Solarpaket: Gewerbe bekommt Mieterstrom
Es hieß schon vorher Mieterstrom, war es aber im Sinne des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) nicht. Auch wenn Anbieter in der Vergangenheit bereits Photovoltaikanlagen auf Gewerbe-Dächer montiert haben und PV-Strom an die Mieter der Industrie- und Bürokomplexe lieferten. Die Stromprodukte hatten keinen Anspruch auf den Mieterstromzuschlag.
Mit dem Solarpaket hat sich das geändert. Im EEG heißt es in § 21c nun, dass der Mieterstromzuschlag auch „auf Gebäuden, die nicht Wohngebäude sind oder Nebenanlagen solcher Gebäude“ möglich wird.
Projekte in der Pipeline für Mieterstrom im Gewerbe-Sektor
„Wir begrüßen den Mieterstromzuschlag im Gewerbe, erwarten dadurch aber keinen signifikanten Anstieg der Nachfrage“, sagt Anna Gruner vom PV-Software-Entwickler Solarize auf Solarthemen-Anfrage. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 45 Megawatt (MW) an „Mieterstromprojekten“ (vor allem gewerblich) in der Umsetzung. Der Grund: „Mieterstrom im Gewerbe ist auch ohne den Mieterstromzuschlag bereits mit attraktiven Renditen umsetzbar.“
Vor allem, weil Gewerbekunden von niedrigen Produktionskosten des lokal erzeugten Solarstroms und vermiedenen Netzentgelten, Umlagen und Steuern profitieren. Die Kostenersparnis liege bei 9 bis 12 Cent je Kilowattstunde, rechnet Gruner vor. Durch den Mieterstromzuschlag kommen jetzt noch wenige Cent dazu.
Mehr Aufmerksamkeit
Solarize hofft aber, dass „durch die Neuerungen im Solarpaket die Aufmerksamkeit für das Thema Mieterstrom im Gewerbe steigt“. Denn das Potenzial für die Photovoltaik dort ist groß.
„Wir wissen aus Gesprächen mit Kunden, dass PV-Projekte auf Gewerbedächern durch die neuen gesetzlichen Regelungen voraussichtlich mehr und schneller realisiert werden“, sagte Simon Reiser vom Energie-IT-Unternehmen node.energy den Solarthemen. „Das liegt weniger am Mieterstromzuschlag, sondern vor allem an der Erleichterung und Entbürokratisierung von Genehmigungen.“ Er nennt dabei die im Solarpaket ebenfalls verabschiedete „Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ (GGV). „Bislang kam es bei sogenannten PV-only-Belieferungen regelmäßig zu Blocka- den durch die Netzbetreiber“. Das könnte sich nun ändern.
Die GGV bietet die Möglichkeit, lokal erzeugten Solarstrom auf mehrere Parteien innerhalb der Gebäude zu verteilen. Und zwar ohne – wie beim Mieterstrommodell – dadurch die Vollversorgung der Bewohner übernehmen zu müssen. Denn die sei für Gewerbekunden häufig keine Option. „Beispielsweise, weil Filialisten ihren Reststrom weiterhin über Rahmenverträge beziehen wollen“, so Reiser.
Die GGV zielt im Privatbereich eher auf Mehrfamilienhäuser. „Für größere Projekte ab 20 Wohneinheiten dürfte klassischer Mieterstrom meist erste Wahl bleiben“, sagt Tim Loppe von der Naturstrom AG. Dafür können Anbieter künftig auch PV-Anlagen auf Nebengebäuden installieren. „Es erweitert definitiv die Möglichkeiten, wenn beispielsweise künftig auch auf Garagen Photovoltaikanlagen zur Belieferung der Mieterstromkunden montiert werden können“, lobt Loppe.
Vereinfachte Zusammenfassung
Auch die im Solarpaket vorgesehene Vereinfachung der Anlagenzusammenfassung sei positiv, findet auch Mieterstromanbieter Einhundert Energie GmbH. „Das löst definitiv Probleme und ist sehr relevant“, sagt Frederic Schick, Senior Product Manager Energy Systems beim Kölner Unternehmen. Dabei geht es darum, dass nicht mehr alle PV-Anlagen, die auf einem Grundstück stehen, für Vergütungsangelegenheiten zusammengefasst werden müssen. Das EEG ermöglicht nun auch, die Anlagen einzeln zu betrachten, sofern sie über einen eigenen Netzanschluss verfügen.
Schick nennt ein Beispiel: Der Mieterstromanbieter installiert fünf Anlagen mit je 25 Kilowatt (kW) auf mehreren Gebäuden auf einem Grundstück, etwa in einer Großwohnsied- lung. Jede hat einen eigenen Netzanschluss. Für die bisher geltende Anlagenzusammenfassung war es notwendig, „teure Steuerungstechnik einzubauen, was die Projekte unwirt- schaftlich machte“. Außerdem wurde die Anlage durch die Zusammenfassung mit einer Leistung von dann 125 kW direktvermarktungspflichtig.
Direktvermarktung unattraktiver
„Aufgrund der geringen Anlagengröße und Einspeisemenge findet man dafür aber kaum Direktvermarkter und es wird unwirtschaftlich“, so Schick. In der Konsequenz habe Einhundert solche Projekte selten umgesetzt. „Nun können wir dies angehen.“
Naturstrom-Sprecher Loppe sieht durch die Neuregelung zur Anlagenzusammenfassung vor allem Perspektiven im Wohnungsbestand. Bei Neubauten werde die Änderung dagegen kaum greifen. „Große Wohnprojekte im Neubau werden oft, nicht zuletzt auf Festlegung der Netzbetreiber, nur noch mit einem Netzverknüpfungspunkt geplant.“
Verbesserungen ja, aber nicht der große Wurf: „Der Game Changer für den Mieterstrom im Wohnungsbau ist weniger das Solarpaket, sondern die Einführung des virtuellen Summenzählers“, so Loppe im Solarthemen-Gespräch.
Virtuelle Summenzähler vereinfachen Mieterstrom
Diese Regelung ist Teil des im letzten Jahr verabschiedeten Gesetzes zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW). Es sieht vor, dass ab 2025 statt physischen Summenzählern inklusive einer Wandlermessung in Mehrgeschossgebäuden pro Treppenaufgang die Mieter über einen virtuellen Summenzähler abgerechnet werden, wenn alle über ein intelligentes Messsystem verfügen. „Das ist ein wichtiger Hebel, denn durch den Verzicht auf die teure Wandlermessung haben viele Projekte im Bestand überhaupt erst die Chance, wirtschaftlich zu werden“, so Loppe.
Ein weiterer Punkt, der Mieterstromprojekte attraktiver machen könnte, ist der durch das Solarpaket erlaubte Einsatz von Speichern. Der Gesetzgeber ändert dafür §19 des EEG. Demnach verliert der Solarstrom aus der Mieterstromanlage nicht mehr dann seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er vor der Versorgung zwischengespeichert wird. Voraussetzung ist, dass „der Speicher ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien oder Grubengas befüllt wird“. In der Konsequenz könnte der Anteil des Solarstroms, den Mieter verbrauchen, also steigen. Ob das die Wirtschaftlichkeit für Neuprojekte erhöht, bleibt abzuwarten.
Und es gibt auch kritische Anmerkungen: „Was wir uns gewünscht hätten: die Preisobergrenze gegenüber dem Grundversorger von bisher maximal 90 Prozent zu kippen“, so Loppe.
Quelle: Oliver Ristau | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH