Europas größte Photovoltaik-Anlage liefert auch Blindleistung

Luftbild von Photovoltaik-Aufnahme, die bis fast zum Horizont reicht - 650 MW Solarpark, der auch Blindleistung liefert.MOVE ON Energy
Mit 650 MW ist die PV-Anlage in Witznitz bei Leipzig die größte in Europa.
Der Energiepark Witznitz hat eine Leistung von 650 MW und ist an das Übertragungsnetz von 50Hertz angeschlossen. Er liefert nicht nur Solarstrom, sondern auf Abruf auch Blindleistung für das Netz.

Laut der Pressemitteilung von 50Hertz handelt es sich bei dem Projekt nicht nur um einen Rekord in Bezug auf die Leistung. Auch was das Netz betrifft, sei es in doppelter Hinsicht eine Premiere. Erstmals speise ein Solarkraftwerk direkt auf der Höchstspannungsebene Strom ein. Und ebenfalls zum ersten Mal trage eine solche Anlage rund um die Uhr zur Netzstabilität bei – auch während der Nacht.

Projektentwickler ist die Move On Energy. Das laut Webseite in Neukieritzsch-Lobstädt ansässige Unternehmen hat nach eigenen Angaben ein „Know-how und langjährige Erfahrung“ mit der Planung und Errichtung von Solarkraftwerken. Weitere Referenzprojekte findet man dort aber nicht. Das Megaprojekt bei Leipzig kaufte die Signal-Iduna-Tochter Hansainvest noch vor Baubeginn im Jahr 2022, wie der Solarserver berichtete.

Der Energiepark Witznitz wurde in den vergangenen zwei Jahren auf einem früheren Braunkohletagebaugebiet errichtet. Er erstreckt sich über rund 500 Hektar in den Gemeinden Neukieritzsch, Böhlen und Rötha am Hainer See. Am Rande der Fläche führt eine 380 kV-Freileitung entlang, die über das Umspannwerk Pulgar zum Braunkohlekraftwerk Lippendorf führt. An diese Freileitung ist die Photovoltai-Anlage angebunden. Dafür hat Move On Energy eigens ein neues Umspannwerk errichtet.

Der Bau der Photovoltaik-Anlage lief in mehreren Abschnitten. Bereits seit Dezember vorigen Jahres speist die Anlage daher Strom ein. Die volle Leistung steht seit wenigen Wochen zur Verfügung. Unterm Strich haben erneuerbare Energien – einschließlich des neuen Solarparks – in den ersten Monaten des Jahres 2024 in Hamburg und Ostdeutschland 75 Prozent des Strombedarfs gedeckt, so 50Hertz.

Photovoltaik muss in Zukunft auch Blindleistung für die Systemstabilität beisteuern

Die rund 3.500 Wechselrichter im Solarpark liefern bei Bedarf Blindleistung für den Netzbetreiber 50Hertz. „Mit dem Abruf von Blindleistung und der Einbeziehung des PV-Parks in unser Engpassmanagement leisten wir erneut Pionierarbeit, so viel Strom aus Erneuerbaren Energien wie netztechnisch möglich nutzbar zu machen“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz. Ab 2026 müssen die Übertragungsnetzbetreiber aufgrund einer EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt die Blindleistung über ein Ausschreibungsverfahren am Markt beschaffen. Der Energiepark Witznitz sei daher ein wichtiges Pilotvorhaben für 50Hertz. Kapferer beschreibt die Blindleistung als „eine Art Schmiermittel für den Transport“. Sie werde in Abhängigkeit von regionalen Einspeise- und Entnahmesituationen auf einzelnen Netzabschnitten regulierend eingesetzt. Die richtige Menge Blindleistung sei nötig, um die genormte Spannung zu stabilisieren.

Die Generatoren von Großkraftwerken liefern automatisch immer auch Blindleistung. Stimmt das Verhältnis von Wirk- und Blindleistung im Netz nicht, kann die Blindleistung aber auch von den Systemführungen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) angefordert werden.

Der Energiepark Witznitz soll zukünftig Blindleistung in einer Größenordnung von 150 Mvar bereitstellen. Die eigenwillig scheinende Schreibweise der Einheit ist für die Blindleistung üblich. Die Abkürzung var steht für „Volt Ampere reaktiv“, das M wie üblich für „mega“. Laut 50Hertz soll der Solarpark teilweise die Blindleistung aus dem benachbarten Braunkohlekraftwerk Lippendorf (2 x 400 Mvar) ersetzen. Die Blindleistung können die Wechselrichter auch dann liefern, wenn kein Solarstrom zur Verfügung steht. Sie nutzen dann Strom aus dem Übertragungsnetz.

Quelle: 50Hertz | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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