Energie- und Wärmestrategie: NRW hat einen Plan für die Energiewende
Die Handlungsbereiche Strom, Wärme und Mobilität fasst der Plan des Landes NRW für die Energiewende ins Auge. Ein wichtiger Teil der Energie- und Wärmestrategie NRW ist dabei auch die Wärmeversorgung der Gebäude. Dem Gebäudeenergiegesetz des Bundes entsprechend geht das Strategiepapier davon aus, dass diese in derzeit knapp 8,3 Millionen Wohn- und Nichtwohngebäuden bis 2045 klimaneutral erfolgt.
Wie hoch ist der Wärmebedarf?
Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hat eine Potenzialstudie zur zukünftigen Wärmeversorgung in NRW erstellt. Auf Grundlage von Zwischenergebnissen geht es davon aus, dass sich der Wärmebedarf in Gebäuden von jetzt etwa 189 Terawattstunden (TWh) auf 148 reduzieren lässt. Das wäre eine Reduktion um jährlich rund ein Prozent, was eine Trendfortschreibung ist. Bis 2045 hätte es dann gemäß diesem Szenario laut LANUV in 63 Prozent der Gebäude irgendeine energetische Maßnahme gegeben. Bei einem Szenario mit höherem Sanierungstempo sei eine Reduktion auf 123 TWh vorstellbar.
Niedrigere Vorlauftemperaturen als Ziel der Energie- und Wärmestrategie NRW
Dabei haben die Sanierungsmaßnahmen direkte Auswirkungen auf den Einsatz erneuerbarer Energien (EE). Die Landesregierung NRW erklärt in ihrer Energie- und Wärmestrategie: „Deren Einsatz kann besonders energieeffizient erfolgen, wenn niedrige Vorlauftemperaturen des Wassers für die Heizungsanlagen möglich sind.“
Das Erreichen einer flächendeckenden EE-Kompatibiliät sieht die Landesregierung als ein wesentliches Zwischenziel. Und dies bedeutet eine Vorlauftemperatur des Wassers für die Heizungsanlagen von maximal 55 Grad Celsius. „Wenn es mit vertretbarem Aufwand möglich ist, sollten sogar Temperaturniveaus zwischen 30 °C und 45 °C angestrebt werden, um eine maximale energetische Effizienz zu erreichen“, heißt es in der Energie- und Wärmestrategie. Das Land formuliert so neben Anteilen erneuerbarer Energie oder Gebäudeeffizienzklassen eine an der Praxis ausgerichtete Marschroute für Gebäudesanierungen.
Strategien für Nah- und Fernwärmenetze in NRW
„Ebenso wird bei den Nah- und Fernwärmenetzen die Absenkung der Vorlauftemperaturen eine wichtige Rolle spielen und die Effizienz weiter steigern“, so die Strategie. Das Land will sich „im fachlichen Dialog mit der Branche“ auf die Absenkung der Vorlauftemperaturen fokussieren. Die Entwicklung und Planung innovativer Versorgungskonzepte in bestehenden und neuen Fernwärmenetzen sei von großer Bedeutung. Derzeit schwanke die Temperatur in den Netzen lastabhängig und saisonal schwankend zwischen 80 und 110 Grad. Das sei aber zu hoch. „Daher gilt es, die Senkung der netzseitigen Vorlauftemperatur auf maximal 95 °C zu beschränken und perspektivisch weiter abzusenken.“
Diese Aussage sollte auch in der kommunalen Wärmeplanung in NRW berücksichtigt werden. Generell gilt, dass möglichst niedrige Vorlauftemperaturen in Netzen die Verluste reduzieren und zudem geringere Investitions- sowie Folgekosten verursachen. Bestimmend sind zum einen die Temperaturen an der Wärmequelle, zum anderen der Wärmebedarf in den Gebäuden. Beide Aspekte – der Wärmebedarf und die regenerativen Wärmeerzeugungspotenziale – sind in der kommunalen Wärmeplanung zu berücksichtigen.
Landeswärmeplanungsgesetz in NRW-Landtag eingebracht
Geregelt ist dies im Wärmeplanungsgesetz (WPG) des Bundes. Und die NRW-Landesregierung hat in diesen Tagen nun auch das Landeswärmeplanungsgesetz in den Landtag eingebracht. Es soll möglichst noch in diesem Jahr beschlossen werden. Darin definiert das Land zum Beispiel die „planungsverantwortliche Stelle“, von der im WPG die Rede ist. Demnach fällt die Rolle der Wärmeplanung klar den Gemeinden zu.
Gegenüber früheren Entwürfen gibt es im nun eingebrachten Vorschlag der Regierung an den Landtag einige Änderungen. Das Landeswärmeplanungsgesetz NRW ist kürzer geworden. Entfallen ist etwa ein Passus, der für Gemeinden, die derzeit dabei sind, die kommunale Wärmeplanung zu erarbeiten, hätte problematisch werden können. Generell will das Land – jedenfalls bis zur ersten Überarbeitung – alle Wärmepläne als gültig anerkennen, die im Rahmen der Bundesförderung für die kommunale Wärmeplanung erstellt wurden.
Das Landesgesetz soll aber auch Defizite ausgleichen, die das Land im WPG des Bundes noch sieht. So ist im Landesgesetz nun explizit enthalten, dass die Gemeinden auch Daten zu Wärmepumpen und Stromheizungen vom Stromnetzbetreiber erhalten müssen.
Reduzierte Anforderungen bei der Wärmeplanung für kleine Gemeinden
Für kleine Gemeinden bis 10.000 Einwohner:innen soll eine etwas abgespeckte Version der Wärmeplanung möglich sein. So können sie auch allein mit den Zahlen arbeiten, die das Wärmekataster NRW enthält. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) hat darin Daten für alle Kommunen in NRW zum Wärmebedarf und zu Potenzialen aufbereitet. So lässt sich darin u.a. ablesen, wie hoch der Wärmebedarf in einem Baublock ist und welche Heizung dominant ist. Nach Aussage von Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) soll dies die Gemeinden bei der kommunalen Wärmeplanung unterstützen. Besser ist es jedoch, selbst die Daten zu erheben. Denn das LANUV konnte sich den tatsächlichen Verbräuchen und auch den Potenzialen nur mit einer gewissen Ungenauigkeit annähern.
Droht Kommunen in NRW von Bundesfördermitteln?
Das Landeswirtschaftsministerium und die landeseigene Energieagentur NRW.Energy4Climate GmbH sind derzeit auch mit Fragen konfrontiert, die die Bundesförderung der kommunalen Wärmeplanung im Rahmen der Kommunalrichtlinie betreffen. Einige Kommunen in NRW haben Förderzusagen erhalten und arbeiten bereits an der Wärmeplanung. Jetzt steht im Raum, dass ein Widerruf der Förderung erfolgen könnte. Ursache dafür ist die Zahlung an die Kommunen, d.h. der Belastungsausgleich, der über die Länder an die Gemeinden auszuschütten ist. „Das Prozedere ist da noch nicht ganz klar“, sagt Sigrid Lindner, Projektmanagerin bei der Landesgesellschaft. Hier sei das Land noch im Gespräch mit dem Bund. Im Entwurf zum Landeswärmeplanungsgesetz von NRW ist vorgesehen, dass alle Gemeinden Geld für die Wärmeplanung erhalten.
Wärmestudie für das Land NRW zeigt Potenziale
Eine ebenfalls in diesen Tagen vorgelegte Wärmestudie soll zeigen, dass das Ziel einer rein auf regenerativen Energien basierenden Wärmeversorgung für NRW realistisch ist. Dazu hat eine Reihe von wissenschaftlichen Instituten zusammen mit dem LANUV verschiedene Szenarien erarbeitet. Das erste ist im Wesentlichen ein Trendszenario, das zweite geht von einem „Preisschock“ bei Strom aus und das dritte setzt mehr auf lokale Wärmequellen und Wärmenetze. Hier wird angenommen, dass Wärmecluster mit Netzen zu realisieren sind, wenn deren mittlere Wärmeliniendichte bei 1500 Kilowattstunde je Meter Wärmenetz im Jahr liegt. Aktuelle Wärmeplanungen gehen häufig von deutlich höheren Werten aus.
Unterstützung für Kommunen
Ergänzend zur Energie- und Wärmestrategie sind außerdem verschiedene Unterstützungsmaßnahmen für Kommunen vorgesehen, die teils auch bereits laufen. So weist Sigrid Lindner auf die direkten Beratungsangebote von NRW.Energy4Climate nicht nur für die Wärmeplanung hin. Erstellt werde gerade ein Leitfaden, der die Anforderungen des Wärmeplanungsgesetzes des Bundes und des Landeswärmeplanungsgesetzes erläutern solle. „Das soll es für die Kommunen übersichtlicher machen“, so Lindner, die dann nicht Landes- und Bundesgesetz parallel ansehen müssten. Eine Doppelung zum Leitfades des Bundes solle es allerdings nicht geben. Geplant sei außerdem ein ergänzendes Unterstützungsangebot, um für eine gewisse Qualitätssicherung bei den kommunalen Wärmeplänen zu sorgen.
Strombedarf steigt an – Ausbau von Photovoltaik und Windenergie
Das Land NRW geht davon aus, dass Wärmenetze bis 2045 einen Anteil von 22 bis 26 Prozent des Wärmebedarfs decken können. Einen weiteren großen Teil sollen Wärmepumpen liefern. Entsprechend wird der Strombedarf ansteigen. Dazu formuliert die Energie- und Wärmestrategie folgendes Zielbild: „Möglichst bis 2035 soll die gesamte Stromerzeugung in Nordrhein-Westfalen weitgehend klimaneutral erfolgen. Entsprechend wird das zukünftige Energiesystem in Nordrhein-Westfalen maßgeblich von erneuerbaren Energien geprägt sein. Sie sind der Schlüssel zur Klimaneutralität und zur Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern.“
Die Landesregierung strebt einen PV-Ausbau von 9,8 GW Ende 2023 auf mindestens 21 GW bis Ende 2030 an. Bei weiteren Verbesserungen der Rahmenbedingungen will sie bis Ende 2030 einen Ausbau auf bis zu 27 GW erzielen. „Unter Berücksichtigung von aktuellen Potenzialanalysen streben wir zum Jahr 2045 eine installierte Leistung von 50 bis 65 GW an“, erklärt die Energie- und Wärmestrategie von NRW: „Der Schwerpunkt des Ausbaus der Photovoltaik soll auf Gebäuden und versiegelten Flächen liegen.“
Im Bereich der Windenergie soll die Ende 2023 installierte Leistung von 7,2 GW bis zum Jahr 2030 auf mindestens 13 bis 15 GW gesteigert werden. Unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Flächenkulisse und weiterer Faktoren, wie zum Beispiel technologischer Entwicklungen, wird ein langfristiger Zubau auf mindestens 18 GW bis zu 23 GW bis zum Jahr 2045 angestrebt.
Biomasse und Wasserkraft sollen systemdienlich und flexibel genutzt werden. Insbesondere bei der Abfall- und Reststoffverwertung sieht die Landesregierung Potenziale, die noch nicht ausgereizt seien. Beim Ausbau der Biomasseenergie strebt sie eine Leistungssteigerung von aktuell rund 1,3 GW auf 1,5 bis zu 1,8 GW bis 2030 an.
Hoher Bedarf an Wasserstoff
Beim Wasserstoff beruft sich die NRW-Regierung auf die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie. Demnach wird der gesamtdeutsche Bedarf an Wasserstoff und seinen Derivaten im Jahr 2030 bei 95 bis 130 TWh liegen. Die Landesregierung geht davon aus, „dass davon insbesondere aufgrund der hohen industriellen Nachfrage ein Anteil von ca. 30 Prozent auf Nordrhein-Westfalen entfallen wird.“ Der Bedarf läge also bei 29 bis 39 TWh. Bis 2045 soll es im Land einen Bedarf von 127 –177 TWh an Wasserstoff und Derivaten geben.
Die Energie- und Wärmestrategie des Landes NRW hält daher einen schnellen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft für wichtig. So will sie den Aufbau von Elektrolysekapazitäten für grünen Wasserstoff in den kommenden Jahren deutlich vorantreiben. Im Jahr 2030 ist ihrer Aussage nach eine Elektrolyseleistung von 1 GW in NRW realistisch. Diese könnte bei 4.000 Volllaststunden und einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 70 Prozent eine Wasserstoffproduktion von ca. 3 TWh/Jahr schaffen. Die Differenz zum Bedarf zeigt, dass es ohne große Wasserstoffimporte nicht funktionieren würde.
„Wasserstoff sollte vorrangig in den Bereichen zum Einsatz kommen, in denen eine Elektrifizierung oder andere Ausweichmöglichkeiten beziehungsweise Substitute nicht möglich oder wirtschaftlich nicht tragfähig sind“, erklärt die Energie- und Wärmestrategie des Landes. Dies sei nach jetzigem Stand vor allem im Industriesektor, im Verkehrsbereich etwa für schwere Nutzfahrzeuge sowie beim Betrieb von Kraftwerken zur Absicherung der Strom- und Wärmeversorgung der Fall. „Der dezentrale Einsatz von Wasserstoff in der Raumwärmeerzeugung wird nach heutigem Kenntnisstand aufgrund der hohen Nutzungskonkurrenz und der guten Alternativen eine untergeordnete Rolle spielen“, heißt es im Strategiepapier.
Betrachtet wird zudem auch die Mobilität. So prognostiziert die Energie- und Wärmestrategie NRW, „dass sich im Pkw-Segment batterieelektrische Antriebe aufgrund der hohen Effizienz und geringerer Technologiekosten im Vergleich zu brennstoffzellenbasierten Systemen bis 2045 beinahe vollständig durchsetzen werden“.
Autor: Andreas Witt | www.solarserver.de © Solarthemen Media GmbH