Solarpaket gibt Starthilfe für Flugwindenergieanlagen

Im Hintergrund ein Himmel mit Wolken, im Vordergrund eine Windenergieanlage, die wie ein keilförmiger Drache aussieht.Foto: Enerkite
In der Höhe weht der Wind stark und stetig. Bisher ist es noch keinem Unternehmen gelungen, diese Energie kommerziell zu nutzen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz eröffnet Flugwindenergieanlagen ab 2025 erstmals die Aussicht auf eine Einspeisevergütung. Hebt die Technologie nun ab?

Die Flugwindenergieanlagen sollen viele Vorteile haben im Vergleich zu herkömmlichen Windenergieanlagen. Da der Wind oben stärker und konstanter weht, könnte man mit ihnen auf – beziehungsweise über – derselben Fläche mehr Strom ernten. Ein Kapazitätsfaktor von mehr als 60 Prozent wäre möglich, heißt es in einer Studie des Branchenverbandes Airborne Wind Europe. Zum Vergleich: Der Kapazitätsfaktor heutiger Onshore-Windenergie liegt in Europa bei gut 11 Prozent, bei Offshore-Windparks bei knapp über 20 %. [1] Da die Flieger kaum Material brauchen, würden perspektivisch auch die Kosten der Technologie sinken. Bei entsprechender Weiterentwicklung und Skalierung könnte sie in den frühen 2030ern mit konventioneller Windenergie mithalten, schätzt wiederum der Verband. Mit perspektivischen Stromgestehungskosten von 3 Cent pro kWh wirbt Enerkite.

Doch auch wenn die Argumentation qualitativ einleuchtet, ist der Vergleich bisher wackelig. Während die Daten für die am Boden stehende Windenergie alle Widrigkeiten des realen Betriebs beinhalten, fehlt es den Flugwindenergieanlagen an ebendieser Betriebserfahrung. Und bisher gab es auch kaum Geld, um die Erfahrung und die Daten zu sammeln. „Von 2010 bis 2022 sind in ganz Europa und den USA gerade einmal 75 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln in die Flugwindkraft geflossen“, sagt Kristian Petrick, Generalsekretär von Airborne Wind Europe. Zum Vergleich: Für die Meeres- und Gezeitenenergie gab es laut Ocean Energy Europe gut 375 Millionen Euro an EU-Mitteln innerhalb von 10 Jahren. Und so trommelt zum Beispiel Enerkite Runde um Runde bei Business Angels und Crowdfunding-Plattformen Geld zusammen, um den jeweils nächsten Schritt zu finanzieren.

Das Solarpaket I stärkt nun die Aussicht, mit den fliegenden Kraftwerken Einnahmen zu erzielen, was wiederum Investoren ermutigen könnte, hoffen die Anbieter. Mit etwa 11 Ct/kWh rechnet Petrick. Der Betrag scheint sich den Reaktionen zufolge an der Grenze der Wirtschaftlichkeit zu befinden. Vor allem loben die Firmen das Gesetz für seine Signalwirkung. Es reduziere das Marktrisiko und signalisiere, dass die deutsche Politik diesen Weg der Stromerzeugung ernst nehme, heißt von Airborne Wind Europe.

Flugwindenergieanlagen können ohne Standortgutachten an Ausschreibung teilnehmen und EEG-Vergütung erhalten

Konkret enthält das Solarpaket I eine neue Sonderregel, mit der die Flugwindenergieanlagen in Zukunft an Ausschreibungen teilnehmen können. Bisher waren Flugwindenergieanlagen indirekt von der Förderung ausgenommen, da sich für sie keine Standortgutachten erstellen lassen. Diese sind nötig, um aus den Ausschreibungsergebnissen die konkrete Vergütung zu berechnen. Ab Januar 2025 soll es für die fliegenden Kraftwerke eine Ausnahme geben. Dabei wird einfach unterstellt, dass die Anlagen 50 Prozent des sogenannten Referenzertrages erbringen, unabhängig von der Region. Das erfüllt den Zweck einer pragmatischen Innovationsförderung, irritiert allerdings technisch, da doch gerade die hohen Volllaststunden ein Vorteil der Flugwindenergie sein sollen. 

Für die Technologie selbst gibt es nicht viele Vorgaben. Unbemannt müssen die Anlagen sein und über Seile oder Leinen mit einer festen Bodenstation verbunden. Eine Flughöhe gibt das Gesetz ausdrücklich nicht vor. In Deutschland gibt es drei Hersteller für fliegende Kraftwerke, die dieser Definition entsprechen: die Flugwindenergie-Pioniere Enerkite und Skysails sowie den bayerischen Newcomer Kitekraft. Enerkite und Skysails schicken dabei lediglich die Kites in die Luft. Sie übertragen die Kraft durch ein Seil an den am Boden stehenden Generator. Kitekraft nutzt hingegen eine Konstruktion, die an ein Propellerflugzeug erinnert, und direkt in der Luft Strom erzeugen soll.

Genehmigungsprozess für fliegende Windkraftwerke ist noch unklar

Dass schon 2025 ganze Kraftwerksschwärme abheben, ist nicht zu erwarten. Die Anbieter befinden sich gerade erst an der Schwelle zum Markt. Enerkite hat sich für jenes Jahr vorgenommen, die erste Anlage in Brandenburg in den Dauerbetrieb zu bekommen und hat nach eigenen Angaben zehn konkrete Projekte in der Pipeline. Skysails nahm Anfang 2023 eine netzgekoppelte Pilotanlage in Mauritius in Betrieb. Zu den Auswirkungen des Solarpakets äußerte sich das Unternehmen gegenüber Solarserver nicht.

Neben der Technik und der Kundschaft ist bei neuen Technologien aber auch die Genehmigung bekanntlich kompliziert. „In unserem Pilotprojekt in Brandenburg sind wir zu dem Thema mit den lokalen Behörden im Austausch“, berichtet Florian Breipohl, Geschäftsführer von Enerkite. Eine Baugenehmigung werde man für die Anlage wohl brauchen. Auch die Untere Naturschutzbehörde sei involviert, da die Anlagen vermutlich eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetzes benötigen. In welchem Umfang das sein wird, werde aber noch geprüft. Und schließlich sind da noch die Luftfahrtbehörden sowie die Deutsche Flugsicherung. „Wir streben, eine Einstufung als ‚gefesselte Drohne‘ zu erreichen, um nicht als Hindernis im Luftraum zu gelten“, so Breipohl. Die Herausforderung ist allerdings, dass der Kite ausweichen oder landen müsste, wenn sich ein Flugzeug nähert. Enerkite hat dafür eine Lösung entwickelt. „Der Vorteil bei der Einstufung als Drohne wäre auch, dass es dafür bereits ein europaweit einheitliches Verfahren gibt“, ergänzt Petrick. Ein anderes Genehmigungsverfahren verfolge hingegen Skysails in Deutschland, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, berichtet Petrick. Diesem zufolge würde der Kite als Hindernis gelten. Ausweichen müssten also die anderen Luftverkehrsteilnehmer, wie bei feststehenden Windturbinen auch. Daraus ergeben sich wiederum neue Anforderungen, zum Beispiel an die Sichtbarkeit der Anlagen.   

Ausnahme auf 50 MW gedeckelt

Die Ausnahmeregel im EEG soll eine Starthilfe sein. Sie ist daher auf die ersten 50 MW Flugwindleistung begrenzt. Wird im Oktober eines Jahres diese Marke überschritten, läuft die Regelung zum Jahresende aus. Die heutigen Flugwindenergie-Anlagen haben in der Regel Leistungen um 100 kW oder weniger. Rund 500 stromerzeugende Flugdrachen könnten also nach diesem Plan über Deutschland kreisen. Eine Standortanalyse von Airborne Wind Europe zeigt ein Potenzial für rund 72.000 Systeme. Dabei sind Gebäude und Straßen von der Nutzung ausgenommen. Gelingt der Aufstieg in die Megawatt-Klasse, wären das 72 GW. Allerdings stößt bekanntlich längst nicht jedes von einem Branchenverband identifizierte Potenzial auf Zustimmung der Behörden und der dort lebenden Menschen. „Wir nehmen das Thema Akzeptanz sehr ernst“, sagt Petrick. Der Verband hat während Anlagentests in Schleswig-Holstein gemeinsam mit der TU Delft die Menschen in der Nachbarschaft befragt. Sie beurteilten die Auswirkungen weitgehend ähnlich wie die von konventionellen Windparks. Ob sich das Feedback aus dem Windland Schleswig-Holstein auf andere Bundesländer übertragen lässt, wird sich noch zeigen müssen. Zur Frage, wie Wildtiere die Riesendrachen wahrnehmen, gibt es bisher kaum Untersuchungen.

Ob Deutschland mit seinen knappen und häufig umkämpften Flächen für die Stromdrachen ein dauerhaftes Habitat wird oder eher ein Brutkasten, wird sich zeigen. Womöglich werden die Flugwindenergieanlagen in einigen Jahren vielmehr Strom für Offgrid-Anwendungen oder Inselnetze in abgelegenen Regionen liefern. Dort könnten sie mit dem leichten Transport und den hohen Volllaststunden besonders gut punkten.

Autorin: Eva Augsten | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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