Wasserstoff-Kernnetz: Fernleitungsbetreiber reichen Antrag bei Bundesnetzagentur ein
„Wir schauen uns das beantragte Netz genau an und prüfen, ob es den gesetzlichen Vorgaben entspricht“, erklärt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. Beispielsweise müssten Erzeuger von Wasserstoff, Speicher und große Verbraucher miteinander verbunden sein oder es müssten Zugänge zum vorgesehenen europäischen Wasserstoffnetz (European Hydrogen Backbone, EHB) hergestellt werden.
Maßgeblich für den Antrag ist der § 28q Energiewirtschaftsgesetz. Der Antrag soll innerhalb von zwei Monaten von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens stehen auch noch Konsultationen an. Bis zum 6. August nimmt die Behörde daher Stellungnahmen per E-Mail entgegen.
Wasserstoff-Kernnetz soll sich kontinuierlich weiter entwickeln
„Auf Grundlage der Genehmigung durch die Bundesnetzagentur beginnt der Aufbau des Wasserstoff-Kernnetzes“, so Müller weiter. Das sogenannte Wasserstoff-Kernnetz soll die Keimzelle für den Aufbau einer deutschlandweiten Wasserstoff-Infrastruktur werden. Die derzeitigen Pläne sehen eine Leitungslänge von 9.666 km vor, davon rund 60 Prozent aus umzustellenden Erdgas-Leitungen. Es soll schrittweise bis 2032 in Betrieb gehen, in einzelnen Leitungen soll Wasserstoff schon 2025 fließen. Der Solarserver berichtete in einem S+ Artikel ausführlich über die Pläne.
Das Kernnetz soll nicht statisch sein, sondern kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dafür ist ein zweijährlicher Netzentwicklungsplan vorgesehen. So sollen sich sukzessive weitere Wasserstoffbedarfe und -quellen integrieren lassen. Grundlage der Pläne ist ähnlich wie beim Stromnetz ein sogenannter Szenariorahmen. Diesen müssen die Fernleitungsnetzbetreiber vorlegen. Der Szenariorahmen für das Wasserstoff-Netz soll im Herbst durch die Bundesnetzagentur konsultiert werden.
EnBW und Badenova planen Wasserstoff-Leitungen im Südwesten und Mitteldeutschland
Die Kosten für das Wasserstoff-Kernnetz sind mit 19,7 Milliarden Euro veranschlagt. Wie bei Erdgas und Strom sollen die Leitungen des Kernnetzes grundsätzlich vollständig privatwirtschaftlich durch Entgelte der Nutzer bezahlt werden. Einer der Investoren ist die EnBW, die dafür laut einer Pressemitteilung zunächst mit einer Milliarde Euro eingeplant hat. Sie ist über ihre Tochterunternehmen terranets bw und die VNG/Ontras Gastransport an dem Antrag beteiligt.
Die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL) der Terranets bw befindet sich gerade erst im Bau. Sie soll zunächst Erdgas liefern, erst später Wasserstoff. Vorgesehene Kunden seien wasserstofffähige Gaskraftwerke in Heilbronn, Altbach/Deizisau und Stuttgart-Münster. Die Leitung werde „weitgehend wasserstofffähig“ ausgeführt. Die VNG-Tochter Ontras soll hingegen die Region Leipzig mit dem mitteldeutschen Chemiedreieck, den Industriezentren in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, dem Berliner Raum sowie dem Industriebogen Meißen verbinden.
Auch die Badenova, eigentlich ein Verteilnetzbetreiber, ist mit zwei Wasserstoffleitungen im Südwesten dabei. In Südbaden gibt es laut Badenova keine adäquate Fernleitungsnetz-Struktur für die industriellen Großverbraucher. Die BadenovaNetze habe mit ihrem Hochdrucknetz vielmehr einen „FNB-ähnlichen Versorgungsauftrag“. Badenova hat zwei Projekte in dem Antrag.
Am grenzüberschreitenden Projekt Rhyn Interco sind auch der französische Netzbetreiber GRTgaz und Terranets bw beteiligt. In Freiburg und in Kehl soll demnach die Gasinfrastruktur über den Rhein hinweg auf Wasserstoff umgestellt und wo nötig ergänzt werden.
Das Projekt H2@Hochrhein liegt hingegen allein bei Badenova. Eine Pipeline von Grenzach-Wyhlen bis Waldshut-Tiengen soll die energieintensive Industrie am Hochrhein mit Wasserstoff versorgen. Am Hochrhein sind laut Badenova etliche Firmen angesiedelt, die zwingend auf Wasserstoff angewiesen seien, auch für die stoffliche Nutzung. Diese Leitung hatte es nicht in den Antragsentwurf vom November 2023 geschafft und wurde nun nachträglich aufgenommen. Dabei half die Landesregierung von Baden-Württemberg nach. „Wir haben gemeinsamen mit den Industrie- und Handelskammern, Verbänden, der Plattform H2BW, dem ZSW und terranets bw eine eigene Bedarfsabfrage durchgeführt. Sie zeigt Landkreis-scharf, wie viel Wasserstoff die Betriebe vor Ort brauchen werden“, sagtUmwelt- und Energieministerin Thekla Walker.
BDEW fordert baldige Grundlagen für Wasserstoff Verteilnetz
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sagt: „Es ist gut, dass die Unternehmen, die den Aufbau des Kernnetzes übernehmen, hier eng abgestimmt vorgehen. Ebenfalls eine gute Nachricht ist, dass die beihilferechtlichen Bedenken ausgeräumt sind“. Die ebenfalls im EnWG verankerten Regelungen zur Finanzierung des Wasserstoff-Kernnetzes, auf deren Basis ein privatwirtschaftlicher Hochlauf erfolgen kann, wurden von der Europäischen Kommission am 21.06.2024 beihilferechtlich genehmigt.
Andreae denkt nun bereits an den nächsten Schritt. Nach den Grundlagen für das Kernnetz müsse die Regierung nun die Rahmenbedingungen für die Verteilnetze schaffen. „Derzeit sind rund 1,8 Mio. industrielle und gewerblichen Letztverbraucher an das Gasverteilnetz angebunden – Kunden, die potenziell auch an einer klimaneutralen Wasserstoff-Versorgung interessiert sind“, so Andreae. Nach aktuellen Plänen und Gutachten sieht es allerdings nicht danach aus, als ließen sich die Millionen von Haushaltskunden in absehbarer Zeit mit grünem Wasserstoff versorgen, wie der Solarserver berichtete.
Quelle: BNetzA, EnBW | solarserver.de © Solarthemen Media GmbH