Mit Windenergie lokale Wertschöpfung erzielen
Manche Dörfer in Deutschland sind durch Windkraftanlagen ihre finanziellen Sorgen losgeworden. Ein bekanntes Beispiel sind die benachbarten Hunsrück-Dörfer Neuerkirch und Külz. Die konnten schon 2015 jedem interessierten Hausbesitzer die Anschlussgebühr an ihr damals neu gebautes gemeinsames Wärmenetz schenken. Die 4000 Euro pro Hausanschluss nahmen sie aus den Pachteinnahmen, die beide Kommunen von den Betreibern mehrerer Windkraftanlagen auf gemeindeeigenem Grund erhielten. Bei der Ausweisung von Windenergieflächen hatten die selbstständigen Gemeinden darauf geachtet, dass Windräder im Kommunalwald errichtet wurden. Das vermeidet Neiddebatten zwischen Landeigentümern und spült Geld in die Gemeindekasse. Ein Musterbeispiel – aber kein seltenes – für lokale Wertschöpfung aus Windenergie.
Direkte Pachteinnahmen von Kommunen aus Windkraftanlagen sind bei bundesweiter Betrachtung zwar nicht ganz selten, aber doch eher ein Glücksfall. Denn nicht jede Gemeinde, auf deren Gebiet jetzt aufgrund des Windflächenbedarfsgesetzes neue Eignungsgebiete für die Windkraftnutzung ausgewiesen werden, verfügt über eigene für Windräder geeignete Ländereien. Und dass gar eine Kommune selbst oder indirekt über ihr Stadtwerk ein Windrad betreibt, um damit Gewinne zu erzielen, ist auch eher selten.
Lokale Wertschöpfung aus Windenergie?
Um so wichtiger ist es aus kommunaler Sicht, sich Gedanken über alternative Wege zu machen, wie aus den teils üppigen Erlösen, die mit bestehenden oder künftig zu errichtenden Windenergieanlagen erzielt werden, lokale Wertschöpfung werden kann – sei es über die Gemeindekasse oder über Einnahmen von Unternehmen und Bürger:innen vor Ort. Da die nicht alle glücklich sind, über den Anblick der 200 Meter hohen Bauwerke in ihrer Nachbarschaft, könnte finanzielle Beteiligung auch die Akzeptanz erhöhen.
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2024 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!
Eine legale Möglichkeit eröffnet seit einigen Jahren § 6 des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG). Betreiber von Windkraftanlagen – und mittlerweile auch von Solarparks – dürfen bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde des erzeugten Stroms an die Standortkommunen und andere Gemeinden in 2,5 Kilometer Umkreis des Turmfußes zahlen, ohne dadurch in strafrechtlich relevanten Bestechungsverdacht zu geraten. Andersherum dürfen Kommunen das Geld für ihre Gemeindekasse annehmen, ohne dass Bürgermeister:in oder die Gemeinderatsmitglieder sich der Bestechlichkeit schuldig machen. Allerdings sind diese Zahlungen, die seit Anfang 2023 nicht mehr nur für neue, sondern auch für bestehende Windkraft- und Solaranlagen vertraglich vereinbart werden können, für die Anlagenbetreiber freiwillig. Eine Kommune darf Projektierer und Betreiberunternehmen, die nicht bereit sind, die 0,2-Cent-Schenkung zu leisten, deshalb nicht benachteiligen.
Bundesweiter Flickenteppich
Stattdessen hatten die Verbände der Erneuerbaren-Energien-Branche seit Einführung des § 6 EEG stets gefordert, dass der Bundesgesetzgeber die Zahlungen verpflichtend machen solle. Dies würde für Kommunen von Anfang an Klarheit schaffen und für die Anlagenbetreiber entstünde bei den Stromkosten ein Level Playing Field, auf dem alle die gleichen Chancen haben.
Doch vorerst wird es eine verpflichtende Kommunalbeteiligung auf Bundesebene nicht geben, obwohl das eigentlich alle Beteiligten, einschließlich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), gut fänden. Denn es bestehen seit Beginn der Diskussion juristische Bedenken, ob eine bundesweite Zahlungspflicht verfassungsrechtlich zulässig sei. Das Ministerium des Grünen Robert Habeck hatte deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis seit Dezember vorliegt und das die juristischen Zweifel erhärtet hat. Der Gutachter, Professor Martin Kment aus Augsburg, kam zu dem Ergebnis, dass der Bund eine solche Zahlungspflicht an die Kommunen aus verschiedenen Gründen nicht vorschreiben dürfe.
Habeck nimmt Abstand von bundesweiter Beteiligungspflicht
Daraufhin hatte sich auch Habeck festgelegt, dass man von Seiten des Bundes keine verpflichtenden Zahlungen vorschreiben könne, so sehr dies die Branche auch weiterhin fordert. Denn dass anstelle des Bundes nun die Länder ihre Bemühungen verstärken, mittels eigener Gesetze die Lücke zu füllen, führt zunehmend zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Lösungen. Während die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern (MV), das als erstes Bundesland bereits 2016 ein Bürger- und Gemeinde-Beteiligungsgesetz für die Windenergie einführte, schon an der zweiten großen Novelle des Gesetzes arbeitet, gibt es in den meisten Bundesländern noch nichts dergleichen. Zwar stieß das MV-Gesetz in seiner ursprünglichen Form nicht überall auf Gegenliebe, aber immerhin hat es die Landesregierung mit der aktuell gültigen Gesetzesfassung geschafft, dass im Nordosten kein neues Windrad gebaut wird, ohne dass die Kommunen im Umfeld mindestens in Höhe der bundesgesetzlichen „Empfehlung“ an den Erlösen beteiligt werden. Die bundesweite Kann-Regelung ist hier zum Mindeststandard geworden.
Derweil hat auch die Landesregierung von Brandenburg eine Novelle ihrer Kommunalbeteiligung angeschoben. Müssen Windkraftbetreiber dort seit 2020 pauschal 10.000 pro Windturbine jährlich an die Kommune zahlen, soll sich der Satz künftig an der Leistung der Anlagen orientieren. Das Landeskabinett hat Anfang März beschlossen, dass Windmüller künftig 5000 Euro pro Megawatt (MW) und Jahr zahlen sollen. Für ein modernes 6-MW-Windrad könnten Kämmerer also 30.000 pro Jahr fest für die Gemeindekasse einplanen. Die Gesetzesnovelle, die ab Anfang 2026 greifen soll, muss allerdings zunächst im Landtag debattiert und beschlossen werden. Bereits mit der aktuellen Fassung des „Windeuro“ nehmen die Standortkommunen in Brandenburg zusammen 1,87 Millionen Euro pro Jahr ein. Hinzukommen werden ab 2025 Zahlungen nach dem kürzlich vom Landtag beschlossenen „Solareuro“, der nach dem gleichen Prinzip als Zahlungspflicht in Höhe von 2000 Euro pro MW auf Betreiber neuer Solarparks zukommt.
Andere Länder ziehen nach
Auch in NRW sind Städte und Gemeinden seit Anfang des Jahres nicht mehr in der Rolle des Bittstellers, wenn es um Einnahmen aus neuen Windkraftanlagen geht. Das dortige Beteiligungsgesetz lässt den Verhandlungspartnern allerdings vielfältige Freiheiten bei der Wahl einer geeigneten Beteiligungsmöglichkeit. In drei weiteren Bundesländern, Niedersachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind entsprechende Gesetzentwürfe im Entscheidungsprozess. Man darf gespannt sein, wann andere Länder aktiv werden.
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH
Dieser Artikel ist original in der Ausgabe 4/2024 der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Energiekommune ist der Infodienst für die lokale Energiewende. Er erscheint monatlich. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabonnement mit drei aktuellen Ausgaben!