Maximilian Wimmer: Solarpflichten kommen mit der Gebäudeeffizienzrichtlinie
Solarthemen: Vor Kurzem wurde die Novelle der Gebäudeeffizienzrichtlinie beschlossen. Aber ab wann wird sie relevant?
Maximilian Wimmer: Sobald die Gebäudeeffizienzrichtlinie in Kraft getreten ist, was noch etwas dauern wird. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die Regelungen auf nationaler Ebene umzusetzen. Außerdem sind in der Richtlinie selbst weitere Fristen genannt. Von ihnen hängt ab, bis wann die jeweiligen Vorgaben erfüllt werden müssen
Mit Blick auf Deutschland: Wird die Richtlinie sich vor allem auf das Gebäudeenergiegesetz auswirken?
Nullemissionsstandard in der Gebäudeeffizienzrichtlinie
Ja, prinzipiell ist für viele der Vorgaben das Gebäudeenergiegesetz, das GEG, der typische Regelungsstandort, aber natürlich nicht ausschließlich. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich frei, wie er der Richtlinie entsprechen möchte. Doch beispielsweise gibt es nun neue Vorgaben wie den Nullemissionsstandard für Neubauten und die Solarenergiepflichten. Das sind Regelungsbereiche, die das GEG betreffen. Es ist aber grundsätzlich auch denkbar, dass sich andere Vorgaben in anderen Gesetzen, beispielsweise dem Energieeffizienzgesetz oder dem Wärmeplanungsgesetz, wiederfinden.
Wo geht die Richtlinie denn über das deutsche GEG hinaus?
Es ist tatsächlich die Frage, ob das Gesetz selbst angepasst werden muss. Zur Einordnung: Es gab erst vor Kurzem die Novelle des GEG …
… Heiß diskutiert.
Ja genau. Aber ins Gesetz hat man die neuen europäischen Anforderungen noch nicht aufgenommen, weil das parallel laufende Prozesse waren. Und nun stellt sich die Frage, inwieweit hier noch Anpassungen notwendig sind. Die Vorgaben der Richtlinie sind nicht zwingend durch Ordnungsrecht, zu dem das GEG gehört, umzusetzen. Und wenn man sich den am meisten diskutierten Punkt bei der Richtlinie anschaut, also die Mindesteffizienzvorgaben für Gebäude, dann ist noch nicht ganz klar, ob Deutschland diese nicht sowieso schon erreichen kann, wenn man den bisherigen Pfad weiterverfolgt. So ist auch vorstellbar, dass Anforderungen der Richtlinie zum Beispiel durch Förderkonzepte erfüllt werden.
Europäische Vorgaben durch Gebäudeeffizienzrichtlinie für deutschen Gesetzgeber
Aber die Richtlinie definiert bestimmte Gebäudestandards und es gibt das Ziel, dass bis 2050 alle Gebäude in der Europäischen Union Nullemissionsgebäude sein müssen. Aber was kann denn der Gesetzgeber tun, um das zu erreichen? Individuelle Sanierungspflichten, wie sie diskutiert wurden, hat man am Ende nicht in die Richtlinie aufgenommen.
Dazu zunächst eine Anmerkung: Ich gehe aktuell nicht davon aus, dass tatsächlich gemeint ist, dass jedes einzelne Gebäude zwingend zum Nullemissionsgebäude werden muss. Ich verstehe die Gebäudeeffizienzrichtlinie so, dass dies eine eher allgemeine Zielsetzung ist. Tatsächlich sind Richtlinien häufig bewusst offen ausgestaltet und formuliert. Wenn es nun Zielsetzung ist, dass die Mitgliedstaaten auf den Nullemissonsstandard bei ihrer Gebäudelandschaft hinarbeiten müssen, dann verpflichtet das nicht automatisch dazu, jedes einzelne Gebäude zu sanieren.
Es ist nun die Aufgabe Deutschlands, wie aller Mitgliedsstaaten, zu überlegen, auf welchem Weg man zum Ziel kommt. Vor allem die Debatte um das GEG und die Vorgaben für Heizungen haben deutlich gemacht, dass es dabei insbesondere auch um Akzeptanzfragen geht. Man hat die Möglichkeit, das Ordnungsrecht anzupassen und/oder Förderprogramme aufzulegen. Das bestehende Ordnungsrecht zu Heizungen im GEG ist beispielsweise kombiniert und finanziell abgefedert mit Förderkonzepten. Hinzu kommt noch der Faktor des europäischen CO2-Preises, der eine zusätzliche wirtschaftliche Steuerungswirkung entfalten soll. Man muss jetzt die politische Debatte zur Umsetzung der Richtlinie abwarten, inwieweit Deutschland auf Ordnungsrecht und inwieweit auf Förderprogramme setzt.
Wobei die knappen Haushaltsmittel hier Grenzen aufzeigen.
Bestandsgebäude sind der Knackpunkt
Das ist richtig. Und der Umsetzungszeitraum liegt, wie gesagt, bei zwei Jahren. Es wird sich also zeigen, ob diese Fragen überhaupt von dieser Regierung noch entschieden werden oder ob das die nächste macht. Aktuell ist auch der Bereich des Neubaus nicht so kritisch, weil wir in Deutschland sowieso schon viele Vorgaben der Richtlinie einhalten. Der Knackpunkt ist der Bestand. Was macht man mit den besonders ineffizienten Gebäuden? Hier ist die Gebäudeeffizienzrichtlinie doch eher vage. Und es ist nicht klar, ob hier aktuell Handlungsbedarf besteht. Der Artikel 9 der Richtlinie definiert Mindesteffizienzvorgaben für Wohngebäude und Nichtwohngebäude. Aber das sind Vorgaben für die Effizienzsteigerung und noch weit entfernt von der Nullemission.
Sie haben angesprochen, dass mit der Gebäudeeffizienzrichtlinie Solarpflichten eingeführt werden. Ist das konkreter?
Die konkreten Solarpflichten in der Gebäudeeffizienzrichtlinie
Das ist der Artikel 10 Absatz 3, der tatsächlich eine Verpflichtung enthält. Die Mitgliedstaaten müssen demnach die Errichtung geeigneter Solaranlagen sicherstellen, sofern technisch geeignet sowie wirtschaftlich und funktional realisierbar. Die Pflicht ist zeitlich gestaffelt, abhängig vom jeweiligen Gebäudetyp. Hieraus folgt eine gewisse Vorreiterrolle der öffentlichen Hand. Für diese gilt die Pflicht auch bei Bestandsgebäuden mit einer bestimmten Größe. Für bestehende Wohngebäude gibt es aber beispielsweise keine Pflichten. Ein großer Teil des Gebäudebestands ist von dieser Solarenergiepflicht also nicht betroffen.
Aber wo es dann natürlich schnell greift, ist bei den öffentlichen Gebäuden. Bis Ende 2030 gilt die genannte Solarenergiepflicht für alle bestehenden öffentlichen Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von mehr als 250 Quadratmetern, für größere Gebäude sogar früher. Muss man dafür dann frühzeitig das GEG ändern oder wo wäre das zu verorten?
Ich würde aktuell davon ausgehen, dass diese Verpflichtung Teil des GEG wird. Das ist eine typische Vorgabe, die man sich im Gebäudeenergiegesetz vorstellen kann.
Doch Artikel 10 trifft bei den Solaranlagen keine direkte Aussagen zur Größe der Anlage. Wer trifft solche Festlegungen? Überlässt die EU das den Mitgliedstaaten?
Das kann ich tatsächlich aktuell nicht genau sagen. Denn bisher kennen wir nur den Richtlinientext. Man muss abwarten, ob es dazu noch genauere Einordnungen gibt. Die Richtlinie selbst spricht nur von der Errichtung geeigneter Solaranlagen.
Doch wer trifft solche Festlegungen – Kommission oder Mitgliedsstaaten?
Spielraum für Mietgliedstaaten
Das ist eine der grundsätzlichen Eigenschaften von EU-Richtlinien. Sie sind, wie schon gesagt, offen gestaltet und überlassen den Mitgliedstaaten einen Umsetzungsspielraum. Zudem sind sie auch meist das Ergebnis von Verhandlungen und damit Kompromisslösungen. Vor allem bei der Gebäudeeffizienzrichtlinie hat sich der Prozess lange hingezogen. Und dabei kann es durchaus passieren, dass „harte“ oder strenge Verpflichtungen eher gestrichen werden. Das ist beim Erreichen von Klimazielen oder der Dekarbonisierung natürlich schon seit jeher ein Problem. Das betrifft ja nicht nur die Gebäudeeffizienzrichtlinie. Alles, was in der Richtlinie nicht konkret geregelt ist, ist in der Hand der Mitgliedstaaten. Dadurch kann im Ergebnis natürlich auch die Erreichung der Ziele infrage stehen.
Ausstieg aus fossilen Energien für die Wärmeerzeugung
Es wurde ein Verbot von Öl- und Gasheizungen gefordert. Dazu ist es nicht gekommen. Aber laut Anhang 2 sollen die Mitgliedstaaten beschreiben, wie sie bis 2040 aus fossilen Heizkesseln aussteigen wollen. Was bringt das?
Das ist tatsächlich aktuell noch nicht ganz klar. Der Anhang 2 ist in Verbindung mit dem Artikel 3 und den Erwägungsgründen zu sehen. Darin geht es um die nationalen Gebäuderenovierungspläne. Der Anhang 2 konkretisiert, was Inhalt dieser Renovierungspläne sein muss. Die Staaten müssen demnach inhaltlich mitaufnehmen, wie sie auf einen schrittweisen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in der Wärme- und Kälteversorgung im Hinblick auf einen vollständigen Ausstieg aus mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkesseln bis 2040 hinwirken. Als „harte“ Pflicht zum vollständigen Ausstieg bis 2040 lässt sich das aber wohl nicht begreifen.
Es ist denkbar, dass es genügt, dass ein Mitgliedstaat im Gebäuderenovierungsplan darauf verweist, dass etwa über Förderprogramme auf den frühen Ausstieg hingewirkt wird. Insofern gibt es hier wohl auch keinen direkten Konflikt mit dem GEG, in dem der verpflichtende Ausstieg erst 2045 vorgesehen ist. In jedem Fall werden sich die Mitgliedstaaten aber dazu äußern müssen, wie sie mit einem Ausstieg bis 2040 umgehen. Und das wird dann auch von der Kommission bewertet. Dann wird klar, wie ernst sie selbst diese Vorgabe nimmt.
Neue Regeln Energieausweise
Was sind noch weitere wichtige Regelungen der Gebäudeeffizienzrichtlinie?
Es gibt etwa neue Vorgaben für die Energieausweise. So soll beim Verkauf von Gebäuden mehr Klarheit geschaffen werden. Natürlich kann man die Wirkung noch nicht genau absehen. Aber ein Ziel ist schon, dass fehlende Effizienz Auswirkungen auf den Markt hat, wodurch ein Anreiz entstehen könnte, Gebäude auch ohne direkte Pflicht effizienter zu machen.
Interview: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH