Wind- und Solarforschung stemmt sich gegen Kürzungen
Der Forschungsverbund fürchtet, dass seine Mitgliedseinrichtungen aufgrund von Kürzungen der BMWK-Energieforschungsmittel im Laufe des Jahres 2024 rund 30 Prozent weniger neue Forschungsprojekte starten können als in den Vorjahren. Falls die Kürzung im Bundeshaushalt 2025 nicht korrigiert werde, sei Personalabbau hochqualifizierter Mitarbeiter:innen die Konsequenz. „Dies beschädigt massiv die Attraktivität der Energieforschung als Arbeitgeber. Irreversible Verluste hochqualifizierter Fachkräfte wären ebenso die Folge wie deutliche Rückschritte bei der zeitlichen Umsetzung der Energiewende “, sagt FVEE-Geschäftsführer Niklas Martin.
Für die Institutsleiter ist aber offenbar nicht die Etatkürzung um einige Millionen Euro das größte Problem, sondern vielmehr die Tatsache, dass die chinesische Konkurrenz enormen Druck erzeugt und die Existenz vieler Industriebetriebe bedroht. Das gilt bereits seit Jahren für die Photovoltaik und seit Kurzem auch für die Windenergie. In den Forschungsinstituten wächst die Befürchtung, dass ihr die Industrie abhanden kommt.
Andreas Reuter, der Institutsleiter des Fraunhofer IWES und seit Dezember 2023 der Sprecher des FVEE, betonte bereits im Januar vor dem Hintergrund des damals auf Eis liegenden Bundeshaushalts 2024: „Die Energiewende ist realisierbar. Wir bauen damit eine günstige und nachhaltige Energieversorgung in Deutschland und Europa auf.“ Voraussetzung sei aber eine stabile politische Unterstützung für die Forschung: „In der aktuellen Haushaltsplanung sind massive Kürzungen der Energieforschungsmittel vorgesehen, die bislang anteilig aus dem Klima- und Transformationsfonds bereitgestellt wurden. Dies hätte eine verheerende Wirkung in einem der wichtigsten Zukunftsfelder.“
Andreas Bett, einer der beiden Institutsleiter des Fraunhofer ISE, sagt: „Die deutsche Forschungslandschaft, die seit 40 Jahren mit viel Engagement aufgebaut wurde, bildet ein intaktes Ökosystem. Und zunächst kommt es darauf an, dieses Ökosystem zu erhalten, damit die Deutschen auch weiterhin an der Spitze der Forschung eine Rolle spielen können.“
Pflege des „solaren Ökosystems“
Die Förderung der Photovoltaik-Forschung wurde von der Bundesregierung schon im Jahr 1982 massiv aufgestockt, obwohl die Solarindustrie damals noch in den Kinderschuhen steckte und bis 1995 sogar stagnierte. Erst mit der Gründung neuer Solarfabriken ab 1996 entwickelte sich allmählich ein industrielles und akademisches „solares Ökosystem“, das den Aufstieg der deutschen Solarindustrie an die Weltspitze ermöglichte.
Doch etwa ab 2010 wurde nicht nur die deutsche, sondern die gesamte europäische Solarindustrie von der chinesischen überflügelt und weitestgehend aus dem Markt gedrängt, mit dem Ergebnis, dass die hiesige Energiewende von Zulieferungen aus Ostasien abhängig wurde.
Unter diesen Vorzeichen sei es die vordringliche gesellschaftliche Aufgabe der Photovoltaik-Forschung, „Beiträge zu einer sicheren Versorgung mit Photovoltaik-Produkten zu leisten und insbesondere die Abhängigkeit von Autokratien auf ein Minimum zu begrenzen“, betont Rolf Brendel, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des ISFH. Außerdem sei es ihre Aufgabe, bahnbrechende Neuerungen für den weltweiten Fortschritt zu entwickeln, damit die PV-Technologie mit immer geringerem Einsatz von Ressourcen hergestellt werden kann.
China: Industrie stützt Forschung
Die deutsche Photovoltaik-Grundlagenforschung, die sich ausschließlich im Labor abspielt, also von der Technologiereife noch weit entfernt ist, ist nach Ansicht von Andreas Bett immer noch führend. Das ist an den erzielten Wirkungsgraden erkennbar. Viele Rekordergebnisse sind noch in europäischer Hand. Neben dem Fraunhofer ISE sind insbesondere das Helmholtz-Zentrum Berlin und das ISFH herausragend. Die chinesische Forschung hat aber aufgeholt und agiert inzwischen auf Augenhöhe mit der europäischen.
In der industrienahen PV-Entwicklung kann China inzwischen exzellente Ergebnisse vorweisen, die zwar ursprünglich auf den Erkenntnissen aus der europäischen Forschung basieren, aber immer mehr eigene originär chinesische Innovationen umfassen. Andreas Bett führt das unter anderem darauf zurück, dass chinesische Modulhersteller seit Jahren an der Spitze der Weltrangliste stehen und deshalb in der Lage sind, einen großen Teil ihres Umsatzes in die Forschung zu investieren. Dadurch stehen immense Summen zur Verfügung, um neue Solarzellenkonzepte zu erforschen und zu entwickeln.
Michael Powalla, Leiter des Bereichs Photovoltaik des ZSW, stellt rückblickend fest, dass die Ursprungsideen und die Anfangsentwicklungen häufig aus Deutschland und Europa kamen, während die Umsetzung zum Produkt in China vorangetrieben wurde. Vereinfacht ausgedrückt: „Wir sind gut von null auf eins, und in China passiert anschließend die Skalierung von eins auf 100“, sagt Michael Powalla und fordert: „Das müssen wir in Zukunft besser machen.“
Wechselwirkung zwischen Solarforschung und Industrie
Forschung braucht die Wechselwirkung mit der industriellen Produktion. Deshalb unterstützen die deutschen und europäischen Forschungsinstitute die Bemühungen, die industrielle Fertigung entlang der PV-Wertschöpfungskette wieder aufzubauen. Um der deutschen PV-Industrie möglichst wieder einen Vorsprung zu verschaffen, konzentrieren sich die Forschungsinstitute auf die Entwicklung von Hocheffizienzkonzepten und deren Transfer in die industrielle Produktion. Außerdem entwickeln sie neue Tandem-Solarzellen. Das Forschungsgebiet der Stunde ist dabei die Perowskit-Silizium-Tandemsolarzelle, von der man sich einen Modulwirkungsgrad von über 30 Prozent verspricht.
Der Vorsprung der chinesischen Solarindustrie ist aber enorm angewachsen, und es stellt sich Frage, ob es überhaupt noch gelingen kann, den Rückstand aufzuholen. Michael Powalla ist optimistisch, denn „wir stehen noch ganz am Anfang“. Weltweit wurden erst etwa 1,5 Terawatt (TW) installiert. Das ist wenig im Vergleich zu den 80 TW, die seiner Ansicht nach für die weltweite Energiewende erforderlich sind. Demnach steht für die Aufholjagd also noch eine lange Strecke zur Verfügung.
Ökologischer Fußabdruck
Um die deutsche PV-Forschung zu stärken, sind mehrere Voraussetzungen erforderlich: eine kontinuierliche Förderung, eine verstärkte europäische Zusammenarbeit und die Produktion über die gesamte Wertschöpfungskette. Dazu kommt viertens eine Produktbewertung, die den ökologischen Fußabdruck und die Recyclingfähigkeit stärker berücksichtigt.
Die Kooperation auf europäischer Ebene betrifft sowohl die Forschung als auch den Aufbau von Produktionskapazitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette, wobei die Zusammenarbeit mit den Zulieferern nicht vernachlässigt werden darf, wie Rolf Brendel betont: „Nur im Verbund erreichen wir die erforderlichen Kapazitäten.“
Zusammenarbeit der Windforschungs-Institute
„Die Windenergie-Forschung sichert bisher die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen“, sagt Andreas Reuter. Seit einigen Jahren arbeiten die großen europäischen Windforschungs-Einrichtungen enger zusammen. Sie nutzen vermehrt Synergien und konzentrieren sich auf ihre jeweiligen Forschungsschwerpunkte.
Doch auch die Windenergie-Industrie bekommt die wachsende Konkurrenz zu spüren. Teile der Wertschöpfungskette sind in den vergangenen Jahren aus Europa nach Asien abgewandert. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die inzwischen in fast allen Ländern üblichen Ausschreibungsmodelle als einziges Kriterium die Stromerzeugungskosten berücksichtigen.
Nur diejenigen Bieter sind erfolgreich, die mit den geringsten Kosten pro erzeugter Kilowattstunde in die Ausschreibung hineingehen. Deshalb versucht die chinesische Windenergie-Industrie, mit extrem preisgünstigen Windturbinen auf dem europäischen Markt Fuß zu fassen. Doch für das Gebot sind nicht nur die Kosten der Windturbine allein, sondern auch die Zuverlässigkeit der Komponenten und die dahinterliegende Logistikkette maßgeblich. „Ob chinesische Firmen substanziell günstiger sein werden, wage ich zu bezweifeln“, betont Andreas Reuter.
Kostensenkung statt Nobelpreis
Die Windenergie-Forschung kann einen bedeutenden Beitrag dazu leisten, angesichts des sich verschärfenden Wettbewerbs die Position der deutschen und europäischen Windenergie-Industrie zu stärken. Ein Großteil der Forschungsarbeiten trägt dazu bei, dass die Windturbinen ebenso wie die Windparks zuverlässiger und kostengünstiger werden. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie ist eng. „Damit kriegen wir zwar keine Nobelpreise, aber der Wettbewerbsfähigkeit der Branche hilft es sicherlich“, resümiert Andreas Reuter.
Neue Forschungsvorhaben werden dadurch gefiltert, dass das Bundeswirtschaftsministerium eine Spielregel eingebaut hat. Für alle Projekte ist eine substanzielle Industriebeteiligung erforderlich. Denn nur so kann man die wirtschaftliche Notwendigkeit der Projektidee nachweisen.
Allerdings wurde im Zuge der jüngsten Haushaltskrise etwa die Hälfte der vom Fraunhofer IWES gemeinsam mit der Industrie eingereichten Projektvorschläge abgelehnt, weil die Fördermittel nicht ausreichten. Diese Ablehnungen sind einschneidend, weil es sich nach Ansicht von Andreas Reuter um Projekte handelte, die für die Energiewende von großer Bedeutung sind und die einen Markt betreffen, in dem die chinesische Industrie den Wettbewerb stetig verschärft. Aus Sicht des FVEE führt deshalb kein Weg daran vorbei, die Forschungsförderung wieder deutlich aufzustocken.
Autor: Detlef Koenemann | © Solarthemen Media GmbH