Ampel plant Beschleunigungsgebiete für Wind und Solar
Die aktuellen Zahlen zur Genehmigungssituation, die die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) am heutigen Mittwoch in einem Pressegespräch präsentiert hat, lassen aufhorchen. Außer im 4. Quartal 2016 wurden nach Aussage der Agentur noch so viele Anlagen in einem Quartal genehmigt wie in den Monaten Januar bis März 2024. Mit 2,6 Gigawatt liegt der Quartalswert rund 40 Prozent über dem Vorjahreswert. Neu ans Netz gegangen sind in diesem Zeitraum 717 Megawatt. Bei den Inbetriebnahmen liegt der Wert immerhin um 19 Prozent über dem Vorjahr. Der Windkraftausbau nimmt also weiter an Fahrt auf.
FA Wind: Mehr Genehmigungen in einem Quartal als je zuvor
Vor allem belegen die Zahlen aber, dass sich der jahrelange Genehmigungsstau für Windenergieanlagen aufzulösen scheint. Dazu dürfte die geltende Gesetzgebung der Bundesregierung und der Europäischen Union ihren Teil beigetragen haben. Sei es durch die Bestimmung zum „überragenden öffentlichen Interesse“ am Ausbau der erneuerbaren Energien in § 2 des EEG, sei es durch Detailregelungen zum Konflikt mit der Flugsicherung oder zum Artenschutz, sei es durch die beginnende Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes in den Ländern. Fakt ist, dass sich der Wind in den Genehmigungsbehörden gedreht hat.
Dass dort die Ampeln jetzt schneller von gelb auf grün springen, liegt allerdings auch am Druck, der aus Brüssel kommt. Mit der EU-Notfallverordnung haben Kommision und Rat den Mitgliedsregierungen als Exekutive vorweggenommen, wofür die Legislative etwas länger benötigt. Die Gesetzgebung allerdings zieht jetzt nach. Diese juristischen Vorgänge sind jedoch etwas erklärungsbedürftig.
Verordnung greift Richtlinie vor
Mit der im vergangenen Jahr beschlossenen und am 31. Oktober 2023 im Amtsblatt der EU veröffentlichten Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) werden europaweite Verfahrensbeschleunigungen für die Genehmigung von Energiewende-Anlagen eingeführt. Allerdings gelten EU-Richtlinien nicht unmittelbar, sondern müssen erst von den Mitgliedsländern in nationale Gesetze überführt werden. Dafür gelten Fristen – oft bis zu zwei Jahre.
EU-Verordnungen hingegen wirken im Gegensatz zu den EU-Richtlinien unmittelbar. Sie müssen nicht erst in nationales Recht überführt werden. Unter dem Eindruck der drohenden Energieknappheit durch den russischen Krieg gegen die Ukraine hat deshalb die EU-Exekutive per Notfallverordnung bereits Ende 2022 unter anderem die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und den Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung in Windenergie-Vorranggebieten verfügt. Für die Genehmigung von Windkraft-Repowering beispielsweise gesteht die Verordnung den Behörden lediglich noch eine Frist von sechs Monaten zu. Die Verordnung hat der Rat der Europäischen Union inzwischen bis Mitte 2025 verlängert. Spätestens seit der Bundesrat im Frühjahr 2023 die deutschen Ergänzungen zur EU-Verordnung angenommen hat, entfaltet deshalb die neue Rechtslage im Bereich der Genehmigungverfahren für Windkraftanlagen Wirkung.
Beschleunigungsgebiete in deutsches Recht implementieren
Und nun holt die Bundesregierung zur nächsten Gesetzesnovelle aus. Die soll dieses Tempo bei Windkraftgenehmigungen verstetigen und auf weitere Bereiche ausweiten. Ein Referentenentwurf, für den das Wirtschaftsministerium (BMWK), das Umweltministerium und das Bauministerium gemeinsam verantwortlich zeichnen, ist seit der vergangenen Woche auf der Internetseite des BMWK einzusehen. Er soll die Regelungen der RED III zur Verschlankung der Verfahren und die Beschleunigungsgebiete nach EU-Recht in Deutschland implementieren. Denn die RED III setzt dafür eine Frist bis Ende Juni.
Die Novelle erfordert Änderungen im Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG), im Baugesetzbuch (BauGB), im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), im Raumordnungsgesetz (ROG) sowie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).
Neu ist für den Windbereich zunächst mal eine begriffliche Neuerung: Vorrang- bzw. Eignungsgebiete, wie sie bereits nach dem Windenergieflächenbedarfsgesetz von den Ländern für durchschnittlich zwei Prozent der Landesfläche bis 2032 festzulegen sind, sind künftig in der Regel zusätzlich im Flächennutzungsplan als „Beschleunigungsgebiete“ auszuweisen, sofern sie nicht in besonders naturschutzrelevanten Gebieten liegen. Solche Beschleunigungsgebiete können künftig auch für Solarfreiflächenanlagen ausgewiesen werden.
UVP soll in Beschleunigungsgebieten entfallen
In den Beschleunigungsgebieten soll eine allgemeine Umweltprüfung auf Planungsebene die Einzelfallprüfungen weitgehend ersetzen. So entfallen dort im Genehmigungsverfahren für Wind- und Solarparks spezielle Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) und Artenschutzprüfungen nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Zugleich sollen Fristen für die Antragsbearbeitung dauerhaft begrenzt werden. Ähnlich, wie es die Branche bereits seit dem vergangenen Jahr aufgrund der Notfallverordnung erlebt: Anstelle der projektbezogenen UVP oder Artenschutzprüfung verlagert sich Aufwand auf die vorgelagerte Planungsebene.
Die Genehmigungsbehörde hat dann in den Beschleunigungsgebieten anhand vorhandener Daten nur noch zu überprüfen, ob die festgelegten und vom Vorhabenträger vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichen, um, wie es im Referentenentwurf heißt, „höchstwahrscheinlich erhebliche unvorhergesehene nachteilige Umweltauswirkungen angesichts der ökologischen Empfindlichkeit des Gebiets“ zu vermeiden. Dafür bleiben der Behörde 45 Tage Zeit, im Fall von Repowering-Vorhaben nur 30 Tage.
Je nachdem, wie die Prüfung ausfällt, haben die Behörden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen anzuordnen. Als letztes Mittel, sofern keine Daten zum Artenschutz vorliegen oder keine geeigneten Schutzmaßnahmen verfügbar sind, ist vom Anlagenbetreiber ein finanzieller Ausgleich zu zahlen. Dieser beträgt für Windkraftanlagen jährlich 450 Euro je Megawatt (MW), sofern bereits Abregelungen zum Schutz von Vögeln angeordnet wurden. Ansonsten sind 3.000 Euro/MW fällig. Solaranlagenbetreiber kommen wesentlich günstiger davon. In der Diskussion ist hier ein Pauschalbetrag von 25 Euro/MW.
Solarenergie- und Beschleunigungsgebiete auch für Solarthermie
Neu ist § 249b des Baugesetzbuches, nach dem Kommunen künftig „Solarenergiegebiete“ im Flächennutzungsplan ausweisen können. Dies soll für Solarthermieanlagen und PV-Parks gleichermaßen möglich sein und auch Flächen für Wärme- und Stromspeicher einschließen. In Solarenergiegebieten können einige öffentliche Belange wie Denkmalschutz, Erholungswert, Orts- und Landschaftsbild und Bodenschutz einem Solarpark künftig normalerweise nicht mehr entgegengehalten werden.
Überschneiden sich Wind- und Solarenergiegebiete, so soll der Windkraftnutzung Vorrang einzuräumen sein. Solarenergiegebiete können künftig ebenso wie Windenergiegebiete als „Beschleunigungsgebiete“ ausgewiesen werden. Für Solar bleibt es allerdings im Gegensatz zum Wind bei einer Kann-Bestimmung.
Durch Ausweisung eines Solarenergiegebiets können Kommunen somit über den Flächennutzungsplan nicht nur der Solartechnik Vorrang vor anderen Nutzungsformen verschaffen, sondern auch unmittelbares Baurecht für Solaranlagen schaffen. Damit wird das bisher übliche Verfahren über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht abgeschafft, sondern es soll lediglich ein alternatives Planungsverfahren hinzukommen. Die Kommunen bleiben bei der Steuerung möglicher Solarfreiflächen normalerweise weiterhin souverän. Allerdings könnten einzelne Bundesländer die Möglichkeit zur Ausweisung von Solarenergiegebieten theoretisch auch auf höhere Planungsebenen verschieben.
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH