Agora-Studie: Pipelines sollen Wasserstoff aus Europa nach Deutschland bringen

WasserstoffShawn Hempel / stock.adobe.com
Eine Studie von Agora Energiewende und Agora Industrie geht davon aus, dass schon Mitte der 2030er Jahre rund 60 bis 100 TWh grüner Wasserstoff aus benachbarten Ländern nach Deutschland kommen könnte. Dafür wäre der schnelle Bau oder Umbau von Pipelines nötig.

Die Bundesregierung will noch vor der Sommerpause eine Importstrategie für Wasserstoff vorlegen. Die Agora-Studie untersucht, welche Mengen bis wann auf welchen Routen nach Deutschland kommen könnten. Pipelines sind laut Agora der kostengünstigste Weg, um Wasserstoff aus benachbarten Ländern nach Deutschland zu importieren. Dabei sollten wenn möglich Erdgas-Pipelines umgewidmet werden.

Das im Agora-Bericht für 2030 berechnete Importpotenzial von grünem Wasserstoff liegt bei 17 TWh, hinzu kämen 15 TWh blauer Wasserstoff und 11 TWh aus heimischer Produktion. Ab 2035 könnten bei entsprechendem Zubau der Pipelines rund 60 bis 100 TWh grüner Wasserstoff importiert werden. Die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vom Juli 2023 geht für 2030 von einem Neubedarf an Wasserstoff und seinen Derivaten von 40 bis 75 TWh aus. In den Folgejahren soll dieser deutlich steigen.

Fünf mögliche Pipeline-Korridore für den Wasserstoff-Import

Der Schwerpunkt der Studie liegt auf dem Transport, nicht auf der Verfügbarkeit des Wasserstoffs in den jeweiligen Ländern. Das angenommene Export-Potenzial der jeweiligen Länder stellt Agora lediglich tabellarisch dar. Auf den vorderen Plätzen stehen dabei im Jahr 2030 Tunesien, Dänemark, Finnland, Spanien und die Ukraine. Bis 2035 sollen Tunesien und Dänemark am stärksten zulegen.

Die Berechnungen der Agora-Studie basieren auf fünf möglichen Pipelinekorridoren. Neben dem Exportpotenzial hat Agora in der Analyse die politische Situation, die Komplexität des Infrastrukturausbaus und bisherige Fortschritte in den Korridoren untersucht. Sofern die Pipelines durch andere Länder mit eigenem Wasserstoffbedarf führen, hat Agora diesen ebenfalls eingeplant.

Wasserstoff soll zuerst aus dem Norden von Europa kommen

Agora sieht den Import aus windreichen Nordsee-Anrainern für die kommenden Jahre als besonders vielversprechend an. Importe aus Dänemark und Norwegen könne Deutschland anfangs mit grünem Wasserstoff versorgt werden. Dort könnten Pipelines gebaut werden, Drittländer zu durchqueren. Das geht schneller und man muss den Wasserstoff nicht mit Transit-Ländern teilen. Die Vorteile würden auch für einen möglichen Offshore-Korridor von Schweden und Finnland durch die Ostsee gelten. Das würde aber länger dauern, da der Weg weiter und die technische Komplexität größer sei.

Längerfristig seien auch erhebliche Importe über zwei weitere Korridore aus den sonnenreichen Ländern Südeuropas und Nordafrikas möglich. Dabei sieht Agora Spanien und Tunesien im Vordergrund. Auch Lieferungen aus Großbritannien, Portugal, Algerien, Griechenland und der Ukraine kämen in Frage.

Energieintensive Vorprodukte importieren statt in Deutschland herstellen

Agora beschreibt ganz nebenbei auch eine Option, die technisch und ökologisch praktisch, aber wirtschaftlich eher unerfreulich ist: Die Verlagerung von Teilen der Wertschöpfung an die Standorte mit billiger, grüner Energie. Anstatt mühsam Wasserstoff um den Globus zu transportieren, könne man gleich die industriellen Zwischenprodukte nach Deutschland einführen.

Düngemittel-Hersteller würden zum Beispiel Ammoniak einkaufen, das sich recht leicht per Schiff transportieren lässt. Der Stoff gilt bereits als erstes wichtiges Trägermedium für Wasserstoff. Die Stahlindustrie könnte künftig statt Eisenoxid einfach Eisenschwamm beziehen. Diesem wurde der Sauerstoff bereits entzogen – ein Prozess, der bisher große Mengen Kohle verschlingt. Mit der sogenannten Direktreduktion mit Wasserstoff ließe er sich dekarbonisieren. Die bisher in Deutschland geplanten Direktreduktionsanlagen könnten laut Agora rund 16 Millionen Tonnen grünen Stahl herstellen. Das entspreche gut der Hälfte dessen, was bisher in kohlebasierten Hochöfen produziert werde. Dafür wären 26 TWh Wasserstoff nötig – sofern die Unternehmen sich denn dafür entscheiden, diesen Prozess in Deutschland umzusetzen. Der Solarserver berichtete über ein Projekt von Arcelormittal in Hamburg.

Agora sieht aber auch die Verlagerung dieses Teilprozesses in andere Länder nicht allzu tragisch. „Da der Großteil der Wertschöpfung in der Weiterverarbeitung dieser Importprodukte stattfindet, kann hierdurch etwa die Stahlbranche in Deutschland zukunftsfähig aufgestellt werden“, heißt es von Agora. Zudem könne man die Kosten der Industrietransformation senken.

Quelle: Agora Energiewende | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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