Stromtanken als kommunale Planungsaufgabe

Lange Reihe von grünen Ladesäulen in einer Tiefgarage - im Hintergrund ein PKW.Foto: Val-Thoermer / stock.adobe.com
Der Boom der Elektroautos steht wohl erst noch bevor. Er erfordert in den kommenden Jahren einen deutlichen Ausbau von Stromtankstellen. Und dies wird auch für ­einige Kommunen zur Herausforderung.

Gerade hat die bundeseigene NOW GmbH, die auch Dach der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL) ist, eine neue Studie zum erforderlichen Zuwachs an Ladestellen für E-Fahrzeuge veröffentlicht. Erstellt hat sie in deren Auftrag das Reiner Lemoine Institut. Es hat dabei ver­schie­dene Szenarien berechnet. In jedem Fall sind noch sehr viele Ladestationen zu bauen. Abhängig vom Szenario sind im Jahr 2030 zwischen rund 380.000 und 680.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte erforderlich. 2035 steigt diese Zahl auf bis zu 1,1 Millionen Ladepunk­te. Diese wären irgendwo im öffentli­chen Raum zu errichten: auf Parkplät­zen, an Supermärkten, Tankstellen, entlang von Straßen und als eigene Lade-Hubs, die an mehreren Stationen sehr hohe Ladeleistungen ermöglichen. Verbunden da­mit ist ein entspre­chen­der Ausbau von Stromleitungen.

Nichtöffentliches Laden

Die große Differenz bei den angenommenen Ladepunkten im Jahr 2030 hängt vor allem von der Zahl nichtöffentlicher Ladepunkte ab. Das sind zum einen die von Haushalten auf ihren eigenen Grundstücken betriebenen. Hier geht die Studie aber davon aus, dass bei einer wachsenden Zahl von E-Autos mehr und mehr Nutzer keinen individuellen Stellplatz haben. Zum anderen sind es Ladestellen von Firmen, die auch für die Beschäftigten zur Verfü­gung stehen können.

Kommunen als gutes Beispiel

Markus Emmert, Vorsitzender des Bundesverbands Elektromobilität, sieht hier ein Betätigungsfeld für Kommu­nen. In der Regel verfügten diese selbst zwar nicht über große Kompetenzen zur technischen Ausbaupla­nung. Doch sie könnten sehr gut für Information und Motivation bei den Unternehmen sor­gen, damit diese an ihren Betrieben mehr Ladepunkte zur Verfügung stel­len. Außerdem, so Emmert, könnten Kommu­nen auch mit gutem Beispiel vorangehen und Lademöglichkeiten für ihre eigenen Mitarbeiter:innen anbieten.

Titelbild Energiekommune 7/24 - klein

Dieser Artikel ist original in der Zeitschrift Energiekommune erschienen. Bestellen Sie jetzt ein kostenloses Probeabo mit drei Ausgaben!

Ein deutlicher Zuwachs nichtöffentlicher Ladepunkte reduziert laut der Studie zur Ladeinfrastruktur den Bedarf an öffentlichen Stromzapfstellen und kann damit auch den öffentlichen Raum entlasten. So verringert sich die Zahl der öffentlichen Ladepunkte im Szenario mit vielen nichtöffentlichen von 520.000 im Referenzszenario auf 386.000.. Ist deren Zahl geringer als in der Re­ferenz, so steigt der Bedarf an öffentlichen Ladepunkkten auf 681.000. Ein anderes Szenario geht von einer stärkeren Digitalisierung und damit Steuerung der Ladeaktiviten aus. Dies führt gegenüber der Referenz zu einer kleinen Reduktion des Bedarfs. Auswirkungen hat auch der Umstieg auf Lade-Hubs: Da die Fahrzeugbatterien hier mit deutlich höheren Ladeleistungen gespeist werden, verringern sich die Standzeiten und weniger Ladestellen sind erforderlich.

Tempolimit spart Flächen

Das Reiner Lemoine Institut hat eine Reihe von Faktoren in die Berech­nun­gen miteinbezogen. Das betrifft den erwarteten Zuwachs an E-Fahrzeugen, den die NLL zusammen mit der Indus­trie ermittelt hat. Demnach ist von einer Vervielfachung auszugehen. Einfluss hat natürlich auch der Verbrauch der Fahrzeuge. „In der Neuauflage der Stu­die ‚Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf‘ wird gegenüber den Herstellerangaben zum Energieverbrauch der E-Fahrzeuge ein genereller Mehrverbrauch von 6 Pro­zent über alle Fahrten implementiert“, erklärt Franziska Bornefeld von der NLL gegenüber Energiekommune: „Zu­sätz­lich wird auf Fernfahrten (alle Fahr­ten über 100 km) ein Mehr­ver­brauch von weiteren 50 Prozent angenom­men.“ Der Studie ist zu entnehmen, dass Letzteres auf höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten auf Autobahnen zurückzuführen ist. Allerdings hat die NLL keine Berechnungen erstellen lassen, zu welcher Reduktion an Ladestellen ein Tempolimit an Autobahnen führen könnte. „Dieser Aspekt ist sehr interessant, war jedoch nicht Teil unserer Untersuchung“, sagt dazu Friederike Reisch vom Reiner Lemoine Institut: „Es lässt sich jedoch logisch ableiten, dass durch eine Geschwindigkeitsbeg­ren­zung auf Langstrecken der Mehrverbrauch sinkt.“ Und das würde laut Studie auch den Bedarf an Ladestellen verringern.

Bedarf an Ladeinfrastruktur abschätzen

Nun ist es für Kommunen nicht einfach zu überblicken, welcher zusätzliche Be­darf an Ladestellen auf sie zukommt und wo sie selbst tätig werden können. Eine Vielzahl von Unternehmen ist hier bereits tätig und baut Ladestationen auf. Ob dies schon ausreicht, lässt sich in Ansätzen mit einem Hilfsmittel der NLL ermitteln, das online unter standort­tool.de erreichbar ist. Erfasst sind hier – zumindest zum Teil – die bereits verfügbaren Ladestationen. Nach Aussage von Bornefeld werden diese fortlaufend ergänzt, Apps von Anbietern seien aber manchmal schneller. Das Tool ergänzt dies um Informationen zum erwarteten Bedarf. Dabei lassen sich die Szenarien der Studie auswählen. Im Ergebnis erhält man eine flächige Darstellung zum geringen, mittleren oder hohen Bedarf. In diesem Jahr ist der Ausbaube­darf meist – von Ausnahmen besonders in Großstädten abgesehen – gering. NLL-Sprecher Johannes Pallasch betont aber: „Um mit den Hochlaufprognosen der Fahrzeuge schrittzuhalten, dürfen wir bei der Skalierung des Gesamt­systems Ladeinfrastruktur jetzt keines­falls nachlassen.“

Bauleitplanung gefragt

Dies ist auch eine Aufgabe für Kommunen. Sofern es sich bei den Ladestellen um untergeordnete Nebenanlagen handelt, ist kein besonderes Verfahren erforderlich. Das ist in der Regel etwa auf Kundenparkplätzen und auf nicht stra­ßen­recht­lich gewidmeten Park-&-Ride-Park­­plätzen. Zu prüfen ist gege­benen­falls, ob von Ladepunkten eine Störung ausgeht Die rechtlichen Voraussetzungen unterscheiden sich aber von Bundesland zu Bunde­sland. Dies gilt auch für Genehmigungsverfahren.
Kommunen haben Optionen, den Zubau zu steuern. So können sie seit 2021 ausdrücklich „Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge“ (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) in Bebauungsplänen festlegen.

Leitfaden für den Ausbau

Die NLL empfiehlt den Kommunen, sich mit dem Thema stategisch zu befassen – auch wenn der Ausbau wohl zum allergrößten Teil durch private Unternehmen erfolgt. So können Ladeinfrastruk­turkonzepte erstellt und vom Kommunalparlament beschlossen werden. Auch Satzungen sind ein Instrument, um den Ausbau zu steuern. So kann sich die Frage stellen, wie die Kommune mit Anträgen umgeht, um Sondernut­zungen – Ladestel­len im Straßenraum – zu erlauben. Diese und eine Reihe weiterer Hinweise finden sich in einem neuen Leitfaden der NLL zum Aufbau der Ladeinfrastruktur in Kommunen (zum Download unter www.now-gmbh.de).
Emmert betont, dass gerade kleine Kommunen die eigenen Ressourcen und Kenntnisse nicht überschätzen soll­ten. Es sei wichtig, Stakeholder miteinzubeziehen und sich Hilfe bei Expert:innen, eventuell auch bei den Land­krei­sen zu holen. In jedem Fall sei es ratsam, das Thema des Ausbaus interdisziplinär anzugehen und die verschiedenen Bereiche einer Kommune miteinzubeziehen, zum Beispiel um den Bau von Stromleitungen mit weiteren Maßnahmen wie dem Glasfaser- und Fernwärmeausbau zu kombinieren.

@ Andreas Witt | © Solarthemen Media GmbH

Titelbild Energiekommune 7/24 - klein

Schließen