Europäische Unterstützung für Solarfabriken als Netto-Null-Industrie

Roboterarme an einer Produktionslinie für Photovoltaik-Module - Symbol für SolarindustrieFoto: IM Imagery /stock.adobe.com
Europa versucht, seine Solarindustrie wieder aufzubauen - doch ein Großteil der Module kommt derzeit aus China.
Nach dem Europäischen Parlament hat jetzt auch der Rat der Europäischen Union der Netto-Null-Industrie-Verordnung zugestimmt. Damit will die Europäische Union die Unterstützung für europäische Solarfabriken und weitere „Netto-Null-Techologien“ gewährleisten. Öffentliche Ausschreibungen und Förderprogramme in der EU könnten damit künftig an neue Kriterien gebunden sein.

Am 27. Mai 2024 hat der Rat zugestimmt, um für Projekte wie Solarfabriken, Batteriefertigungen und den Windkraftproduktionen Unterstützung im weltweiten Wettbewerb zu bieten. Schon am 25. April hatte das Europäische Parlament dem im Trilog erzielten Kompromiss zugestimmt. Jetzt sind nur noch zwei Unterschriften und die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erforderlich, dann kann am Tag danach die Verordnung in Kraft treten. Anders als eine EU-Richtlinie ist die „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologieprodukten (Netto-Null-Industrie-Verordnung)“ sofort wirksam. 

Anpassung von Förderprogrammen für Netto-Null-Industrie erforderlich

Das hat direkte Auswirkungen auf öffentliche Förderprogramme und wohl auch auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wenn die Staaten, aber auch Kommunen künftig neue Programme einführen oder bestehende aktualisieren, so müssen diese einen Anreiz bieten, nachhaltige Produkte aus Europa zu kaufen. Alternativ kann die Förderung bestimmte Kriterien vorgeben. Sie müssen entweder ökologisch besonders nachhaltig sei, einen „Beitrag zur Innovation durch Bereitstellung völlig neuer Lösungen oder durch Verbesserung vergleichbarer hochmoderner Lösungen“ leisten oder einen „Beitrag zur Integration des Energiesystems“ darstellen. Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten weitere Kriterien festlegen. 

Wenn Fördermittelgeber einen finanziellen zusätzlichen Anreiz für hiesige Produkte bieten wollen, so darf dieser fünf Prozent der Kosten für ein Netto-Null-Technologie-Endprodukt wie zum Beispiel eine Photovoltaikanlage nicht überschreiten. Dieser Anreiz ist eher gering und erhöht aber gleichzeitig den Aufwand deutlich. Dies betrifft nicht nur die Antragsteller:innen, sondern auch die Förderinstitutionen. Denn jedes Kriterium, das diese vorschreiben, muss von ihnen auch geprüft werden. 

Es bleibt aber noch abzuwarten, wie sich dies in der Praxis auswirkt. Denn beispielsweise Kommunen, die eigene neue Förderprogramme anbieten oder die bestehenden aktualisieren wollen, müssen sich nun erst mit den Anforderungen der Netto-Null-Industrie-Verordnung befassen.

Augenmerk auf Produkte wie PV-Anlagen

Generell gilt die genannte Vorgabe nur bei Netto-Null-Produkten, wenn sie oder wesentliche Bauteile zu mehr als 50 Prozent aus einem Nicht-EU-Land stammen, wie dies derzeit bei Photovoltaikanlagen der Fall ist. Außerdem muss ein solches Netto-Null-Produkte in Artikel 4 der Verordnung genannt sein. Das sind 19 Produktgruppen. So gehören neben den PV-Anlagen auch Solarthermieanlagen dazu, ebenso wie Wärmepumpen, Windkraftanlagen, Energiespeicher, Wasserstofftechnologien, aber auch Kernenergie.

Für Solarthermieanlagen aus hiesiger Produktion dürften also zurzeit in Deutschland keine besonderen Boni in Förderprogrammen festgeschrieben werden, obwohl diese in der Liste erwähnt sind. Denn der Solarthermiemarkt ist zurzeit nicht von außerhalb der EU hergestellten Produkten dominiert.

Die Europäische Union bezweckt mit der Netto-Null-Industrie-Verordnung nicht abhängig zu werden bei diesen Technologien. Sie betont die Resilienz. Außerdem soll die Verordnung dazu beitragen, die Klimaziele zu erreichen. Dazu sind in der Verordnung Richtwerte enthalten. Von den als wichtig definierten Produkten sollen mindestens 40 Prozent des jährlichen Bedarfs in der EU produziert werden könnten. Am Beispiel der Photovoltaik ist deutlich, dass dafür in den Aufbau von Solarfabriken investiert werden muss. Laut der Verordnung soll die EU möglichst bis 2030 auf eine PV-Fertigungskapazität von 30 Gigawatt kommen.

Privates Kapital plus staatliche Mittel

Dafür ist laut Verordnung vor allem privates Kapital erforderlich. Das neue Regelwerk autorisiert die Mitgliedstaaten aber auch, auf unterschiedlichen Wegen Unterstützung zu gewähren. Und auch aus Mitteln der EU soll der Aufbau bezuschusst werden. Genannt wird hier etwa das Programm REPowerEU, in dem insgesamt rund 20 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

EU-Kommission, Parlament und Rat ist klar, dass zum Aufbau neuer Produktionskapazitäten eine Reihe von Maßnahmen erforderlich sind. Diese will die Netto-Null-Industrie-Verordnung adressieren. Die genannten Vorgaben für neue Förderprogramme sind nur ein Baustein. 

Starke Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Netto-Null-Industrie

In den adressierten Technologiefeldern sollen die Genehmigungsverfahren sich deutlich beschleunigen. Dafür machte die Verordnung auch maximale Zeitvorgaben. Die Mitgliedstaaten sollen dafür spezielle Kontaktstellen einrichten, die Investitionsvorhaben von Anfang bis Ende betreuen. Besonders präferiert sind Schwerpunktregionen für bestimmte Technologien, „Täler“ oder auch „Beschleunigungstäler“ genannt. Ähnlich zum Silicon Valley in den USA sollen sich Solar Valleys oder Wind Valleys bilden, auch um die Kooperation über Lieferketten hinweg zu optimieren. Diese „Täler“ sollen besondere Unterstützung erhalten. Verantwortlich dafür sind aber vor allem die einzelnen Mitgliedstaaten. Wenn dort aber zum Beispiel ein Finanzminister die Photovoltaik – anders als die Verordnung – für strategisch unwichtig erachtet, dann ist dies natürlich ein Hemmschuh. 

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, enthält die Verordnung ebenfalls Vorschläge. So soll es von der EU-Kommission eine Startfinanzierung von europäischen Akademien für eine Netto-Null-Industrie geben, um Menschen mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund zu qualifizieren. Die Verordnung nennt dazu einige Beispiele. Sie erklärt allerdings ausdrücklich, dass dies auch Arbeitskräfte aus Drittländern umfassen sollte.

Auktionen – auch im EEG – mit Resilienzkriterien vorgeschrieben

Auktionen zur Stützung von Märkten, wie sie im deutschen EEG vorgesehen sind, müssen künftig die Resilienz ins Auge fassen, sofern es um Produkte geht, die zu mehr als 50 Prozent aus einem Nicht-EU-Land stammen. Das gilt also auch hier für die Photovoltaikmodule, die derzeit größtenteils aus China kommen. Bei den Auktionen gelten die gleichen Kriterien wie bei anderen Förderprogrammen. Dabei können die Staaten bei den Auktionen Vorqualifikationskriterien und Zuschlagskriterien einführen. Werden erstere nicht erreicht, so sind die Projekte bei einer Auktion nicht zulässig. Bei den Zuschlagskriterien erhöhen bestimmte Merkmale die Chance des Zuschlags – der Preis ist nicht unbedingt ausschlaggebend. Dies kann jedoch erst dann richtig greifen, wenn die EU-Kommission die Vorqualifikations- und Zuschlagskriterien weiter konkretisiert hat. Das soll spätestens neun Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie erfolgen.

Ein weiterer Baustein, um mehr Eigenproduktion zu erreichen, ist eine Verpflichtung öffentlicher Auftraggeber. Sie müssen künftig verbindliche Mindestanforderungen etwa an die ökologische Nachhaltigkeit bei öffentlichen Aufträgen definieren. Auch dazu soll es von der EU-Kommission spätestens neun Monate nach Inkrafttreten der Netto-Null-Industrie-Verordnung eine Vorgabe in Form eines Durchführungsrechtsaktes geben. Es gibt aber auch Ausnahmen von der Verpflichtung. So können öffentliche Auftraggeber davon abweichen, wenn sie die Mehrkosten auf mehr als 20 Prozent schätzen. 

Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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