Solarwärme als Teamplayer im Fernwärme-Mix

Schema eines Wärmenetzes mit einem zentralen Wärmespeicher unf zuahlreichen Wärmequellen und -verbrauchern. Wandgemälde auf der Wärmeübergabestation der Solarthermieanlage in Ludwigsburg.Foto: Guido Bröer
Kann sich eine fluktuierende Energiequelle wie die Solarthermie problemlos in ein Fernwärme-System mit Erdgas-BHKW, Holzkessel, Wärmepumpe oder sogar Geothermie einfügen? Ja – Solarwärmeanlagen haben sich als ein zuverlässige Teamplayer in der Fernwärme erwiesen.

Früher waren regenerative Wärmeerzeuger wie Solarthermie-Kollektorfelder und Wärmepumpen nur Nebendarsteller in der Fernwärme. Sie galten bestenfalls als „Fuel Saver“. Ihre Bereitschaft und Vorhersehbarkeit spielten keine Rolle für die Versorgungssicherheit, da fossile Backup-Aggregate immer zur Verfü­gung standen. Doch die Zeiten haben sich ge­än­dert. Heute sind erneuerbare Energien die Hauptdarsteller auf dem Weg zu 100 Prozent CO2-freier Wärme bis 2045.

100 Prozent CO2-freie Wärme

Im Umkehrschluss muss jede Investi­tion in neue, langlebige Wärmeerzeugungskapazitäten bereits heute ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit leis­ten. Das gilt auch für Solarthermie, eine von Natur aus fluktuierende Energiequelle. 58 große Solarthermieanlagen mit 163.411 Quadratmetern Kollektorfläche liefern mittlerweile nach einer aktuellen Erhebung des Steinbeis-Forschungsinstituts Solites Energie für deutsche Fernwärmenetzen. Durch aktuelle Projekte könnte sich diese Kollektorfläche bis Ende kommenden Jahres fast verdoppeln.

Jens Kühne, Bereichsleiter beim Fern­wärmeverband AGFW, bestätigt, dass die Branche die Solarwärme auf dem Schirm hat: „Solarthermie ist zu einem festen Bestandteil des Portfolios geworden, das Netzbetreiber prüfen, wenn sie ihre Erzeugungskapazitäten erweitern wollen.“

Ein großer Vorteil der Solarthermie ist aus Stadtwerke-Sicht ihre Kostenstabilität. Kühne erklärt: „Man weiß von Anfang an, wie hoch die Energiekosten in der Zukunft sein werden – unabhän­gig von den Schwankungen auf den Energiemärkten.“

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Die Energiekrise 2022 mit ihren explodierenden Erdgaspreisen hat diese Erkenntnis noch verstärkt. Kommunalversorger, die damals bereits eine Solarthermieanlage im Portfolio hatten, konn­ten sich über jede Megawattstun­de freuen, die aus den Röhren- oder Flachkollektoren in ihre Wärmenetze floss. Und bei den anderen Versorgern hat die Erdgasknappheit das Interesse an Solarwärme und anderen erneuerbaren Energien deutlich gesteigert. Aus Sicht der Stadtwerke müssen fluktuierende Energien allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllen, um gut mit den anderen Aggregaten der gewachsenen Heiz- und Kraftwerks­parks zu harmonieren.

Solarthermie als Teil des Fernwärme-Erzeugerparks

Für Solites-Leiter Dirk Mangold hat die Technologie diese Teamfähigkeit längst bewiesen. Große Solarthermie-Anlagen für die Fernwärme seien eine seit vielen Jahren bewährte Tech­nik, sagt der Wissenschaftler: „Die Solarthermie ist ein normaler Teil eines zukünftig emissionsfreien Erzeuger­parks – mit einigen Vorteilen. Dazu ge­hört nicht nur, dass die Kosten einer solaren Kilowattstunde ab dem Zeitpunkt der Investition über Jahrzehnte im Vo­raus berechenbar und sicher sind. Solar­wärme ist auch völlig emissionsfrei und erzielt den höchsten Energieertrag pro Aufstellfläche im Vergleich zu allen anderen erneuerbaren Energien.“
Der Schlüssel für ihre Integration liegt laut Mangold im Wärmespeicher. Bei sehr kleinen solaren Deckungsanteilen werde die Solarwärme zwar immer im Wärmenetz aufgenommen. Schon bei Anteilen ab 5 Prozent werde aber ein Wärmespeicher notwendig, wenn keine solar erzeugten Megawatt­stun­den verschenkt werden sollen. Dieser Speicher gleicht den mit der Sonneneinstrahlung schwanken­den Solarer­trag für das Wärmenetz aus. Bereits ein kleiner Pufferspeicher zur Abfederung von Erzeugungsspitzen macht die Solarenergie für die Netzleitstelle regelbar.

Erst recht gilt dies für einen multifunktionalen Mehrtagesspeicher oder gar einen saisonalen Wärmespeicher. Hier profitiere nicht nur die Kollektoranlage vom Speicher, betont Mangold: „Ein Wärmespeicher, der als zentrales Systemelement auch anderen Erzeu­gern wie Holzkessel, Wärmepumpen, Geothermie- und Po­wer-to-Heat-Anla­gen dient, verbessert gleichzeitig deren Effizienz und damit die Wirtschaftlich­keit der gesam­ten Erzeugung.“

In Deutschland sind 2024 mehrere saisonale Erdbecken-Wärmespeicher im Bau, die einen solaren Deckungsanteil bis zu 70 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs ermöglichen. Dazu trägt auch das besondere Zusammenspiel der Solarthermieanlage mit anderen Erzeu­gern bei. Beispielsweise sollen zwei Wärmepumpen mit zusammen 1,2 MW im hessischen Dorf Bracht die im unteren Bereich des rund 27.000 Kubikmeter großen Erdbecken-Wärmespeichers enthaltene Restenergie auf ein nutzbares Temperaturniveau bringen. Indem die Wärmepumpen dem Spei­cher im unteren Bereich Energie entziehen, soll auch die Rücklauftemperatur für die Solarkollektoren sinken. Das wiederum stei­gert deren Wirkungsgrad, weil ihre Wärmeverluste sinken.

70 Prozent Solarthermie

Ebenfalls zu 70 Prozent mit Solarenergie möchte die Stadt Hechingen das Wärmenetz in einem Neubaugebiet versorgen. Neben der Solarthermieanlage sollen auch hier ein Erdbecken-Wärmespeicher und eine Wärmepum­pe zum Einsatz kommen. Zusätzlich wird oberflächennahe Geothermie aus einem Erdsondenfeld genutzt. Die Erdsonden dienen im Winter als Energiequelle für die Wärmepumpen. Im Som­mer soll dann der Erdsondenspeicher mit überschüssiger Solarwär­me aus dem Kollektorfeld regeneriert werden.

Schon an diesen Beispielen zeigt sich, dass Erzeugerparks mit Solarthermiekomponente immer vielfältiger werden. Als vor rund zehn Jahren in Deutschland die kommerzielle Nutzung der netzgebundenen Solarthermie zu­nächst in Dorfwärmenetzen mit Holzfeuerungen begann, deckten Solarthermieanlagen typischerweise den sommerlichen Wärmebedarf vollständig. So ermöglichen sie ein monatelanges Abschalten der Holzkessel und tragen zugleich rund 20 Prozent zum Jahres­wärme­­bedarf im Dorf bei. Jetzt folgen auf diese einfachen Systeme vermehrt städtische Fernwärmenetze mit immer leistungsstärkeren Solarthermieanlagen in komplexen Anlagenparks. Ein Bei­spiel sind die Stadtwerke Greifswald, die aktuell das größte Solarkollektorfeld Deutschlands mit rund 18.700 Quadratmetern Kollektorfläche betreiben. Es ist Teil eines innovativen KWK-Systems (iKWK), zu dem auch ein Blockheizkraftwerk und ein Elektrodenkessel gehören. Die Elektroheizung soll es ermöglichen, den in der Region reichlich vorhan­de­nen Wind­strom bei Strom­netz­engpäs­sen sinnvoll zu nutzen.

Die Greifswalder Fernwärme ver­fügt über weitere Blockheizkraft­wer­ke, Kesselanlagen und eine große Luftwärmepumpe. Ihr Zwischenziel von 35 Prozent CO2-freier Fernwärmeerzeu­gung wollen die Stadtwerke erreichen, wenn bald der zentrale 5.500-Kubikmeter-Speicher in Be­trieb geht.

Heutzutage sind Solarthermie-Anlagen selbst in Fernwärme-Netzen, die auf einer Grundlastversorgung aus Müllverbrennungsanlagen oder Industrieabwärme basieren, für Expert:innen nicht mehr undenkbar. Dirk Mangold erklärt, wa­rum: „Zum einen, weil beim Ausbau der Wärmenetze weitere erneuerbare Er­zeu­gungskapazitäten gebraucht wer­den. Zum anderen, weil Multifunktionswärmespeicher ein Nebeneinander durch­aus ermöglichen können.“

Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH

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