Kommunale Wärmeplanung ohne Wasserstoff

Fotomontage: Pipeline mit der Aufschrift H2 führt durch die Landschaft. Im Hintergrund Wohnhäuser und WIndkraftanlagen.Illustration: malp / stock.adobe.com
Erdgas einfach durch Wasserstoff zu ersetzen, scheint manchen eine einfache Lösung für die kommunale Wärmeplanung. Doch schaut man auf Verfügbarkeit und Kosten, erledigt sich diese Option meist schnell. Was für viele Fachleute schon gute Praxis ist, bekommt nun Rückendeckung durch ein Rechtsgutachten.

Für Raphael Gruseck, Projektleiter der regionalen Beratungsstelle zur kommunalen Wärmeplanung in der Region Stuttgart-West, ist die Sache ziemlich klar: „Wasserstoff zur dezentralen Wärmeversorgung spielt in unserem Landkreis bei den bereits abgeschlossenen Wärmeplänen keine Rolle. Das Thema erledigt sich laut Gruseck in der Regel spätestens dann, wenn man konkret auf die Verfügbar­keit und Kosten des Wasserstoffs schaut.

Wer einen allgemeineren Indikator für diese beiden Fragen sucht, kann sich an die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung halten. Ab 2035 bis 2040 sol­len Kraftwerke von Erdgas auf grünen Wasserstoff umstellen. Die genauen Umstellungstermine will die Bundesregierung allerdings erst 2032 festlegen, denn bisher ist zu vieles noch unklar. Obendrein hängen sehr viele Wasserstoffprojekte in den Startlöchern fest. Nur für einen Bruchteil der geplanten Elektrolysekapazitäten in Deutschland gibt es reale Investitionsentschei­dun­gen. Auch im Ausland sind die Kapazitäten bestenfalls im Aufbau, ebenso wie die Importstrukturen in Deutschland.

Stellen Gasversorger den Hebel auf Wasserstoff?

Aus Perspektive vieler Gasversorger sieht die Sache freilich anders aus. „Wir sind der Auffassung, dass Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung berücksichtigt werden darf, muss und kann“, sagt Charlie Grünberg, Pressesprecher von Zukunft Gas. Der Verband nennt sich mittlerweile „Die Stimme der Gas- und Wasserstoffwirtschaft“. Sein einfaches Rezept für die Wärmewende: Kunden bauen einen wasserstoff­fähi­gen Erdgaskessel ein, und irgendwann stellt der Versorger dann das Netz auf Wasserstoff um. Laut Wiebke Hansen vom Umweltinstitut München „forcie­ren“ Gasbranchenverbände dieses Vorgehen.

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Ein Rechtsgutachten, mit dem das Umweltinstitut zusammen mit meh­re­ren Umweltverbänden die Hamburger Kanzlei Günther beauftragt hat, soll dem etwas entgegensetzen. Auftraggeber waren neben dem Umweltinstitut München die Deutsche Umwelthilfe, der WWF, German Zero und das Klima-Bündnis.

Die Gutachter der Kanzlei Günther ha­ben das Wärmeplanungsgesetz (WPG) und das Gebäudeenergiegesetz (GEG) darauf untersucht, welche Handlungsspielräume Kommunen bei der Bewertung von Wasserstoff im Zuge der kommunalen Wärmeplanung ha­ben. Dabei stützen sich die Juristen vor allem darauf, dass die „Gasnetzumrüstung noch weitgehend ungeklärt und nicht abschließend reguliert“ ist und konkre­te Fahrpläne fehlen, so das Gutachten.

Wärmeplanung: Kein Fahrplan, kein Wasserstoff

Diese Fahrpläne wären gemäß Wärmeplanungsgesetz erforder­lich. Ohne ei­nen Fahrplan zumindest verbindlich in Aussicht zu haben, „kann innerhalb der Wärmeplanung verantwortungsvoll nicht von einer Wasserstoff-Netzversorgung von Haushaltskunden ausgegangen werden. Nur wenn es „eine verbindliche Zusage, vorvertragliche Verpflichtung oder sonstige Zusicherung des Verteilnetzbetreibers“ gebe, die auf einen solchen Fahrplan hinauslaufen soll, könnten daher Wasserstoffnetzgebiete laut WPG ausgewiesen werden. Das sei schon deshalb nötig, weil für die Wärmeplanung auch eine „umfassende Wirtschaftlichkeitsbewertung“ einschließlich volkswirt­schaft­licher und um­gelegter Kosten nötig sei, heißt es in dem Gutachten.

Allerdings können die Netzbetrei­ber die Fahrpläne auch nicht einfach erstellen, denn dafür muss die Bundes­netz­­agen­tur erst einmal die Regeln vorle­gen, was nicht vor Ende 2024 der Fall sein dürfte. Da die Wärmeplanung in größeren Städten bis Mitte des Jahres 2026 vorliegen muss, in den übrigen spätestens Mitte 2028, folgert das Klima-Bündnis: „Realistisch gesehen wer­den die Fahrpläne nicht rechtzeitig vorliegen.“ Wo hingegen Spielräume vorhanden sind, müssten die Kommunen diese selbst mit klaren Vorgaben ausfüllen. Da die Wärmeplanung weitreichen­de Folgen habe, dürften die Kommunen die Entscheidungen nicht einfach auf ein Planungsbüro übertragen, so die Gutach­ter.

Netzbetreiber traut sich was zu

Der Verteilnetzbetreiber Gasnetz Ham­burg sieht das naturgemäß etwas optimisti­scher. Er hat kürzlich ein Pilotprojekt namens H2-Switch gestartet, um Daten über Machbarkeit und Wirt­schaft­lichkeit mögli­cher Netzumstellungen für einzelne Abschnitte zu sam­meln. „Damit hat Gas­netz Hamburg die Grund­lage geschaf­fen, die im Gutach­ten als wenig realis­tisch beschriebene wirtschaftliche Prog­no­se für Umstellungen zu erbringen“, sagt Pressesprecher Bernd Eilitz. Doch ob man für die Wärmeplanung bis 2026 dann auch kon­krete Fahr­pläne liefern könne, sei ohne die Rahmensetzung der BNetzA nicht vorherzusagen.

Wasserstoff zuerst für Industrie

Die Verfügbarkeit ist hingegen eine andere Frage – selbst in Hamburg, das sich gerade zum Wasserstoffhub entwickelt. Die Stadt arbeitet an einem eigenen Importterminal für Ammoniak und einem 100-MW-Elektrolyseur und soll als eine der ersten Städte in Deutschland an das Wasserstoffkernnetz angeschlossen werden. Das wird dringend nötig sein und noch lange nicht ausreichen, um die dort ansässigen Industrieunternehmen mit Wasserstoff zu versorgen. Ein Wasserstoffnetz für Industriebetriebe, wie es in Hamburg entsteht, ist auch laut dem Gutachten ausdrücklich möglich. Dafür müsse man aber keine Wasserstoffnetzgebiete in der Wärmeplanung ausweisen, sondern könne auch direkt Leitungen zu den Industriebetrieben planen.

Wenn – früher oder später – über den Bedarf für die Industrie und für Kraft­­werke hinaus noch Wasserstoff übrig sei, könnte man diesen für die Wärmeversorgung nutzen, findet Eilitz von Gasnetz Hamburg. Dabei verweist er auf die im Frühjahr 2024 veröffent­lich­te Wärmenetzeignungskarte der Hansestadt. „Betrachtet man darin die großen nicht durch Wärmenetze abgedeckten Flächen, so stellt sich vor allem die Frage, mit welchen Energieträgern hier die zahlreichen heute mit Öl oder Gas beheizten Stadtteile versorgt werden sollen. Wärmepumpen werden vielerorts eine Lösung darstellen, wobei die Ausbaugeschwindigkeit des Stromnetzes und der zusätzlichen Anschlussleistungen Schritt halten muss.“

Konzentration auf das Wesentliche

Tatsächlich sieht auch Stromnetz Hamburg die begrenzten Leitungskapazitäten als Problem, ebenso wie viele andere Verteilnetzbetreiber. Hansen vom Umweltinstitut München sieht genau darin einen wesentlichen Pluspunkt des Gutachtens. „Kommunen können sich so besser auf den Ausbau der Stromnetze und der Fernwärme konzentrieren“, sagt sie.

Was die Fernwärme betrifft, ist es wiederum durchaus möglich, dass Wasserstoff in Zukunft auch Heizenergie liefern könnte. Schließlich produziert jeder Elektrolyseur reichlich Abwärme. Auch Gaskraftwerke sollen zunehmend mit Wasserstoff laufen und die Industriebetriebe, die den Wasserstoff beziehen, können oft auch Abwärme liefern.

Bei der dezentralen Heiztechnik auf Wasserstoff als vermeintlich billige Lösung zu wetten, kann hingegen sehr teuer werden, wenn dieser erst spät oder gar nicht kommt. Auf die einzelnen Bürgerinnen und Bürger kommen dann hohe CO2-Preise zu. Und dem Staat drohen Strafzahlungen an die EU in Milliardenhöhe.

Autorin: Eva Augsten | © Solarthemen Media GmbH

Titelbild Energiekommune 7/24 - klein

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