Blendwirkung von Photovoltaik als Stein des Anstoßes
Am Frankfurter Flughafen entsteht zurzeit entlang der Startbahn West eine Photovoltaik-Freiflächenanlage mit 17,4 Megawatt Leistung. Der Flughafenbetreiber Fraport AG hat sich dabei für die vertikal aufgestellten PV-Module des Anbieters Next2Sun entschieden. Ein Vorteil der vertikalen Montage ist, dass von den Photovoltaik-Modulen nur in kurzer Distanz und nur unter der Modulunterkante eine Blendwirkung auftreten kann. „Da der Einfallswinkel der eintreffenden Sonnenstrahlen gleich dem Ausfallswinkel ist, werden die Reflexionen des Sonnenlichts, das natürlicherweise von oben auf die Module fällt, immer zum Boden gelenkt und Piloten können somit nicht geblendet werden“, sagt Tanja Göller, Abteilungsleiterin Marketing bei Next2Sun.
Anders kann es aussehen, wenn Photovoltaik, aber auch große Glasflächen an Fassaden höherer Gebäude in der Nähe von Tower oder Startbahn montiert sind. „Für am Boden rollende Flugzeuge können hohe Fassaden bei Annäherung Blendungen verursachen“, sagt der österreichische Gutachter Jakob Zehndorfer, gerichtlich beeideter Sachverständiger für Photovoltaik und Blendungen. Das sei aber nicht so kritisch wie beim Landeanflug.
Blendgutachten für PV-Anlagen
Nicht nur an Flughäfen, auch an Autobahnen und Bahntrassen kann das von Photovoltaik-Modulen reflektierte Sonnenlicht eine Gefahr bedeuten. Daher erstellt man in solchen Bereichen oft im Vorfeld ein Blendgutachten. Doch Blendungen können nicht nur die Verkehrssicherheit, sondern auch die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen. Reflexionen von Photovoltaikanlagen gelten als Immissionen in Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). „Blendgutachten sind auch dazu da, um die Nachbarschaft vor unzumutbaren Blendungen zu schützen. Bei Lichteinfall von mehr als 100.000 Candela pro Quadratmeter kann sich die Pupille im menschlichen Auge nicht weiter verkleinern und es entstehen Schmerzen im Auge, sodass man den Blick abwenden muss“, sagt Zehndorfer. Reflexionen von PV-Modulen können solch hohe Leuchtdichten verursachen, die bei Personen im Extremfall bis zur Erblindung führen können.
In Deutschland regeln die „Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (kurz LAI-2012)“ den Umgang mit Lichtimmissionen. Diese Richtlinie definiert private Wohn- und Schafzimmer, aber auch Hotels, Schulen, Krankenhäuser und Büroräume als besonders schutzwürdige Räume. Laut LAI-2012 sind nur Räume in einem Abstand von weniger als 100 Metern zur PV-Anlage betroffen. Das gilt besonders für Bereiche im Westen und Osten der Anlage. Im Norden kann nur bei sehr flach montierten PV-Modulen eine Blendung entstehen. Nach Süden reflektieren Fassaden-PV-Anlagen. Für Schutz vor Lichtimmissionen können bei Freiflächenanlagen Wälle oder dichte Hecken sorgen. Eine Optimierung der Modulausrichtung oder der Einsatz von Modulen mit einem geringen Reflexionsgrad reduzieren Blendungen.
Grenzwert für Blenddauer durch Photovoltaik
Die Verringerung von Blendungen spielt eine wichtige Rolle, denn die LAI-2012 definiert einen Schwellenwert, ab wann eine erhebliche Belästigung im Sinne des BImSchG vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Blenddauer mindestens 30 Minuten am Tag oder 30 Stunden pro Kalenderjahr beträgt. Liegt die Blenddauer darunter, sind den Betroffenen selbstschützende Maßnahmen wie ein Ortswechsel oder eine Verdunkelung des Zimmers zumutbar.
Großfläche Photovoltaikanlagen verursachen großflächige Reflexionen, aber auch PV-Kleinanlagen oder Solarthermieanlagen können erhebliche Lichtimmissionen verursachen. „Durch die Nähe der Nachbarn sowie auch die Höhenunterschiede der Dächer können Blendungen in urbanen Räumen, auch von kleineren Anlagen, besonders störend sein“, sagt Zehndorfer. Manchmal liege ein PV-Dach horizontal vor dem Fenster eines Nachbarn. Daher werden die Grenzwerte der Richtlinie auch im Umfeld von Kleinanlagen gelegentlich überschritten und es kommt dann häufiger zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Zehndorfer hat schon einige Fälle im Zivilrecht technisch beurteilt und schätzt, dass es in Deutschland eine Anzahl von gerichtlichen Fällen bei Blendungen von PV-Anlagen im oberen zweistelligen Bereich gibt. Dabei orientieren sich die Gerichte an den Grenzwerten. Das Landgericht Frankenthal verurteilte im Jahr 2022 einen Solaranlagen-Betreiber, seine PV-Anlage künftig so auszurichten, dass sie keine wesentliche Blendwirkung in Richtung des Nachbarhauses verursacht. Die Nachbarn hatten sich über Blendungen in den Sommermonaten besonders zwischen 17 und 18 Uhr beklagt. Anders urteilte das Landgericht Göttingen 2022. Die Störung im Wohnraum des Klägers war laut Gutachten hier pro Jahr in weniger als 20 Stunden aufgetreten und über rund 60 Tage verteilt.
Nachbarschaftsstreit um Blendwirkung von Photovoltaik vermeiden
Wie können potenzielle PV-Betreiber Nachbarschaftsstreit vermeiden? „Es ist wichtig, den schlechtesten Fall zu berücksichtigen“, sagt Zehndorfer. „Ein hoch gelegenes Fenster oder ein Balkon hat oft eine großflächigere Sichtbeziehung zur benachbarten PV-Anlage als Punkte auf dem Boden.“ Ungünstig seien PV-Felder, die vom Nachbarhaus großflächig zu sehen sind, und wenn die PV-Module dem Nachbarn zugewendet sind. Dabei verursachten Norddächer in der Regel mehr Probleme als Süddächer. Denn bei Solaranlagen auf einem Süddach strahlen die Reflexionen meist nicht in Richtung Süden, sondern bei Sonnenauf- und -untergang in Richtung Südosten und Südwesten. Gutachter Zehndorfer empfiehlt, bei Problemen mit dem Nachbarn im Gespräch zu bleiben und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten: „Bei dieser Störung handelt es sich ja nicht um ein rein technisches Problem und so liegt es vor allem daran, welche Lösung von beiden Seiten akzeptiert wird.“
In einem Forschungsprojekt der österreichischen Technologieplattform PV arbeitet der Experte gerade gemeinsam mit Modulherstellern an der Reduzierung von Blendungen. „Es gibt ein paar vielversprechende Ansätze zur Blendreduktion. Beim Einsatz von geätzten, satinierten Gläsern zum Beispiel kann die Leuchtdichte der Reflexionen stark reduziert werden, sodass diese in vielen Fällen eine Lösung darstellen können“, sagt Zehndorfer.
Autor: Jens Peter Meyer | © Solarthemen Media GmbH