Wasserstoff in Hamburg: Energiewende soll durchstarten
Lange Zeit herrschte in Hamburg bei der Energiewende im Norden eher Flaute. Projekte, um überschüssigen Grünstrom aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zur Dekarbonisierung in der Industriestadt Hamburg einzusetzen – und zwar als grünen Wasserstoff – kamen kaum vom Fleck.
Doch in den letzten Wochen ist Bewegung in einige Vorhaben zur Sektorenkopplung gekommen. Darüber berichteten Teilnehmer auf einem Treffen des Projektes „Norddeutsches Reallabor“ Ende August in Hamburg. Ein Grund: Die EU hat kürzlich nach mehr als zwei Jahren Wartezeit lang ersehnte Fördergelder freigeben. Zum einen für den Bau eines Wasserstoffnetzes für die Industrie im Hafen und zum anderen für die Umrüstung des ehemaligen Kohlekraftwerks in Moorburg zum Wasserstoff-Standort.
Kraftwerk Moorburg wird abgerissen
Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan verwies auch auf die mangelnde Motivation von Großunternehmen, die ursprünglich in die neue Hamburger Wasserstoffwelt investieren wollten. „Shell und Mitsubishi sind schon lange weg. Es hat sich gezeigt, dass man sich eher auf den Mittelstand verlassen kann als auf die großen internationalen Energieerzeuger“, so Kerstan.
Weil auch der frühere Eigentümer Vattenfall die Umrüstung eher gemächlich angegangen war, hatte der städtische Versorger Hamburger Energiewerke 2023 das Grundstück samt Kraftwerk selbst übernommen. Kerstan: „Wir haben es gekauft, um Moorburg schneller abreißen zu können. Jetzt passiert dort endlich etwas“.
Parallel zum aktuell stattfindenden Rückbau kommen auch die Bauarbeiten für den geplanten 100 Megawatt (MW) starken Elektrolyseur voran. „Wir wollen mit einem Konsortium aber weitere 700 MW bauen“, kündigte Kerstan an.
Zertifizierung von grünem Wasserstoff unklar
In unmittelbarer Nachbarschaft hat der Bau eines 24 MW starken Elektrolyseurs für die Raffinerie Holborn begonnen. Das zur niederländischen Oilinvest (Tamoil, HEM) zählende Unternehmen will mit dem grünem Wasserstoff 25 Prozent seines derzeitigen Bedarfs an grauem Wasserstoff substituieren. Verantwortlich ist die HAzwei GmbH, ein Jointventure der Regionalversorger Hansewerk und Avacon. Laut Unternehmensvertreter Hans-Christian Henne liege die besondere Herausforderung darin, für eine kontinuierliche Bandlieferung des grünen Wasserstoffs für die Raffinerie zu sorgen. Denn der Grünstrom müsse 24/7 zur Verfügung stehen. Das funktioniere nur durch die Kombination verschiedener Stromlieferverträge (PPA) mit Solarparks- und Windstrombetreibern sowie Wasserstoffspeichern am Standort. Der sogenannte delegierte Akt der EU, der Anfang 2023 die Kriterien für grünen Wasserstoff benannt hat, fordert außerdem für den grünen Wasserstoff eine Zertifizierung. Offen sei aber noch, wer zertifiziere und was genau zu erfüllen sei, monierte Henne.
Wasserstoff für die Kupferproduktion
Kupferproduzent Aurubis hat unterdessen an seinem Produktionsstandort im Hamburger Hafen die Anodenöfen erneuert, um dort künftig Wasserstoff statt Erdgas einsetzen zu können. Sobald Wasserstoff über das geplante Pipelinenetz zur Verfügung stehe, will Aurubis umstellen. Voraussetzung: Das grüne Gas ist wettbewerbsfähig.
„Noch ist die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland um 300 bis 400 Prozent teurer als grauer Wasserstoff“, sagte dazu Detlev Wösten, Geschäftsführer der H&R Ölwerke Schindler GmbH. Das Chemieunternehmen setzt deshalb auf den Import und plant im Hamburger Hafen gemeinsam mit dem Mineralölhändler Mabanaft die Anlandung von grünem Ammoniak aus dem Nahen Osten.
Bakterien machen aus Wasserstoff Methan
Wie sich Wasserstoff über die biologische Methanisierung im Gasnetz speichern lasse, das untersucht die Stadtreinigung Hamburg im größten Bioenergie- und Kompostwerk der Stadt. Ein 1,1 MW starker Elektrolyseur ist dafür Mitte August geliefert worden. Es geht dabei darum, in die Fermenter neben dem Bio- und Gartenabfall grünen Wasserstoff einzuleiten. „Einige Bakterien in den Fermentern können Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umwandeln“, erläuterte Sven Robert Ganschow von der Stadtreinigung. Die sollen nun dazu beitragen, dass ein Teil des Kohlendioxids im Biogas mit Wasserstoff zu Methan umgewandelt wird. Biogas ohne Wasserstoff-Boost erhält üblicherweise zwei Drittel Methan und ein Drittel Kohlendioxid. Das Kompostwerk will künftig 70 bis 75 Prozent Methan liefern.
Autor: Oliver Ristau | © Solarthemen Media GmbH | www.solarserver.de