Johannes Jung: Photovoltaik-Lösungen fürs Mehrparteienhaus

Portraitfoto von Johannes Jung von der Energieagentur Regio FreiburgFoto: Energieagentur Regio Freiburg GmbH
Johannes Jung, Experte für Photovoltaik-Lösungen bei Mehrparteienhäusern bei der Energieagentur Regio Freiburg
Der Umweltwissenschaftler Johannes Jung arbeitet seit einigen Jahren als Projektleiter Photovoltaik bei der Energieagentur Regio Freiburg. Dort ist ein Aufgabenschwerpunkt auch die Beratung von Wohnungseigentümergemeinschaften sowie Vermietern, wie sie eine Photovoltaikanlage aufs Dach bekommen. Die Solarthemen sprachen mit ihm über die derzeitigen Optionen für Photovoltaik-Lösungen fürs Mehrparteienhaus.

Johannes Jung: Das ist eine Frage, die uns täglich umtreibt und zu der wir viele Anfragen bekommen. Und so einfach ist eine direkte Antwort darauf nicht. Das ist letztlich ein kommunikativer Prozess in jeder Wohnungseigentümergemeinschaft, kurz WEG, an dem wir uns beteiligen. Wir erleben dabei zunächst, dass viele Menschen die bestehenden Modelle zum Betrieb von PV-Anlagen auf Mehrparteienhäusern gar nicht kennen. Aufgrund unzureichender Information in einzelnen Presseartikeln oder auf Basis von Hörensagen glauben sie häufig, dass das zu schwierig sei. Da versuchen wir Licht ins Dunkel zu bringen und zeigen die unterschiedlichen Optionen auf, wie man Photovoltaikanlagen auf Mehrparteienhäusern realisieren kann.

Natürlich ist das bei Entscheidungen ein großer Unterschied. Vor allem, wenn es nur eine:n Eigentümer:in gibt – der oder die muss sich nur mit sich selbst einig werden und wissen, wie man die Mieter:innen mit ins Boot bekommt. Da ist dann wohl ein Mieterstrommodell oder die Allgemeinstromversorgung die Lösung. Im anderen Fall mit mehreren Eigentü­- mer:innen ist häufig die Frage nach der Wirtschaftlichkeit nicht so wesentlich, sondern eher, wer investiert und in welcher Höhe. Da braucht man dann die Zustimmung der Eigentümer:innenversammlung.

Einzählermodell für die kollektive Selbstversorgung

Unser erster Dauerbrenner ist das Einzählermodell, früher kollektive Selbstversorgung genannt. Das ist tatsächlich meistens die Lösung, die wir anbieten. Meist kommen WEG auf uns zu mit der Idee des Mieterstroms und der Frage, ob es hier Neuigkeiten gibt. Und im Laufe des Gesprächs kommen wir dann häufig auf das Einzählermodell zurück. Die Idee ist dabei, dass sich das Haus selbst gemeinschaftlich mit Solarstrom versorgt. Der zusätzlich benötigte Strom wird über einen gemeinsamen Zähler für das ganze Haus aus dem Netz eingekauft. Vor allem bei den Grundgebühren bringt das schon einige Ersparnisse. Wenn zum Beispiel in einem Haus mit zehn Wohnungen neunmal die Grundgebühr von 150 Euro wegfällt, so spart man dort schon mal 1.350 Euro im Jahr. Und dann kommt die Photovoltaikanlage noch mal als Vorteil dazu.

Wir kennen inzwischen sehr viele Wohnungseigentümergemeinschaften, die mit diesem Einzählermodell sehr glücklich sind. Das ist sehr häufig das Optimum, das man derzeit für ein Mehrparteienhaus erreichen kann. Und nur wenn eine Einigung darauf nicht möglich ist, gehen wir die Kaskade der Möglichkeiten weiter runter und suchen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Zählerverzicht als Option

Dies wird oft als erste Sorge angesprochen. Doch kommuniziert man hier von Beginn an offen und fair miteinander, stellt dieses Thema im weiteren Verlauf kein Problem mehr dar. Zum Beispiel hat hier in Freiburg vor drei Monaten eine Wohnungseigentümergemeinschaft eine PV-Anlage in Betrieb genommen. Bei denen war das auch eine Anfangssorge. Und jetzt sind alle super motiviert dabei. Natürlich muss man alle Sorgen und Ängste ansprechen. Doch sie lassen sich häufig über die zu erwartenden niedrigeren Energiepreise dank Zählerverzicht und PV-Anlage ausräumen. Zumal beim Einzählermodell dennoch mit internen Zählern gearbeitet werden kann, um den verhältnismäßigen Stromverbrauch jeder Wohneinheit zu erfassen. Es ist klar, dass der eine in einem Jahr möglicherweise mal mehr profitiert, dafür die andere eventuell im nächsten Jahr. Das ist aber bei allen Betriebsmodellen – außer bei der künftigen gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung – der Fall.

Photovoltaik für Allgemeinstrom

In diesem Fall lohnt sich das Allgemeinstrommodell kaum. Wir sprechen von einer sinnvollen Allgemeinstromversorgung für ein Gebäude, wenn es dort entsprechende große Verbraucher gibt. Das ist zum Beispiel eine Aufzugsanlage, die bei so einem Konzept wichtig ist. Das Modell ist auch interessant, wenn dort Wärmepumpen oder Heizstäbe zum Einsatz kommen. Ich habe auch schon Wohnungseigentümergemeinschaften beraten, deren Haus über einen beheizten Pool verfügt oder die im Vorgarten einen Springbrunnen haben. Wenn man einen großen Allgemeinstromverbrauch hat, dann lohnt sich dafür eine PV-Anlage. Bei vielen WEG aus dem 20. Jahrhundert ohne Aufzug ist das nicht der Fall.

Mehrere PV-Anlagen auf einem Dach

Das ist die Betriebsweise, die wir in unserem Leitfaden als Modell der Einzelanlagen bezeichnen. Dafür gibt es ein Beispiel nördlich von Freiburg: eine WEG mit vier Wohnungen, die wir begleitet haben. Die sind sehr glücklich mit dieser Lösung. Im Vergleich mit anderen Varianten ist sie weniger wirtschaftlich, weil man mehr technische Komponenten, insbesondere eine größere Zahl von Wechselrichtern, einsetzen muss und der Eigenverbrauch nicht so hoch ist. Doch für eine Reihe von WEG, die sich zum Beispiel nicht auf das Einzählermodell einigen können, ist das meiner Erfahrung nach ein gutes Betriebsmodell und eine passende Alternativlösung, wenn andere nicht infrage kommen. Dann kann sich eine WEG zumindest darauf einigen, die Dachflächen für einzelne PV-Anlagen freizugeben.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung steckt noch am Anfang

Wir haben sehr gejubelt, als die ersten Aussagen dazu kamen. Wir waren in der frohen Erwartung, dass dieses Modell die Photovoltaik auf Mehrparteienhäusern entfesseln könnte. Ergänzend zu den anderen Modellen, die wir besprochen haben, könnte das eine neue tolle Option bieten. Aber mit jeder Woche, in der weitere Informationen zu den rechtlichen Grundlagen kamen, hat sich das geschmälert. Die große Euphorie ist noch nicht ausgebrochen. Erst kürzlich habe ich mit einem Mieterstromdienstleister gesprochen, der mir sagte, dass sie dazu was anbieten wollen. Aber sie rechnen erst Ende 2025 oder Anfang 2026 damit, dass die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung in der Breite kommen kann. Denn derzeit sieht man noch viele Kinderkrankheiten, die auf Gesetzesebene zu bearbeiten sind.

Und auch für die technische Seite fehlen noch Lösungen. Ich halte es für ein gutes Modell, keine Frage. Aber jetzt ist es noch nicht reif. Wenn ich es derzeit auf einer Eigentümerversammlung vorstelle und dies das Modell der Wahl sein soll, dann schlage ich vor, im ersten Schritt eine PV-Anlage mit Volleinspeisung installieren zu lassen. Und im zweiten Schritt kann man die dann in zwei oder drei Jahren umrüsten.

Offene Fragen bei der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

So wie ich das sehe, gibt es vor allem im Gebäudestromnutzungsvertrag noch einiges zu klären. Wer ist wofür zuständig? Wer ist dazu verpflichtet, das Ganze umzusetzen? Der grund­zuständige Messstellenbetreiber muss es nur dulden. Damit können die ­wettbewerblichen Messstellenbetreiber da hineinrutschen. Aber die werden bislang noch nicht richtig aktiv. Die Leitplanken müssen noch enger gesteckt werden. Aber das wird mit Umsetzungsbeispielen sicherlich kommen, von denen man sich inspirieren lassen kann. Doch wenn ich jetzt gefragt werde, rate ich, die Füße noch etwas stillzuhalten. Das ist noch zu frisch. Wir selbst, die Energieagentur Regio Freiburg, sind momentan auf der Suche nach einer WEG, bei der wir die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung mal pionierhaft begleiten können.

Photovoltaik fürs Mehrparteienhaus ist möglich

Genau. Zu erwähnen ist außerdem noch das klassische geförderte Mieterstrommodell, das in der Regel für größere Komplexe mit mehr Wohneinheiten interessant ist, für die wiederum das Einzählermodell schwierig ist. Es ist nicht möglich, ein für alle passendes Modell zu finden. Die Strukturen sind divers. Doch festhalten kann man: Es gibt keinen Grund, bei Mehrparteienhäusern auf Photovoltaikanlagen zu verzichten. Für jede Konstellation lassen sich Lösungen finden. Jetzt wäre es noch wünschenswert, dass sich mehr Installateure diesem Geschäftsfeld der Mehrparteienhäuser zuwenden.

Die Energieagentur hat einen Leitfaden für PV auf Mehrparteienhäusern veröffentlicht. Er ist zu finden unter www.earf.de/pv-mehrparteienhaus

Interview: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH

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