Österreich: PV-Branche tagt in Wien
Österreich erlebte in den letzten Jahren ein starkes Wachstum bei der Photovoltaik. Im Jahr 2022 knackte das Land erstmals die Gigawatt-Marke bei den neu installierten PV-Anlagen. Wie in Deutschland stößt der Ausbau der erneuerbaren Energien auch in Österreich an die Grenzen der Netzkapazität. Schon im vorigen Jahr sahen fast zwei Drittel der Mitglieder von PV Austria dies als größtes Problem der Branche. Der Vorstandsvorsitzende von PV Austria, Herbert Paierl, drängt daher auf einen raschen Ausbau von Netzen und Speichern: „Die Grenzen der Physik lassen sich nicht weg reden, es braucht endlich Schwung für den Netzausbau.“ Der Schwung beim PV-Ausbau müsse auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene fortgesetzt werden.
Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität Innovation und Technologie sprach zur Begrüßung der Teilnehmenden. Sie stellte vor allem zwei Maßnahmen heraus – die seit diesem Jahr geltende Mehrwertsteuerbefreiung für kleine Photovoltaik-Anlagen bis 35 KW als „neuen, grünen Turbo“ und die anstehende Modernisierung des Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) als „neues, dringend notwendiges Betriebssystem“ für die Energiewende. Die Ministerin sieht im ElWG das Potenzial für ein europäisches Best-Practice-Modell.
Podiumsdiskussion: Parteien in Österreich wollen ElWG bald beschließen
In einer Podiumsdiskussion kamen Vertreterinnen und Vertreter der politischen Parteien zu Wort. Einig waren diese sich darin, dass das ElWG in den nächsten drei Monaten beschlossen werden sollte.
Karin Doppelbauer, Energiesprecherin der liberalen Partei Neos plädierte für mehr mehr übergeordnete Infrastrukturplanung und Netzausbau. „Diskussion ist gut, wir müssen aber ins Handeln kommen.“ Auch bei der Umsetzung von Energieprojekten müsse es mehr Tempo geben, zum Beispiel durch eine für die Bundesländer verbindliche Energieraumplanung. Zugleich sieht sie „die großen Landesenergieversorger als durch und durch politisiert“ und verlangt mehr Berücksichtigung der Interessen von Bürger:innen. Um mehr Zustimmung zu finden, sei es zum Beispiel wichtig, 110 kV-Leitungen als Erdkabel zu verlegen. Politische Parteien sollten sich aus den Aufsichtsräten der Energieversorger zurückziehen. Zudem könne mehr Wettbewerb für niedrigere Strompreise und eine niedrigere Inflation sorgen. In Bezug auf das Elektrizitätswirtschaftsgesetz ElWG und das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz signalisierte sie Gesprächsbereitschaft.
Auch Tanja Graf, Energiesprecherin der ÖVP, lobte umgesetzte Maßnahmen wie die Mehrwertsteuersenkung für Photovoltaik. In Bezug auf den Netzausbau kritisierte sie „viel zu lange“ Genehmigungsdauern. „Wir brauchen weniger Ideologie und mehr offene Diskussion, wenn es um übergeordnete Energieprojekte geht“, sagte sie. Die Regierung benötige für den Beschluss des ElWG eine Zweidrittelmehrheit. Daher appellierte Graf an die Oppositionsparteien, mehr gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen. Vom zuständigen Ministerium forderte sie zeitnah einen neuen ElWG-Entwurf, der auch technisch umsetzbar sei.
Lukas Hammer, Energiesprecher der Grünen, sieht die Energiewende als Investition in die heimische Wirtschaft. Er verwies auf die hohen Kosten für Öl- und Gasimporte von jährlich 17 Milliarden Euro, die durch die Energiewende sinken sollen. Von Investitionen in den Erneuerbaren-Ausbau würden letztlich Menschen und die heimische Wirtschaft profitieren. Er Hammer sieht langjährige politische Versäumnisse, nun aber einen Schub. „Die unglaublichen PV-Zuwächse allein zeigen, dass die Energiewende möglich ist und welches enorme Potenzial hier im Land ist.“ Das ElWG sei zentral dabei. Das Klimaschutzministerium habe mittlerweile mehr als 350 Stellungnahmen einarbeitet und Hammer zeigt sich optimistisch, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen wird. Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz sieht der Energiesprecher der Grünen als „Turbo“. Bei der Energie-Raumplanung plädiert Hammer für mehr Bundeskompetenz und sieht dazu auch wichtige Schritte im ElWG.
Für Axel Kassegger, Energie- und Wirtschaftssprecher der FPÖ, läuft hingegen einiges „in die falsche Richtung“. Er sieht Energiepolitik vor allem als Wirtschafts- und Standortpolitik sein. Da ohnehin mehr als 75 Prozent des Stroms in Österreich aus erneuerbarer Energie stammen, sei das Ziel, bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus Erneuerbaren zu gewinnen, nicht prioritär. Das ElWG sieht auch Kassegger als „enorm wichtig“, der Netzausbau sei jahrelang verschlafen werden. Auch er betonte die grundsätzliche Gesprächsbereitschaft seiner Partei, sieht aber noch viele konkrete Fragen offen. Beim Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz gebe es zum Beispiel Diskrepanzen zwischen übergeordneten Energiezielen und den Interessen der örtlichen Bevölkerung. Auch die Frage, wer die Kosten tragen solle, sei noch nicht geklärt.
Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ, sagt, seine Partei stehe für zwei Drittelmehrheiten grundsätzlich zur Verfügung. Dafür müsse es aber Maßnahmen für eine optimierte Infrastruktur, hohe Versorgungssicherheit und Ausbildungsoffensiven geben. Schroll sprach von „leeren Ankündigungen“ der Regierung. Dem ElWG werde die SPÖ nur zustimmen, wenn es ausgewogen, leistbar und sozial gerecht sei. Es müssten „alle Menschen von der Politik abgeholt werden und niemand darf in einer kalten und dunklen Wohnung zurückgelassen werden.“ Die Energiewende sei auch eine Gerechtigkeitsfrage.
Quelle: PV Austria | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH