdbecken-Wärmespeicher in Bracht.
Im hessischen Dorf Bracht entsteht zurzeit ein großer Erdbeckenwärmespeicher, der eine 70-prozentige Solardeckung für rund 200 Gebäude ermöglichen soll. In Meldorf, Schleswig-Holstein, wird ein solcher saisonaler Wärme­spei­cher seit einigen Wochen erstmals mit Wärme befüllt. Die Anlagen orientieren sich zwar an dänischen Vorbildern und doch wird hier noch Pionierarbeit geleistet.

Wer hier gräbt, sieht rot. Das Mittelgebirge nördlich von Marburg besteht aus rotem Sandstein. Rund 14 Meter tief haben sich vier schwere Bagger beim Dorf Bracht in diesen Untergrund hineingefressen. An einen kleinen Tagebau erinnert die Grube. Die Form einer auf der Spitze stehenden umgedrehten Pyramide ist bereits zu erkennen – Grundfläche: etwa 70 mal 70 Meter. Aus dem roten Material, das die Bagger unter Maschinenlärm und lauten Kratzgeräuschen unten herausholen, formen Bulldozer oben um das Loch herum eine Art Deich, der von Rüttelwalzen verdichtet wird. Am En­de wird der Erdbecken-Wärmespeicher einige Meter über das Gelände hinausragen.

Erdbecken-Wärmespeicher im harten Untergrund

Dass der Untergrund so fest ist, unterscheidet das Projekt in Bracht von den dänischen Erdbecken-Wärmespeichern, die allesamt in lockere Schichten aus Sand und Kies gegraben wurden. Das harte Material mag den Baggerfahrern wie ein Fluch vorkommen – für die Bauherren ist es ein Segen. „Denn wir sparen damit Platz und Kosten“, erklärt Helgo Schütze, Vorstandsmitglied der Bürgerenergiegenossenschaft Solarwärme Bracht eG, die das Wärmenetz in der 900-Einwohner-Gemeinde bauen lässt. Weil die Böschungen des Speichers in dem stabilen Sandstein um 3,5 Grad steiler angelegt werden können als in lockerem Untergrund, lassen sich 26.600 Kubikmeter Fernwärmewasser in einer tieferen Gruße mit geringerer Grundfläche unterbringen, als dies in lockerem Untergrund möglich wäre.

„Das Oberfläche-Volumen-Verhältnis ist günstiger. Damit verringern sich die Wärmeverluste des Speichers an den Untergrund“, erklärt Stefan Maretzki, Projektleiter beim Ingenieurbüro Ramboll, das die Brachter Energiegenossen in allen technischen Fragen unterstützt. Noch wichtiger als die geringeren Grenzflächen zum Erdreich ist aber, dass der aufwendig konstruierte, teure Deckel, der den Wärmeverlust nach oben minimieren muss, kleiner ausfällt, wenn das Becken tiefer ist und die Böschungen steiler sind.

Deckelkonstruktionen für Erdbecken-Wärmespeicher

Gerade die Deckelkonstruktion hat sich bei Erdbecken-Wärmespeichern als heikler Punkt erwiesen. Bei den ersten dänischen Speichern dieser Bauart traten hier Probleme durch Kondens- und Oberflächenwasser auf. Von oben belastete Regenwasser die Konstruktion und von unten drang Wasserdampf durch die Kunststoffbahnen in die Dämmung vor. Inzwischen haben verschiedene Forschungsinstitute zusammen mit den Anbietern einiges an Entwicklungsarbeit in die Deckelkonstruktion von Erdbeckenwärmespeichern (Pit Thermal Energy Storage – PTES) investiert. So setzt man beispielsweise bei der aktuellen Speichergeneration eher auf formstabile Dämmstoffe.

Neue Patente für Saisonalspeicher

Die dänische Firma Aalborg CSP bietet ein patentiertes Abdeckungssystem für PTES an, das als Antwort auf die aufgetretenen Probleme noch vom früheren Marktführer bei solaren Wärmenetzen, Arcon-Sunmark, entwickelt wurde. Inzwischen sind die neuartigen Deckel auf den Solarspeichern in Marstal und Dronninglund nachgerüstet worden. Und auch in Høye Tastrup bei Kopenhagen wurde auf einem Erdbeckenpufferspeicher für Industrieabwärme ein solcher Deckel installiert. Das Aalborg-Prinzip kombiniert eine diffusionsoffene Oberfläche mit einer ausgeklügelten Wasserführung. In quadratischen Segmenten von 30 mal 30 Metern wird das Regenwasser zusammengeführt und abgepumpt. Nach oben hin ist die Konstruktion diffusionsoffen, sodass sich innerhalb der Isolierschicht kein Kondenswasser bilden kann.

Wasserdampf im Speicherdeckel

Bei dem kürzlich fertiggestellten Speicher für das Fernwärmenetz im schleswig-holsteinischen Meldorf, der zurzeit erstmals mit Wärme befüllt wird, geht die kommunale Betreibergesellschaft zusammen mit dem Ingenieurbüro Ramboll etwas andere Wege, um die bekannten Probleme zu vermeiden. Ebenso wie künftig in Bracht liegt hier die schwimmende Isolierschicht zwischen zwei Dichtbahnen aus PE-Kunststoff. Da die Folie eine Diffusion von Wasserdampf aus der bis zu 90 Grad heißen oberen Speicherschicht in die Wärmedämmung nicht ganz verhindern kann, befindet sich unter der oberen Dichtbahn eine Drainageschicht. In regelmäßigen Abständen finden sich darin Ventilationsöffnungen, auf die Zugluftverstärker aufgesetzt sind. Und Regenwasser soll sich erst gar nicht sammeln, indem es der Wind von der völlig planen Oberfläche herunterbläst. In Meldorf funktioniere das bislang gut, sagt Maretzki.

Innovative Deckelkonstruktion für Erdbecken-Wärmespeicher

Dass sich keine Pfützen bilden, die die Deckelkonstruktion belasten würden, dafür sorgen auch drei steife Isolierschichten im Inneren. Sie bestehen aus Schaumglas, Hartschaum und Styropor, die über Zwischenlagen aus Geogittern verbunden sind. Lediglich in den Randbereichen der Speicherabdeckung wird eine flexible Blähtonschüttung als Dämmmaterial eingesetzt. Dies soll sicher­­stellen, dass sich das Fernwärmewasser im Speicher temperaturbedingt ausdehnen kann. Denn der schwimmende Deckel muss sich um 15 Zentimeter heben können, wenn im Verlauf des Sommers in Bracht rund 13.000 Quadratmeter Solarkollektorfläche das Innere auf bis zu 90 Grad Celsius aufheizen.

Noch kein anerkannter Stand der Technik bei Saisonalspeichern

Die hohen Temperaturen sind für die eingesetzten Kunststoffmaterialien eine Herausforderung. Für die Speicher in Bracht und Meldorf hat das beauftragte Ingenieurbüro Ramboll in funktionalen Ausschreibungen die Mindesthaltbarkeit der Materialien auf 25 Jahre angesetzt.

Bauingenieur Stefan Maretzki zeigt sich zuversichtlich, dass dieses Ziel erreicht wird, auf das sich auch die Bürgerenergiegenossenschaft in Bracht bei der Kalkulation ihrer Wärmekosten verlässt. Aber Maretzki sagt auch: „Wir haben keine Langzeiterfahrungen. Alle Beteiligten sind sich darüber im Klaren, dass wir hier keine Proven Technology installieren.“

Genossenschaftsvorstand Helgo Schütze ist sich völlig bewusst, dass die Bürgerinnen und Bürger von Bracht Neuland betreten: „Wir wollen hier eine Blaupause schaffen für andere Kommunen, die auch in diese Richtung denken.“

Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH

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