Agri-PV: Branche ahnt den Durchbruch

Hoch aufgeständerte Agri-Photovoltaikanlage spendet Schatten auf einer Wiese. Unter der Agri-PV-Anlage grasen Kühe.Foto: Sunfarming
Noch sind Agri-PV-Anlagen eine Nischenanwendung. Doch die Voraussetzungen für den Ausbau der Agri-Photovoltaik werden besser.
Werden Agri-PV-Anlagen den klassi­schen Solarparks, wie wir sie heute kennen, schon bald den Rang ablaufen? Man­che Branchenvertreter:in­nen er­war­ten das. Und auch die Bun­desregierung hätte wohl nichts dagegen. In den vergange­nen Monaten hat sie – nicht zuletzt mit dem Solarpaket – einiges dafür ge­tan, dem Nischenprodukt Agri-PV eine breitere Anwendung zu eröffnen.

Anfang August gab das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) von Cem Özdemir bekannt, dass es die Regeln, nach denen Landwirte für ihre Agri-PV-Flächen Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU erhalten können, ab Januar 2025 noch attraktiver machen will. Mit dem Anfang August vorgestellten Änderungsantrag zum deutschen GAP-Strategieplan hat sich das BMEL mit der EU-Kommission darauf verständigt, dass die bisherige Beschränkung für Agri-PV-Flächen auf pauschal 85 Prozent der GAP-Tarife ab Januar 2025 entfallen soll. Dann wird Landwirten nur noch der genaue Flächenverlust abgezogen. Damit fahren sie günstiger als mit der Pauschale. Denn bei einer hochaufgeständerten PV-Anlage entfalle mitunter weniger als 1 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche für die gerammten Pfosten und gegebenenfalls für das Fundament eines Zentralwechselrichters. Das berichtet Edith Seemann, die für das Projektgeschäft zuständige Geschäftsführerin der Sunfarming GmbH, eines Familienunternehmens, das seit Jahren in Entwicklungsländern ebenso wie in Deutschland und Europa Agri-Photovoltaik-Anlagen realisiert.

Nachfrage nach hofnaher Agri-PV

Hierzulande sieht Seemann zurzeit eine starke Nachfrage nach Photovoltaikanlagen auf Agrarflächen. Insbesondere im Marktsegment der hofnahen Agri-PV-Anlagen habe die neue Privilegierung im Baugesetzbuch (BauGB) ein enormes Interesse bei Landwirten losgetreten. Bereits 2023 hatte die Bundesregierung solche Anlagen bis zu einer Grundfläche von 2,5 Hektar privilegiert. Das heißt: Die Kommune muss für eine entsprechende Agri-PV-Anlage keinen Bebauungsplan aufstellen. Voraussetzung ist nach § 35 BauGB, dass die Anlage in einem „räumlich-funktionalen Zusammenhang“ mit einem privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb steht und dass je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben wird. Auf 2,5 Hektar Agri-PV-Fläche können laut Seemann durchaus rund 3 Megawatt an Modulleistung untergebracht werden. Wenn die PV-Anlage Tieren Auslauf bietet, könnten Landwirte damit anstelle einer reinen Stallhaltung die Chance nutzen, bei ihrer Haltungsform um zwei Tierwohlklassen aufzusteigen und damit den Marktwert ihrer tierischen Produkte zu erhöhen.

Doch nicht nur für diesen Spezialfall der hofnahen 2,5-Hektar-Anlagen scheint sich der Wind gedreht zu haben. Laut Seemann will Sunfarming noch in diesem Herbst in Deutschland auch größere Agri-PV-Anlagen „mit zusammen mehreren Hundert Megawatt Leistung“ in Betrieb nehmen. Das Unternehmen plane aktuell Anlagen im Umfang von mehr als 3 Gigawatt. Während in früheren Jahren auch klassische Freiflächen-Solarparks zum Portfolio von Sunfarming gehört haben, sei man aktuell zu 98 Prozent mit Agri-PV-Projekten befasst.

EEG ist wichtig für Agri-Photovoltaik

Mittelständische Unternehmen seien dabei auf die von der Bundesregierung verbesserten Bedingungen des EEG angewiesen, so Seemann, vor allem, um den finanzierenden Banken die geforderte Sicherheit zu bieten.
Dass die Bundesregierung mit den im Zuge des Solarpakets veränderten Förderbedingungen für Agri-PV die richtige Richtung eingeschlagen habe, meint auch Anke Müller, Leiterin für Kommunikation bei der Berliner Agrosolar Europe GmbH sowie im Verband für nachhaltige Agri-PV (VnAP): „Es ist ganz viel in der Pipeline und dabei hat auch das Solarpaket geholfen.“

Die wesentliche Neuregelung des Solarpakets sieht vor, in den kommenden Jahren für die sogenannten „besonderen Solaranlagen“ – also Agri-PV, Moor-PV, Parkplatz-PV und Floating-PV – wachsende Kontingente innerhalb der EEG-Ausschreibungen zu reservieren. Bei der nächsten PV-Freiflächenausschreibung im Dezember 2024 sollen bis 300 MW davon profitieren können. Das Kontingent soll jährlich bis zum Jahr 2029 auf 2.075 MW wachsen. Zugleich gilt für diese besonderen Solaranlagen ein zunächst um 2,5 Cent großzügiger angesetzter Höchstwert von 9,5 Cent, der sich in den Folgejahren gemessen an den tatsächlichen Ergebnissen vorheriger Ausschreibungen verringern soll. Auch im Bereich der Anlagen unterhalb von 1 MW, denen eine EEG-Festvergütung zusteht, liegt diese jetzt um 2,5 Cent über derjenigen für herkömmliche Freiflächenanlagen. Diese Neuregelung muss noch die EU-Kommission genehmigen.

Wird Agri-PV das neue Normal?

Trotz der Mehrkosten von Anlagen, die den in zwei DIN-Spezifikationen (DIN Spec 91434 und 91492) festgelegten Kriterien für Photovoltaik auf Agrarflächen entsprechen, erwarten einige Expert:innen, dass Agri-PV sich mittelfristig zum neuen Normal der Freiflächen-PV entwickeln könnte. Zum einen, weil zu den Stromerträgen das landwirtschaftliche Einkommen hinzukommt, das unter und zwischen den Modulen durch Ackerbau, Viehzucht und GAP-Subventionen erzielt wird. Zum anderen hoffen die Anbieter aber, Landwirt:innen und Entschei­der:innen in Kommunen auch von zahlreichen weiteren geldwerten Vorzügen zu überzeugen.

So hoffen Branche und Politik auf eine höhere Akzeptanz vor Ort, wo die Landwirtschaft den Solarflächen nicht weichen muss. Für viele Landwirte dürften allerdings steuerliche und erbschaftsrechtliche Argumente noch entscheidender sein. Denn im Gegensatz zu gängigen Solarparks profitieren sie mit Agri-PV weiterhin von landwirtschaftlichen Privilegien bei Grund- und Erb­schafts­steuer. Das kann auch den möglichen Nachteil ausgleichen, für gängige Freiflächen-PV höhere Pachteinnahmen erzielen zu können.

Trotz guter Zukunftsaussichten für die Agri-PV haben Politik und Branche laut VnAP-Sprecherin Müller noch einige Hausaufgaben zu erledigen. So werde Agri-PV trotz der Vorgaben vom Bund von den für Raumordnung und Genehmigungspraxis zuständigen Behörden in Ländern und Kommunen noch nicht einheitlich behandelt. Das betrifft unter anderem die Ausweisung von Flächen, (die Bauleitplanung) und Genehmigungen.
Vor allem sorgt sich der VnAP, dass „Pseudo-Agri-PV“ das bislang gute Image der Technologie verderben könnte. Dies sei zu befürchten, weil die Einhaltung der DIN-Spec-Kriterien vonseiten der BNetzA schwer zu kontrollieren sei. Besonders für den Bereich der PV-affinen Tierhaltung seien die Kriterien in Abgrenzung zu Standard-Freiflächenanlagen zu ungenau und schwach formuliert.

Autos: Guido Bröer | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

Einen Hintergrundartikel zu Agri-PV finden sie hier auf dem Solarserver.

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