Energy Sharing: Gesetzentwurf in Aussicht
Auf Anfrage der Solarthemen bestätigt die Pressestelle des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): „Eine Umsetzung des § 15a ‚Recht auf gemeinsame Energienutzung‘ der novellierten Strommarktrichtlinie, ist mit einer EnWG-Novelle geplant, die derzeit vorbereitet wird.“ Der BMWK-Pressesprecher weist gleichwohl darauf hin, dass das Europarecht den Mitgliedsländern zwei Jahre Zeit für die Umsetzung in nationales Recht lasse. Der genaue Stichtag ist der 26. Juli 2026. Er liegt also nach der nächsten Bundestagswahl.
NGOs sind zuversichtlich
Allerdings hoffen Umwelt- und Verbraucherschutzverbände, die das BMWK seit dem vergangenen Herbst in einem sogenannten Stakeholderdialog zum Energy Sharing einbezogen hat, dass die Bundesregierung die Frist nicht voll ausnutzen will. Susanne Jung, Geschäftsführerin des Solarenergie Fördervereins Deutschland, die an allen Stakeholder-Runden beteiligt war, sagt: „Wir sind nach den jüngsten Gesprächen, zu denen das BMWK eingeladen hatte, mittlerweile sehr zuversichtlich, dass jetzt bald ein Gesetzentwurf auf den Tisch kommt.” Ähnlich erwartungsvoll äußerte sich kürzlich auch der Sprecher des Bündnis Bürgerenergie, Martin Bialluch, in einem Solarthemen-Interview.
Zumal die Bundesregierungen in den Augen der Bürgerenergieszene schon seit der Erneuerbare-Energien-Richtline von 2018 (RED II) eine überfällige Bringschuld zum Energy Sharing haben. Doch weil die auch verschiedene andere Regierungen in Europa offenbar nicht so erst genommen haben, hat der EU-Gesetzgeber nun in der Strombinnenmarktrichlinie nachgelegt.
Energy Sharing regional statt nur lokal
So steht es nun beispielsweise nicht mehr im Ermessen der nationalen Regierungen und Parlamente, die gemeinsame Energienutzung lediglich auf den unmittelbaren Nahbereich zu beschränken, so wie es in Deutschland mit dem EEG-Mieterstrom und der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung der Fall ist. Zwar konnte eine Gruppe von Prosumern bei räumlicher Trennung von Erzeugung und Verbrauch auch nach der früheren Fassung der Strombinnenmarktrichtline schon als gemeinschaftlich „aktiver Kunde“ gelten, aber nur „sofern ein Mitgliedstaat es gestattet“. Diese Länderöffnungsklausel hat der EU-Gesetzgeber nun gestrichen. Insofern soll es nun bald möglich sein, dass beispielsweise Energiegenossenschaften ihre Mitglieder auch über eine gewisse Distanz in einem von den Staaten zu definierenden regionalen Umkreis mit selbst erzeugtem Strom versorgen.
Energy Sharing auch für Bedürftige
Bürgerenergiemeinschaften und andere Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften erhalten laut der neuen Richtlinie das Recht, „mit ihren Mitgliedern Strom gemeinsam (zu) nutzen, der in den in ihrem vollständigen Eigentum befindlichen Anlagen erzeugt wird. Hinsichtlich des Rahmens für den Schutz und die Befähigung für die gemeinsame Energienutzung sollte besonderes Augenmerk auf schutzbedürftige Kunden und von Energiearmut betroffene Kunden gelegt werden.“ Wie das konkret geschehen könnte, bleibt allerdings offen.
Die Richtlinie begründet etwas hölzern: „Mit der gemeinsamen Energienutzung wird der kollektive Verbrauch von selbst erzeugtem oder selbst gespeichertem Strom, der von mehreren gemeinsam agierenden aktiven Kunden in das öffentliche Netz eingespeist wird, operationalisiert.“ Dazu gehört auch die Klarstellung, dass mit dem Energy Sharing zwar eine Bilanzkreisverantwortlichkeit verbunden sei, aber Energiegemeinschaften zumindest im kleinen Maßstab keine Vollversorgung anbieten müssten.
Im Gegenteil geht es häufig um Teilstromlieferungen. Was mitunter flapsig als „Recht, ein Verlängerungskabel über den Gartenzaun zu hängen“ beschrieben wird, soll auch im größeren Maststab und über das öffentliche Netz funktionieren, so die Richtlinie: „Aktive Kunden, die Eigentümer, Pächter oder Mieter einer Speicher- oder Erzeugungsanlage sind, sollten das Recht haben, erzeugte Energieüberschüsse gegen ein Entgelt oder kostenlos an andere Kunden abzugeben (…) oder die erneuerbare Energie, die in gemeinsam gepachteten, gemieteten oder im Miteigentum befindlichen Anlagen mit einer Kapazität von bis zu 6 MW erzeugt oder gespeichert wird, entweder direkt oder über einen Dritten als Organisator gemeinsam zu nutzen.“
Nachbarschaftliche Stromversorgung
Die EU-Richtlinie deckt jedenfalls auch ein Energy Sharing im kleinen Maßstab, wie es vor allem der SFV in seinem Modell der „nachbarschaftlichen Stromversorgung“ favorisiert. SFV-Geschäftsführerin Susanne Jung argumentiert: „Solarer Nachbarschaftsstrom als eine Form des Energy Sharings bietet die Möglichkeit, Solarstrom innerhalb einer Nachbarschaft zu teilen und zu verkaufen. Haushalte ohne eigene Solaranlagen können von den günstigeren Strompreisen profitieren, die durch die Nutzung von Solarenergie möglich sind. Und es entsteht ein starker Anreiz, städtische Dachflächen umfassender für die Solarenergiegewinnung zu nutzen. Dies betrifft nicht nur private Wohngebäude, sondern auch öffentliche und gewerbliche Gebäude. Anstatt Solaranlagen nur für den Eigenverbrauch zu optimieren, wird die Planung auf den gesamten Energiebedarf der Nachbarschaft ausgerichtet.“
Autor: Guido Bröer | © Solarthemen Media GmbH